Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank und der Kirch-Prozess:Prominenz im Verhör

Fitschen, Ackermann, Börsig: Gleich drei Topmanager der Deutschen Bank hat die Münchner Staatsanwaltschaft zur Insolvenz des Medienmagnaten Kirch vernommen. Einem ehemaligen Bank-Chef droht schon jetzt ein Prozess.

Von Klaus Ott

Viel Prominenz aus der Deutschen Bank reiste im Januar nach München, um bei der Staatsanwaltschaft im Fall Kirch auszusagen. Erst kam Jürgen Fitschen, einer der beiden heutigen Vorstandschefs. Dann folgte Fitschens Vorgänger Josef Ackermann. Und schließlich war noch Clemens Börsig da, der früher erst im Vorstand saß und dann den Aufsichtsratsvorsitz übernahm.

Fitschen, Ackermann, Börsig, drei Top-Leute binnen drei Wochen zu Gast zu haben und sie tage- und teils auch nächtelang zu vernehmen, das ist selbst für eine Staatsanwaltschaft ungewöhnlich, die seit Jahren in diversen Verfahren in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft und Industrie ermittelt.

Alle drei haben ihre Unschuld beteuert. Haben erklärt, sie hätten mitnichten versucht, im Kirch-Prozess beim Oberlandesgericht (OLG) München die Justiz zu täuschen. Sondern dort nach bestem Wissen und Gewissen ausgesagt. Der Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs, den die Strafverfolger gegen Ackermann, Börsig und Fitschen sowie zwei weitere Beschuldigte erhebt, sei folglich falsch. Ist das die Fortsetzung der alten Geschichte? Deutsche Bank und Deutschbanker gegen die Justiz und umgekehrt? Nein, so ist es nicht mehr.

Ex-Bank-Chef Breuer droht ein Verfahren wegen Prozessbetrug

Die Einheitsfront wie früher beim OLG, wo man gemeinsam gegen den inzwischen verstorbenen Medienmagnaten Leo Kirch agierte, die ist Vergangenheit. Jetzt muss jeder an sich selber denken und schauen, wie er einer Anklage entgeht. Das macht die Lage für die Bank noch unübersichtlicher, noch ungemütlicher. Und erst recht für den einstigen Bank-Chef Rolf Breuer. Er steht am stärksten unter Druck, er wird wohl nicht um einen Prozess wegen versuchten Prozessbetrugs herumkommen. Einiges von dem, was Ackermann und Börsig jetzt ausgesagt haben, passt nicht mehr so ganz oder überhaupt nicht zu den Angaben der Bank und von Breuer. Manches wirkt eher belastend, denn entlastend und könnte dazu beitragen, dass die Justiz die Bank zu hohem Schadensersatz an Kirchs Erben verurteilt. Und dass zumindest Breuer angeklagt wird.

Am deutlichsten war offenbar Clemens Börsig, der heute noch dem Finanzkonzern eng verbunden ist, als Vorstandschef der bankeigenen Stiftung, die sich für gute Zwecke (Bildung, Kultur, Soziales) engagiert. Börsig hatte Anfang 2002, als es in der Bank um den Umgang mit dem kurz vor der Pleite stehenden Kreditkunden Kirch ging, zusammen mit Breuer, Ackermann, Fitschen und anderen im Vorstand gesessen. Der Stiftungschef soll ausgesagt haben, Breuer habe damals offenbar den Vorstand unvollständig, wenn nicht gar unrichtig über die Pläne der Bank mit Kirch informiert.

Soll das etwa heißen, Breuer habe seine Kollegen getäuscht und das später auch bei der Justiz versucht? Das wäre ein schwerer Vorwurf, das wäre Wasser auf die Mühlen der Staatsanwaltschaft, die kurz vor einer Anklage gegen Breuer steht. Börsigs Anwalt äußert sich wegen des noch laufenden Ermittlungsverfahrens nicht zur Aussage seines Mandanten. Auch das, was Ackermann den Ermittlern sagte, ist nicht nur hilfreich für die Bank und Breuer.

Die Kernfrage: Hat der damalige Bank-Chef Breuer 2002 mit seinem berühmten TV-Interview, in dem er Kirchs Kreditwürdigkeit öffentlich anzweifelte, den Medienmagnaten unter Druck setzen wollen? Um dann große Teile seiner Film- und Fernsehgruppe verkaufen zu können, was ein lukrativer Auftrag gewesen wäre? Nein, lauten die Antworten Breuers und der Bank. Man habe keine Geschäfte mit Kirch machen wollen, also hafte man auch nicht für Breuers Interview. Doch Ackermanns Aussage bei der Staatsanwaltschaft nährt die Zweifel, die es nach Aktenfunden der Ermittler in der Bank ohnehin schon gibt.

Nach Angaben seiner Verteidiger Eberhard Kempf und Hellen Schilling hat Ackermann jetzt bei seiner Vernehmung "klargestellt", dass der Bank-Vorstand Anfang 2002 Kirch "ansprechen wollte". Die beiden Verteidiger verweisen an dieser Stelle darauf, was Ackermann im Jahr 2007 bei einem Aktionärstreffen des Geldinstituts dazu erklärt hatte. Hier wird es nun ganz spannend. Denn Ackermann hatte den Aktionären laut Versammlungsprotokoll mitgeteilt, der Vorstand habe im Januar 2002 "zugestimmt, dass die Bank an Herrn Dr. Kirch herantritt, um zu erfahren, ob Herr Dr. Kirch Beratung wünscht". Beratung bedeutet Geschäft.

Aufschlussreich ist auch, was Ackermann nach Angaben seiner Anwälte der Staatsanwaltschaft sonst noch so erzählt hat. Etwa zu den damaligen Überlegungen in der Investmentsparte der Deutschen Bank, wie man an Kirch verdienen könne. Das sei zwar "zu keinem Zeitpunkt entscheidungsreif geworden". Auch habe Ackermann bei der Staatsanwaltschaft erneut klargestellt, dass er jedes Mandat der Bank für die Kirch-Gruppe abgelehnt hätte, das mit "frischem Geld" aus dem Finanzinstitut für den Medienkonzern verbunden gewesen wäre. Ackermann habe es andererseits für möglich gehalten, dass die Bank eine Anfrage nach Übernahme eines Kirch-Mandats nicht von vornherein abgelehnt, sondern kritisch geprüft hätte. Unter einer Voraussetzung: kein zusätzliches Kreditengagement der Bank bei Kirch.

Das haben Kempf und Schilling auf Anfrage der SZ zu Ackermanns Aussage bei der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Und noch etwas haben die beiden Verteidiger auf Anfrage bestätigt: Ackermann habe sich im Kirch-Streit darauf verlassen, dass die Anwälte der Bank und deren Rechtsabteilung beim Oberlandesgericht korrekte Angaben zu diesem Fall machten. Nach den Aussagen von Ackermann und vor allem von Börsig bei der Staatsanwaltschaft sieht es so aus, als liege der schwarze Peter nun bei der Bank und Breuer.

Und was hat Jürgen Fitschen der Staatsanwaltschaft erzählt? Fitschen hat diese Woche öffentlich erklärt, er habe im Falle Kirch "weder gelogen noch betrogen". Das habe er "sehr deutlich" den Ermittlern mitgeteilt, als die ihn in der ersten Januarhälfte gleich zwei Tage lang befragten.

Fitschen vernommen, Börsig vernommen, Ackermann vernommen, da bleibt von den prominenten Beschuldigten nur noch Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck übrig, der am Freitag aussagen wollte. Und natürlich Rolf Breuer, der bislang nicht zur Staatsanwaltschaft kam und wohl auch nicht mehr kommen wird. Was soll er auch noch erklären, nachdem ihm wohl sowieso eine Anklage und ein Prozess bevorstehen.

Es wirkt so, als würden Breuer und seine Anwälte all ihre Energie und Argumente auf ein Gerichtsverfahren konzentrieren wollen. Um dort die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.

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Quelle:
SZ vom 01.02.2014/fie
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