Deutsche Bank:Vergiftetes Klima

Deutsche Bank Co-CEO Fitschen Court Trial Begins In Munich

Der Prozess gegen sie soll beschleunigt werden: Ernst-Rolf Breuer (vorn), Josef Ackermann (fünfter v. re.) und Jürgen Fitschen (vierter v. re.).

(Foto: Joerg Koch/Getty)

Den angeklagten Top-Manager der Deutschen Bank wird kaum nachzuweisen sein, Leo Kirch in die Pleite getrieben zu haben. Ist ein Freispruch in Sicht?

Von Stephan Radomsky

"Ich schäme mich für die Rechtstaatlichkeit Deutschlands." Mit nur einem Satz fegt Josef Ackermann die zähe Routine im Strafprozess gegen ihn und vier weitere Top-Manager der Deutschen Bank beiseite - zumindest für einen Moment. Ungläubiges Schweigen im Saal. Hat er das wirklich gesagt, der Ex-Chef des größten deutschen Kreditinstituts? Derselbe, der sich 2004 als Angeklagter im Mannesmann-Prozess mit zum Victory-Zeichen gespreizten Fingern ablichten ließ?

Ackermanns Ausbruch zeigt, wie aggressiv die Atmosphäre in diesem Verfahren in München inzwischen ist, einem der prominentesten in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte. Neben Ackermann müssen sich hier sein Nachfolger als Deutsche-Bank-Chef, Jürgen Fitschen, und sein Vorgänger Rolf-Ernst Breuer wegen versuchten Prozessbetrugs im Schadenersatzstreit mit dem Medienunternehmer Leo Kirch verantworten, außerdem Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und der ehemalige Rechtsvorstand Tessen von Heydebreck. Vier von ihnen sollen, so steht es in der Anklage aus der Feder von Oberstaatsanwältin Christiane Serini, gemeinsam versucht haben, die Ansprüche Kirchs und seiner Erben durch falsche Aussagen vor Gericht abzuwehren. Fitschen soll nach seinem Amtsantritt als Co-Chef nichts dagegen unternommen haben.

Letztlich hätten die Manager damit zwar keinen Erfolg gehabt - die Deutsche Bank wurde zu Schadenersatz verurteilt und einigte sich anschließend mit Kirchs Erben auf eine Entschädigung von 925 Millionen Euro. Aber bereits der Täuschungsversuch ist strafbar. Nur: Nachgewiesen ist den Bankern bisher nichts. Das zu schaffen dürfte nach Stand der Dinge sehr schwer werden.

Ohne den Beweis des Vorsatzes sei die Sache "mausetot", warnte der Vorsitzende Richter

Alles dreht sich in dem seit Ende April laufenden Prozess um die Frage, ob die Deutsche-Bank-Manager Kirch Anfang 2002 wirklich bewusst und aktiv in die Pleite treiben wollten, um seinen Konzern anschließend gewinnbringend zu zerschlagen. Im Zivilprozess setzte sich die Kirch-Seite mit dieser Sicht durch: Breuer habe als damaliger Chef der Deutschen Bank eine Sanierung des Medien-Konglomerats verhindert, urteilte der 5. Zivilsenat unter Vorsitz des als "Bankenschreck" bekannt gewordenen Richters Guido Kotschy. Das sei nach Paragraf 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung" Kirchs gewesen. Die Deutsche Bank bestreitet das. Man habe die Sache nur vom Tisch haben wollen, deshalb die Einigung, heißt es.

Jetzt, im Strafverfahren, liegt die Sache anders. Hier streiten nicht zwei Privatparteien, die sich einfach wieder einigen könnten. Hier verfolgt der Staat mögliche Straftäter. Er müsste, um einen Schuldspruch formulieren zu können, deren Fehlverhalten zweifelsfrei nachweisen. Aber genau hier hakt es: Wenn die Staatsanwälte um Serini nicht beweisen können, dass es absichtlich zu der vermuteten "vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung" durch die Deutsche Bank kam, sei "die Sache hier mausetot", warnte der Vorsitzende Richter Peter Noll.

Entsprechend nervös sind die Staatsanwälte. Bisher hat ihre Strategie nicht gezündet. Ihre Zeugen sagten entweder zugunsten der Banker aus, erinnerten sich nicht oder aber sie hatten schlicht nichts zur Sache beizutragen. Christian Graf Thun-Hohenstein beispielsweise wird für seine Aussage aus London eingeflogen. Die läuft dann aber völlig ins Leere. Der heute 55-Jährige leitete in den Jahren um 2002, zur Zeit der Kirch-Pleite, das für europäische Medienunternehmen zuständige Investmentbanker-Team der Deutschen Bank.

Die Staatsanwaltschaft verspricht sich viel von seinen Erinnerungen, er wird als Kronzeuge für die unlauteren Absichten der Bank gehandelt. 2012 und 2013 war er bereits von den Ermittlern befragt worden, die Ergebnisse waren für Serini und ihre Leute offenbar ermutigend genug, um ihn zu laden. Das aber ist ein bitteres Missverständnis: Der Zeuge Thun-Hohenstein beruft sich immer wieder auf Gedächtnislücken. Er bleibt oft vage und antwortet einsilbig. Sein Team und er hätten zwar eine "strategische Perspektive" für Kirch erarbeitet. Das belegen auch Akten. Was Breuer und die anderen Vorstände vorhatten, wisse er aber nicht. Eine Rückmeldung zu den Planspielen habe es nicht gegeben.

Noch schlechter läuft aus Sicht Serinis der Auftritt von Michael Storfner. Der Journalist führte am 3. Februar 2002 jenes für Breuer so verhängnisvolle Fernsehinterview, in dem er mit Verweis auf Markt-Gerüchte die drohende Zahlungsunfähigkeit Kirchs insinuierte. Die Anklage vermutet dahinter Kalkül: dass Breuer Kirch unter Druck setzen wollte, damit er der Deutschen Bank den lukrativen Auftrag für die Zerschlagung seines Konzerns gibt. Storfner widerspricht aber: "Mein Eindruck war, das war spontan", sagt er aus. Er sei bei der Vorbereitung des Breuer-Interviews zufällig auf das Thema Kirch gestoßen. Mit der Deutschen Bank sei das nicht vorab abgesprochen gewesen.

Jürgen Fitschen muss fortan zweimal pro Woche in München auf die Anklagebank

Dass die Äußerungen Breuers andere Banken davon abgehalten haben, Kirch neue, dringend benötigte Kredite zu geben, wie die Anklage vermutet, verwirft Werner Schmidt, seinerzeit Chef der Bayern-LB. Bei der stand Kirch mit zwei Milliarden Euro in der Kreide. Dass der Medienunternehmer "nicht unerhebliche Probleme im Bereich der Liquidität" hatte, sei ihm bekannt gewesen, so Schmidt, und zwar nicht erst Anfang 2002. Insofern sei das Breuer-Interview für ihn "uninteressant" gewesen, weil es "keine Neuigkeiten" enthielt.

Schließlich Verlagserbin Friede Springer und der damalige und heutige Chef des Unternehmens, Mathias Döpfner. Beide ebenfalls auf Wunsch der Staatsanwaltschaft geladen, weil sie Anfang der 2000er durch Überkreuz-Beteiligungen mit Kirch verbandelt waren. Beide Aussagen bringen den Staatsanwälten nichts ein. Ihre vermeintlichen Trümpfe stechen nicht. Die überaus umfangreichen Beweisanträge ziehen den Prozess nicht nur in die Länge. Sie vergiften auch die Stimmung. Zur Aufklärung hat die Masse der zusätzlich als Beweise eingebrachten Schriftstücke kaum beigetragen.

So gerät das Verfahren zunehmend zum Abnutzungskampf zwischen Anklage und Verteidigern. Und der wird inzwischen auch persönlich ausgefochten zwischen Serini und dem Breuer-Verteidiger Norbert Scharf. Der ist ein erfahrener Wirtschafts-Strafrechtler, er verteidigte zuletzt unter anderem im Ecclestone-Prozess in München und dem Sal.-Oppenheim-Verfahren in Köln. Trotzdem verloren beide die Nerven. Eine der vielen Auseinandersetzungen eskalierte zuletzt vor dem Gerichtssaal im Treppenhaus: Serini blafft den Verteidiger an, dass sein Verhalten im Verfahren bei der Staatsanwaltschaft "gar nicht gut ankommt". Scharf raunzt zurück, dass er sich nicht bedrohen lasse.

20 Verhandlungstage sind absolviert, mindestens acht weitere sollen bis Mitte Januar folgen. Das Urteil hätte ursprünglich Mitte Oktober fallen sollen. Deshalb wollen die Richter das Tempo jetzt beschleunigen. Bis Ende des Jahres soll Fitschen montags und dienstags auf der Anklagebank Platz nehmen. Bisher musste er nur einmal pro Woche nach München reisen. Aber die Richter dringen auf ein Ende. Bis es soweit ist, wird das Verfahren die Beteiligten noch viele Nerven kosten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: