Finanzindustrie:Die Schonzeit ist bei der Deutschen Bank vorbei

Deutsche Bank - Christian Sewing

Vorstandschef Christian Sewing: Übernimmt er das Investmentbanking der Deutschen Bank womöglich sogar selbst?

(Foto: dpa)
  • Noch sind die Abbaupläne bei der Deutschen Bank offenbar nicht konkret. Klar ist aber: Sie werden heftig ausfallen.
  • Bis zu 20 000 Stellen sollen wegfallen, das Investmentbanking deutlich schrumpfen - und auch im Vorstand könnte ein Umbau anstehen.
  • Fest steht: Die Mitarbeiter werden unter Sewing nicht mehr geschont. Vielleicht wurden sie es schon zu lange.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Die Hauptversammlung war gerade zwei Wochen vergangen, Christian Sewing hatte seine Botschaft von "harten Einschnitten" platziert, da flog der Konzernchef der Deutschen Bank nach Katar. Zwei der wichtigsten und mächtigsten Investoren der Bank sitzen dort: Zusammen kontrollieren zwei Vertreter der Herrscherfamilie Al-Thani mehr als sechs Prozent der Anteile, was die Scheichs in Summe zu den größten Aktionären macht. Gegen sie lässt sich die Bank kaum regieren - schon gar nicht, wenn der Aktienkurs immer neue Negativrekorde erreicht und über eine erneute Kapitalerhöhung spekuliert wird, so wie rund um Pfingsten.

Sewing flog also an den Golf, auf Bitten der Katarer, denn für sein Vorhaben tut er gut daran sicherzustellen, dass sie es mittragen. Die Deutsche Bank, so sickerte durch, steht sehr wahrscheinlich vor dem größten Umbau seit vielen Jahren, vor einer Schrumpfkur, zu der sich Sewings Vorgänger entweder nicht durchringen wollten oder konnten. Sie soll kleiner werden, schlanker, sich aus unprofitablen Geschäften zurückziehen; sie begräbt den Anspruch, zu den größten Investmentbanken der Welt zu gehören und im Wettkampf mit den Wall-Street-Größen zu bestehen.

Der Aufsichtsrat der Bank wird Insidern zufolge am 7. Juli tagen, einem Sonntag - was deutlich macht, dass Dinge zu beschließen sein werden, die der Kapitalmarkt sofort erfahren muss. Vergangene Woche informierte die Bank das Kontrollgremium und die Regulierungsbehörden über ihre Pläne, die dann nicht mehr lange geheim blieben. Am Freitag schrieb das Wall Street Journal, zwischen 15 000 und 20 000 Stellen stünden auf dem Spiel, andere Medien folgten und lieferten über das Wochenende neue Details. Noch seien die Abbaupläne nicht konkret, heißt es, und möglicherweise ändern sich manche Zahlen noch. Aber der Rahmen scheint klar zu sein.

Die momentan defizitäre Unternehmens- und Investmentbank, die derzeit etwa 38 000 Mitarbeiter zählt, steht im Mittelpunkt der Umbaupläne. Der Handel mit Wertpapieren - vor allem Aktien und Staatsanleihen - soll außerhalb Europas deutlich kleiner werden und in einigen Bereichen komplett geschlossen, heißt es in Finanzkreisen. Dazu gehören jeweils zentrale Funktionen in der Frankfurter Zentrale, in denen weniger Mitarbeiter gebraucht würden. Auch das sogenannte Research, wo Experten der Bank Kapitalmärkte und Volkswirtschaften analysieren, dürfte schrumpfen. Für nicht mehr benötigte oder zu risikoreiche Anlagen und Finanzinstrumente könnte die Bank eine Abbaueinheit einrichten, die ein Volumen von bis zu 50 Milliarden Euro haben könnte. Am Montag wurde außerdem bekannt, dass im Zuge der Postbank-Integration etwa 1300 weitere Vollzeitstellen im Privatkundengeschäft wegfallen sollen.

Die Bank gibt seit Wochen die immer gleiche Stellungnahme zu Sewings Strategieplänen ab: kein Dementi, keine Bestätigung, keine Kommentare zu vermeintlichen Spekulationen. Mit Blick auf die zur Hauptversammlung angekündigten Maßnahmen heißt es nunmehr, man werde "Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre und die Öffentlichkeit sobald wie möglich über die Ergebnisse informieren."

Übernimmt der Vorstandschef das Investmentbanking selbst?

Auch den angedachten Umbau im derzeit neunköpfigen Vorstand kommentiert die Bank nicht. Überlegungen, das Gremium zu verkleinern, gibt es schon länger, ebenso Gerüchte über einen bevorstehenden Abgang von Investmentbanking-Chef Garth Ritchie. Der Südafrikaner steht wegen Ertragsproblemen seiner Sparte unter Druck und machte einst Karriere unter dem früheren Bankchef Anshu Jain. Anstatt ihn zu ersetzen, könnte Sewing dem Vernehmen nach selbst das Investmentbanking übernehmen. Marc Fedorcik, Ritchies Stellvertreter, und Stefan Hoops, Leiter der Transaktionsbank, würden in diesem Szenario gemeinsam die Sparte leiten, wohl aber nicht auf Vorstandsebene. So wüsste Sewing zumindest vorübergehend in der Investmentbank durchzuregieren.

Regulierungsvorstand Sylvie Matherat gilt als schwierig zu ersetzen. Sie hat zwar einen schweren Stand bei den Aufsichtsbehörden, nachdem die Bank mehrfach wegen unzureichender Geldwäschevorsorge aufgefallen war. Allerdings ist Matherat die einzige Frau im Vorstand. Eine natürliche Nachfolgerin, die bei der Aufsicht beliebter wäre, drängt sich nicht auf. Gleichzeitig ist den Aufsehern wichtig, für den Bereich Regulierung und Regeltreue eine Ansprechpartnerin im Vorstand zu wissen.

Setzt Sewing sich durch, steht am Ende eine Bank, deren Belegschaft um etwa ein Fünftel geschrumpft wäre. Der Abbau dürfte länger dauern, denn er soll ohne erneute Kapitalerhöhung funktionieren - die Aktionäre noch einmal um frisches Kapital zu bitten, zum fünften Mal in neun Jahren, wäre zu riskant. Eine alte Faustregel besagt: Die Restrukturierungskosten betragen zunächst einmal zwischen 100 und 150 Prozent der jährlichen Einsparungen. Wahrscheinlich werde die Bank den Stellenabbau also über die Zeit strecken, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Finanzkreise. So ließen sich Kosten für Abfindungen, Vorruhestandslösungen und Sozialpläne "kapitalschonend verteilen". Die Mitarbeiter dagegen werden unter Sewing nicht mehr geschont. Vielleicht war die Schonzeit gerade in der Investmentbank aber auch schon zu lang.

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FILE PHOTO: The Deutsche Bank headquarters are pictured in Frankfurt

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