Deutsche Bank und Kirch-Prozess:Die Bank gegen Breuer

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Der frühere Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, muss mit einer neuen Anklage rechnen. (Foto: dpa)

Zwölf Jahre lang hat Rolf Breuer vor Gericht an der Seite der Deutschen Bank im Kirch-Prozess gekämpft. Nun hat das Institut 927 Millionen Euro Schadensersatz an Kirchs Erben gezahlt. Und plötzlich hat Breuer einen neuen Gegner.

Von Andrea Rexer, Frankfurt, und Klaus Ott

Er sitzt zwar in der ersten Reihe, aber er könnte sich kaum weiter zurückgezogen haben. Die Hände im Schoß gefaltet, den Blick auf den Boden gesenkt wartet Rolf Breuer, bis US-Investor George Soros endlich seinen Vortrag an der Frankfurter Goethe-Universität beginnt. Ab und zu tritt jemand auf ihn zu, dann erschrickt er fast, springt auf, schüttelt Hände, zeigt ein Lächeln, das einen Augenblick später verschwunden ist. Öffentliche Auftritte wie diesen absolviert Breuer nur noch selten. Zu groß ist die Schmach, die ihm der jahrelange Rechtsstreit erst mit dem Medienmagnaten Leo Kirch und dann mit dessen Erben zugefügt hat.

Selbst im Elefantenfriedhof, einem Bürogebäude in unmittelbarer Nähe der Frankfurter Bankzentrale, sieht man ihn kaum noch. Dort haben die ehemaligen Vorstände ihren Austragssitz, sie kümmern sich um Aufsichtsrats- und Stiftungsmandate. Wenn Breuer hierherkommt, dann ist ihm anzumerken, wie sehr ihn die Ereignisse der vergangenen Wochen getroffen haben. Breuer sei "angezählt, er ist richtig in die Knie gegangen", sagt einer, der ihn seit Jahrzehnten kennt, der an seiner Seite Karriere gemacht hat. Dass die Bank sich mit der Familie Kirch verglichen und von ihrem früheren Vorstandssprecher losgesagt hat, das sei für Breuer eine Katastrophe. "Das ist für ihn der GAU."

Wer mal wie Breuer in der Chefetage saß, der darf weiter die Dienste der Bank in Anspruch nehmen, mit Büro, Sekretariat und Fahrdienst. Hilmar Kopper und all die anderen Alten dürften es also gut haben. Doch davon kann bei Breuer keine Rede mehr sein. Er hat, nach zwölf Jahren erbitterten Streits mit Kirch und dessen Erben, seinen früheren Arbeitgeber nicht mehr hinter, sondern gegen sich. Die Bank hat 927 Millionen Euro Schadensersatz für jenes TV-Interview gezahlt, in dem Breuer im Februar 2002 die Kreditwürdigkeit des damals vor dem Ruin stehenden Film- und Fernsehunternehmers angezweifelt hatte.

Welchen Preis muss Breuer zahlen?

Nun muss der Ex-Chef mit einer Anklage rechnen, weil er versucht haben soll, die Justiz im Kirch-Prozess zu betrügen. Und das Geldhaus wird wohl seinen einstigen Chef in Regress nehmen. Etwas anderes bleibt dem Aufsichtsrat gar nicht übrig, will er sich nicht selbst haftbar machen. Die Bank gegen Breuer. Das Vermögen von Breuers Familie wird auf knapp zehn Millionen Euro geschätzt. Immobilien in Frankfurt, Berlin und Kitzbühel. Dazu eine schöne Altersversorgung. Doch das ist nichts im Vergleich zu den 927 Millionen Euro.

Als Siemens vor Jahren vom alten Chef Heinrich von Pierer und dessen Kollegen Schadensersatz für den riesigen Korruptionsfall verlangte, beauftragte der Industriekonzern die Kanzlei Hengeler Mueller mit dem Eintreiben des Geldes. Pierer musste fünf Millionen Euro zahlen. Wäre das auch Breuers Preis?

Hengeler Mueller, das ist jene Kanzlei, die zwölf Jahre lang die Bank und Breuer gegen die Attacken von Kirch verteidigt hat und die weiterhin Breuer vertritt. Bei Siemens notierten die Anwälte, ein Unternehmen könne ein "verdientes Vorstandsmitglied" in Ausnahmefällen auch mal schonen. Und es dürfe die "negativen Auswirkungen" eines Prozesses gegen einen Ex-Manager bedenken. Der öffentliche Ruf und das Betriebsklima könnten leiden.

Der frühere Bank-Chef sei nicht auf Streit aus, sagt einer, der ihn gut kennt. "Das Allerletzte, was er will, ist ein Prozess zwischen ihm und der Bank." Voraussetzung sei aber ein für Breuer akzeptabler Kompromiss. Doch das haben die heutigen Verantwortlichen in Frankfurt und der alte Chef nicht alleine in den Händen. Das Geldinstitut muss versuchen, über Breuer möglichst viel aus der für Vorstände abgeschlossenen Management-Haftpflichtversicherung herauszuholen, genannt D & O. Die Police soll sich auf 500 Millionen Euro belaufen. Doch ob sie zahlt, ist unklar.

Sofern die Versicherer zu dem Schluss kämen, das TV-Interview sei kein fahrlässiger Ausrutscher, sondern pure Absicht gewesen, um den angeschlagenen Kirch noch mehr unter Druck zu setzen, um die wertvollsten Teile seines Imperiums wie die Formel 1 und die Springer-Aktien teuer verkaufen und als Investmentbank daran gut verdienen zu können. Weil es inzwischen viele Indizien für diese von Breuer bei Gericht hartnäckig abgestrittene Variante gibt, will ihn die Münchner Staatsanwaltschaft wegen versuchtem Prozessbetrug anklagen.

Nach zwölf Jahren nervenaufreibenden Dauerstreits mit Kirch nun noch ein Strafverfahren in München und vielleicht sogar ein Prozess seiner eigenen Bank gegen ihn? Das würde Breuer schwer verkraften. Die Kirch-Attacken haben Breuer geschlaucht, mehr als er wohl zugeben würde. Mr. Teflon haben sie den alten Chef früher in der Bank genannt, weil er unzugänglich für Kritik gewesen sei. Das ist jetzt vorbei. "Wenn man sein ganzes Berufsleben in diesem Haus verbracht und das Institut zu einer der erfolgreichsten Banken gemacht hat, dann ist das, was jetzt mit Breuer passiert, eine menschliche Tragödie", sagt Michael Endres, der mit Breuer einst gemeinsam im Vorstand der Bank saß.

Denn noch mehr zugesetzt als die vielen Prozesse der Erben und Anwälte von Kirch und die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft hat dem alten Bank-Chef wohl das, was einer der wenigen verbliebenen Unterstützer als "Entsolidarisierung" bezeichnet. Um die eigene Haut zu retten, haben sich frühere Vorstandskollegen von Breuer nach und nach abgesetzt. Sein Nachfolger Josef Ackermann etwa, ganz besonders wohl Clemens Börsig, der eine Zeitlang auch Aufsichtsratschef der Bank war, und möglicherweise auch Jürgen Fitschen, einer der beiden heutigen Vorstandschefs.

Er kennt nichts anderes als die Bank

Und die Bank als solche natürlich auch. Sie will erst durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erfahren haben, welches Spiel Breuer mit dem Kreditkunden Kirch getrieben habe. In Breuers Umgebung wird das zurückgewiesen, trotz der vielen belastenden, von der Staatsanwaltschaft zutage geförderten Dokumente und ebenfalls belastender Zeugenaussagen. Bis hin zu Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff, mit dem Breuer beim damaligen Kanzler Gerhard Schröder war. Dort wurde über Kirch gesprochen, und der Deutsche-Bank-Chef soll gewissermaßen den Auftrag bekommen haben, für eine Zerlegung des Film- und Fernsehkonzerns mit einer weitgehend deutschen Lösung zu sorgen. Breuer streitet bis heute ab, Kirch hintergangen zu haben.

Den Kirch-Prozess habe Breuer "für die Bank geführt", sagt einer seiner Vertrauten. Umso bitterer sei es für den alten Chef, dass sich seine Bank nun gegen ihn wende. "Er kennt nichts anderes als die Bank, das ist sein Leben, das war seine Macht." Jetzt ist der Breuer machtlos, er versteht die Welt nicht mehr und hat nur noch seine Anwälte hinter sich; und diejenigen, die an seiner Seite in die Chefetage aufgestiegen sind, aber die haben nicht mehr viel zu sagen. Auch sie sitzen im Elefantenhaus, und wenn sie dort gelegentlich ihren Ex-Chef treffen, dann erleben sie einen ganz anderen Menschen als früher.

Breuer sei früher ziemlich verschlossen gewesen, habe kaum Einblick gewährt in sein Innenleben, heißt es. Jetzt schütte er manchmal sein Herz aus.

© SZ vom 22.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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