Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Mit letzter Kraft

Die Deutsche Bank streicht 18000 Stellen und organisiert sich komplett neu. Der Umbau kostet Milliarden und wird das Institut auf Jahre beschäftigen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Getrieben von der Ungeduld der Investoren trat Christian Sewing Ende Mai ans Rednerpult in der Frankfurter Festhalle und machte Ernst. Die Fusion mit der Commerzbank war am Tag der Hauptversammlung gerade seit vier Wochen abgesagt, im Raum stand der Vorwurf, die Deutsche Bank habe keinen Plan B, wie es weitergehen soll. Was würde Sewing also anbieten? Von seiner Rede blieb vor allem ein Satz hängen, der seither immer wieder zitiert wird: Man sei "zu harten Einschnitten bereit". Man müsse, sagte Sewing, "noch rascher und radikaler umbauen".

Was zu dieser Zeit nur wenige Beteiligte wussten: Im Geheimen arbeitete Sewing seit Dezember am radikalsten Umbau, den die Deutsche Bank seit Jahrzehnten erlebt hat. An diesem Sonntag nun segnete der Aufsichtsrat den Plan ab, aus dem manche Namen und Details schon vorher durchgesickert waren. Es sollen 18 000 Vollzeitstellen abgebaut werden, das Investmentbanking wird zerschlagen, Bilanzaktiva im Wert von 74 Milliarden Euro landen in einer eigenen Abbaueinheit, Geschäftsbereiche und Zuständigkeiten im Vorstand werden neu sortiert.

7,4 Milliarden Euro koste das bis 2022, für das laufende und kommende Jahr soll die Dividende gestrichen werden, teilte die Bank am Sonntag mit. Alles zusammen wirkt jetzt, da das ganze Paket bekannt ist, wie eine Notoperation, zu der es aus Sicht der Chefärzte keine Alternative mehr gibt. Das Vorhaben ist so komplex wie die Bank, aber die Logik ist einfach: Sewing will unprofitable Geschäftsbereiche mit stark schwankenden Einnahmen nicht mehr weiter mitschleppen. Was sich nicht von allein trägt, wird abgesägt - so wie der Aktienhandel, aus dem sich die Bank ganz zurückziehen will.

Prominente Manager verlieren ihren Job oder gehen freiwillig. Frank Strauß, früher Chef der Konzerntochter Postbank und seit 2017 Vorstand für den Bereich Privat- und Firmenkunden, tritt Ende Juli ab, ebenso Regulierungsvorstand Sylvie Matherat, deren Abgang eine Frage der Zeit war. Matherat war bei den Aufsichtsbehörden in Ungnade gefallen; spätestens nachdem die Bankenaufsicht Bafin einen Sonderbeauftragten für die Geldwäscheprävention ins Haus schickte, galt sie als gefährdet. Investmentbanking-Chef Garth Ritchie hatte bereits am Freitag seinen Rücktritt zum Ende des Monats bekannt gegeben. Der Top-Verdiener im Vorstand bleibt der Bank bis November als Berater erhalten und kann etwa elf Millionen Euro an Abfindungen erwarten.

Für das neu strukturierte Investmentbanking zeichnet Konzernchef Christian Sewing in Zukunft selbst verantwortlich und richtet es künftig stärker nach Kundengruppen aus. Unterhalb des Vorstands bestellt er drei loyale Gefolgsleute für das operative Geschäft. Stefan Hoops wird den neu zugeschnittenen Bereich "Transaktions- und Unternehmensbank" leiten, der sich vor allem an die Schatzmeister von Unternehmen richtet. Mark Fedorcik, der bisherige Co-Chef der Investmentbank unter Ritchie, soll das Emissions- und Beratungsgeschäft leiten. Vor allem im lukrativen Geschäft mit Fusionen, Übernahmen und Börsengängen sieht die Bank noch einen wichtigen Teil ihrer Zukunft. Zielgruppe dafür: Konzernchefs und Finanzvorstände. Auch am Handel mit Anleihen und am Devisenhandel will das Institut festhalten. Das Anleihen- und Währungsgeschäft soll künftig Ram Nayak leiten. Das Geschäft mit privaten und vermögenden Kunden wird künftig Sewings Stellvertreter Karl von Rohr zugeordnet. Unter ihm installiert die Bank als Deutschlandchef den früheren Allianz-Manager Manfred Knof. Christiana Riley, bisher Finanzchefin der Investmentbank, übernimmt als Regionalvorstand für Nord- und Südamerika. Als neuer IT-Vorstand soll der frühere SAP-Vorstand Bernd Leukert die Digitalisierung des Instituts voranbringen. Die Bereiche von Matherat übernimmt größtenteils Risikovorstand Stuart Lewis. Die Vorstände und ihre direkten Untergebenen sitzen künftig wieder in einem "Group Management Committee".

Nach einer überzeugenden Wachstumsgeschichte klingt das alles noch nicht

Rechtsvorstand und Ansprechpartner für die Aufsichtsbehörden wird ein Mann, über den noch zu sprechen sein wird. Stefan Simon, Jahrgang 1969, Rechtsanwalt aus dem Rheinland mit Kanzleisitz in Zürich, Experte für Gesellschaftsrecht. Er zog auf Geheiß der beiden Großaktionäre aus der katarischen Herrscherfamilie Al-Thani vor drei Jahren in den Aufsichtsrat ein. Dort leitete er zuletzt den Integritätsausschuss, der unter anderem die Skandale der Vergangenheit aufarbeitet. Mit seinem Wechsel in den Vorstand haben die mächtigsten Aktionäre Durchgriff auf das operative Geschäft: Der Finanzinvestor Cerberus berät den Vorstandschef in Strategiefragen; der Al-Thani-Vertraute Stefan Simon ist der Mann für Rechtsfragen. Was die neu berufenen Manager umsetzen wollen, wird teuer, und das sofort. Den Großteil der Belastungen - 5,1 Milliarden Euro - will die Bank noch in diesem Jahr verbuchen. Aus den laufenden Einnahmen ist das kaum zu finanzieren. Mit einer harten Kernkapitalquote von 13,7 Prozent steht die Deutsche Bank im Vergleich zu den direkten Wettbewerbern noch in der Spitzengruppe. Das könnte sich bald ändern: Im Zuge des Umbaus soll das Mindestziel für die Quote von 13 auf 12,5 Prozent abgesenkt werden. Abbau und Umstrukturierung will die Bank ohne Kapitalerhöhung finanzieren.

Experten halten das Programm für ambitioniert. Die Toleranzschwelle für Fehler sei sehr niedrig, sagt Christian Scarafia von der Ratingagentur Fitch. "In einem solchen Fall muss der Rest der Bank funktionieren. Sie müssen sehr klarmachen, wie und wo die restliche Bank wachsen soll", sagt er. Das ist der Schönheitsfehler: Nach einer überzeugenden Wachstumsgeschichte klingt das noch nicht. Der Wettbewerb auf dem Heimatmarkt bleibt hart, und ein Abschwung käme ungelegen. "Wir kennen den Weg, wie wir zu einer nachhaltig höheren Profitabilität kommen", sagte Sewing Ende Mai. Wenn es ihn denn gibt, wird dieser Weg lang - und schwierig.

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SZ vom 08.07.2019
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