Süddeutsche Zeitung

Libor-Skandal:Deutsche Bank bezieht Prügel von der Aufsicht

Lesezeit: 2 min

Analyse von Harald Freiberger, Frankfurt

Am Ende kam es für die Deutsche Bank schlimmer als erwartet: Britische und amerikanische Behörden verurteilten sie zu einer Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar (umgerechnet 2,3 Milliarden Euro). Es geht um die Verwicklung des Instituts in die Manipulationen des Zinssatzes Libor. Bisher war nur bekannt, dass die Strafe höher als 1,5 Milliarden Dollar ausfallen soll. Diese Summe hatte die Schweizer Großbank UBS zahlen müssen.

Warum die Strafe so hoch ausfiel, ist nicht ganz klar. Die New York Times nennt die Deutsche Bank schon "schwarzes Schaf" und "Boxsack der Regulierer". Offensichtlich hat sie es sich mit den Finanzaufsehern verscherzt. So bemängelte die britische Finanzaufsicht FCE das unkooperative Verhalten der Bank, die Ermittler seien teils bewusst in die Irre geführt worden. So dauerte es offenbar zwei Jahre, bis das Institut den Behörden Tonbänder aushändigte, auf denen sich fragwürdige Absprachen der Händler befinden. "Über Jahre haben Mitarbeiter der Deutschen Bank rund um den Globus illegal Zinssätze manipuliert", erklärte das US-Justizministerium.

Die Behörden ermitteln seit fünf Jahren in dem Fall. Mehrere Großbanken wurden schon zu Strafen von insgesamt sechs Milliarden Dollar verurteilt. Auch die EU-Kommission verhängte ein Bußgeld von 1,5 Milliarden Euro, davon allein 725 Millionen für die Deutsche Bank.

Das größte deutsche Institut hat bereits zwölf Händler entlassen, die mit der Feststellung des Zinssatzes Libor betraut waren. Neun weitere wurden versetzt. Nun drängen die Behörden darauf, dass sieben weitere Angestellte gehen müssen. Die oberste Führungsebene des Konzerns soll aber nicht betroffen sein. Anshu Jain, heute Co-Chef der Bank, war zur fraglichen Zeit Chef des Investmentbankings, dort erfolgten die Manipulationen.

Der Libor ist der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Er wird in London notiert. Leicht zu manipulieren war er, weil er aus einer Umfrage von acht bis 16 Großbanken ermittelt wurde. Diese meldeten täglich um elf Uhr an den britischen Bankenverband, zu welchem Zins sie sich von anderen Banken Geld leihen.

Der Libor hat auf den Kapitalmärkten weltweit enorme Bedeutung. Finanzprodukte in Höhe von mehreren Hundert Billionen Euro sind an ihn gekoppelt. Es handelt sich zum Beispiel um Derivate, also Wetten auf Aktien, Anleihen oder Währungen, die sich auf einen Basis-Zinssatz beziehen. Auch Sparprodukte von Banken mit einem flexiblen Zinssatz beziehen sich häufig auf den Libor.

Die Manipulationen liefen von 2003 bis 2011. Die Banker hatten vor allem zwei Motive: Zum einen ging es ihnen darum, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise um 2008 die eigene Situation zu beschönigen. Sie meldeten einen niedrigeren Zinssatz, als sie eigentlich zahlen mussten, denn ein hoher Zins gilt als Alarmsignal. Zum anderen wollten sie sich selbst bereichern: Wer weiß, wie ein Zins sich entwickelt, kann die Handelspositionen der Bank darauf abstellen und Wetten abschließen. Das nutzt auch den Händlern selbst: Je mehr Gewinn sie erzielen, umso höher ist ihr Bonus.

Nach Schätzungen soll Bankkunden ein Schaden von rund 17 Milliarden Dollar entstanden sein. Konkret ist dies aber schwer zu ermitteln. Denn dazu müsste bekannt sein, in welche Richtung der Libor in welchem Zeitraum manipuliert wurde. Erst dann könnten Bankkunden anhand ihrer damaligen Wertpapier-Positionen sagen, welchen Schaden sie erlitten haben. Es gibt eine Reihe von Investoren, die klagen wollen. Anwälte arbeiten an Analysen, wie sich der Libor ohne die Manipulationen entwickelt hätte.

Dem britischen Bankenverband wurde die Verantwortung für die Feststellung des Libor entzogen. Dafür ist seit gut einem Jahr eine von den Banken unabhängige Organisation namens IBA zuständig. Die internationalen Aufseher drangen zudem darauf, dass die Feststellung der Zinsen in den Banken besser kontrolliert wird. So soll die Deutsche Bank zugestimmt haben, dass sie in den nächsten Jahren von einem Aufpasser überwacht wird, den die Behörden entsenden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2449243
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.04.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.