Süddeutsche Zeitung

Panama Papers:Deutsche Bank ist zurück im Skandalmodus

  • Beamte der Staatsanwaltschaft Frankfurt, des Bundeskriminalamts, der Steuerfahndung und der Bundespolizei durchsuchten am Donnerstag unter anderem die Konzernzentrale der Deutschen Bank.
  • Die Bank soll Gelder aus mutmaßlichen Steuerstraftaten über Briefkastenfirmen verbucht haben, vermuten die Ermittler - und werten das als sogenannte Vortat zur Geldwäsche.
  • Von August an ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Dabei fanden die Ermittler offenbar schnell konkrete Verdachtsmomente gegen Mitarbeiter.

Von Frederik Obermaier, Meike Schreiber und Jan Willmroth

So martialisch wie 2012 lief es dieses Mal nicht ab. Im Skandal um Steuerbetrug mit Zertifikaten hatten damals 500 Beamte, teils schwer bewaffnet und behelmt, stundenlang die Zentrale der Deutschen Bank durchsucht, als ginge es gegen einen Mafiaboss. Am Donnerstag blieben die Helme zwar im Wagen, diskret gingen die Ermittler aber nicht gerade vor. 170 Beamte der Staatsanwaltschaft Frankfurt, des Bundeskriminalamts, der Steuerfahndung und der Bundespolizei durchsuchten unter anderem die Konzernzentrale des Geldinstituts in Frankfurt.

Sie parkten ihre Streifenwagen hinter den zwei verglasten Türmen, einen dunklen Wagen mit Blaulicht davor, und nahmen einfach den Haupteingang. In etwa zur gleichen Zeit verschickte die Staatsanwaltschaft Frankfurt eine Mitteilung zur Razzia, die Vorstand und Aufsichtsrat völlig unvorbereitet erwischte: Geldwäscheverdacht, dringender Tatverdacht. Gegen zwei Mitarbeiter im Alter von 46 und 50 Jahren und weitere Beschuldigte werde ermittelt. Einer der beiden soll Mitarbeiter der Abteilung gegen Finanzkriminalität sein, der andere Berater. Die Ermittler blieben bis in den Abend, an diesem Freitag sollten die Durchsuchungen weitergehen. Die Deutsche Bank, so viel steht fest, ist auf einmal wieder im Skandalmodus.

Ermittlungen im Zusammenhang mit der Firma Regula Limited

Dieses Mal geht es um sogenannte Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen und die Panama Papers - ein Thema, das aus Sicht der Bank als weitgehend abgeschlossen galt. Ohnehin sah man sich nach all den Skandalen als geläutert an, ließ Manager reumütig auftreten, betonte, wie weit man damit sei, endlich aufzuräumen. Die rechtlichen Altlasten seien abgearbeitet, betont Christian Sewing stets, der das Geldhaus seit April 2018 führt. In einer dürren Erklärung teilte das Institut mit, man sei der Ansicht gewesen, den Behörden alle relevanten Informationen zu den Panama Papers bereitgestellt zu haben. Dass man mit den Behörden "vollumfassend kooperiere" habe man seit Jahren "stets bewiesen".

Doch eine Razzia mit 170 Beamten, nur weil noch ein, zwei Dokumente fehlen? Es geht um mehr: Von August an ermittelte die Staatsanwaltschaft Frankfurt, angeleitet vom Bundeskriminalamt (BKA), das die Datensätze aus den Panama Papers und den Offshore Leaks ausgewertet hatte. Dabei fanden die Ermittler offenbar schnell konkrete Verdachtsmomente gegen Mitarbeiter. Kaum drei Monate waren vergangen, bis der Durchsuchungsbeschluss für die Großrazzia genehmigt worden ist.

Die Bank habe Gelder aus mutmaßlichen Steuerstraftaten über Briefkastenfirmen verbucht, vermuten die Ermittler, und werten das als sogenannte Vortat zur Geldwäsche. Über eine zum Konzern gehörende Gesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln sollen allein im Jahr 2016 mehr als 900 Kunden mit einem Geschäftsvolumen von 311 Millionen Euro betreut worden sein. Das lässt das ganze Ausmaß der Vorwürfe nur erahnen, die sich auf die Jahre 2013 bis 2018 beziehen. Offenbar stehen die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Firma Regula Limited, einer ehemaligen Tochterfirma. In den Panama Papers hatten SZ, NDR und WDR in Kooperation mit Medien aus 76 Staaten von Frühjahr 2016 an enthüllt, wie Politiker, Sportfunktionäre, Milliardäre und Kriminelle Briefkastenfirmen in Panama nutzen, um Geld vor den Behörden zu verstecken. Behilflich bei der Gründung solcher Firmen war jahrzehntelang die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca.

Razzia könnte lediglich der Anfang sein für eine ganze Reihe von Durchsuchungen

Die Veröffentlichungen machten deutsche Ermittler neugierig. Anfragen der Behörden, Unterlagen herauszugeben, lehnte die SZ ab, unter anderem, um ihren Informanten zu schützen. Wenige Monate später aber gab das BKA bekannt, im Besitz von Dokumenten aus den Panama-Papers sowie von Daten aus Steueroasen zu sein. Eine Ermittlungsgruppe namens "Olet" - der Name ist abgeleitet von dem lateinischen Spruch "pecunia non olet" (Geld stinkt nicht) - machte sich daran, alles auszuwerten, teilte Daten mit Dutzenden Staaten, auf dass auch dort ermittelt werde.

In Deutschland scheinen die Ermittlungen weit genug fortgeschritten zu sein, um zuzuschlagen. Die Razzia bei der Deutschen Bank, so ist aus Ermittlerkreisen zu hören, könnte lediglich der Anfang sein für eine ganze Reihe von Durchsuchungen.

In den Unterlagen von Mossack Fonseca stand die Deutsche Bank mit elf verschiedenen Vermittlerprofilen, etwa Deutsche Bank Schweiz, Niederlassungen in Jersey und Mauritius. Demnach hat das Institut mehr als 400 Briefkastenfirmen vermittelt oder verwaltet. Allein die Schweizer Niederlassung zahlte 2006 etwa 160 000 Dollar Jahresgebühren - für eine dreistellige Zahl an Firmen, die Mossack Fonseca dem Geldhaus zurechnete. Bestellt wurden die Briefkastenfirmen en gros: Ein Mitarbeiter der Deutschen Bank, so ist in einer Mossack-Fonseca-Notiz von 2010 zu lesen, habe zum Beispiel etwa zehn Briefkastenfirmen pro Monat geordert. Die Bank, so heißt es bei der Kanzlei, habe wie viele andere deutsche Banken ein Problem damit, "die Namen der wahren Eigentümer der Offshore-Firmen zu nennen".

Die Deutsche Bank hat lange Erfahrung in diesem verschwiegenen Geschäft. In den 1970er-Jahren eröffnete sie Büros auf Jersey und Guernsey, 1983 folgten die Cayman Islands, 1999 Mauritius - dort gebe es eine "steuerneutrale Umgebung", warb man damals. Auf einer Webseite des Instituts stand einstweilen sogar ein Sonderschriftzug: "Seit über 30 Jahren Offshore-Finanzdienstleistungen verpflichtet." Die Deutsche Bank unterhält laut aktuellem Geschäftsbericht noch immer Filialen in Steueroasen wie den Cayman Islands, Mauritius und Jersey. Und auch die Regula Limited, die nun im Zentrum der Ermittlungen steht, gehörte öffentlichen Dokumenten zufolge noch 2017 zum Konzern.

Razzien bei der Deutschen Bank

April 2010: Erste Razzia wegen des Verdachts auf Steuerbetrug beim Handel mit Verschmutzungsrechten

November 2011: Die Staatsanwaltschaft München lässt Vorstandsbüros und die Rechtsabteilung der Deutschen Bank im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess durchsuchen

Dezember 2012: 500 Beamte durchsuchen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung die Büros des Geldinstituts in Frankfurt

Dezember 2012: Eine Woche später schon die nächste Durchsuchung: Diesmal geht es um den Verdacht auf Falschaussagen und Betrug im Kirch-Prozess

März 2014: Durchsuchung der Kanzlei der Deutsche-Bank-Anwälte in Frankfurt

März 2014: Wegen mutmaßlichen Betrugs im Kirch-Schadenersatzprozess durchsucht die Staatsanwaltschaft die Konzernzentrale der Bank in Frankfurt ein weiteres Mal

9. Juni 2015: Ermittler durchsuchen die Zentrale der Bank im Zusammenhang mit verdächtigen Aktiengeschäften

Nach der Veröffentlichung der Panama Papers hatte die Bank beteuert, die Geschäfte seien "nach den gesetzlichen Regeln" erfolgt. Man stelle den Kunden längst keine Panama-Firmen mehr zur Verfügung. Auch Felix Hufeld, Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, hat die Bank indirekt entlastet. Die Bafin hatte seinerzeit elf deutsche Kreditinstitute aufgefordert, ihre Datenbanken nach Offshore-Geschäften mit Mossack Fonseca zu durchsuchen. Nach zwei Jahren Prüfung sagte Hufeld Anfang 2018, es sehe "bislang so aus", als habe keines der elf Institute "in erheblichem Maße gegen geldwäscherechtliche Vorschriften verstoßen". Formal hätten die Banken die geltenden Geldwäschevorschriften weitgehend eingehalten.

Alles in Ordnung also? Die Bafin wollte sich am Donnerstag nicht zu den Vorgängen äußern. Die Razzia in Frankfurt wird man aber auch in Bonn, wo die Behörde ihren Hauptsitz hat, genau verfolgt haben.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2018/hgn
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