Deutsche-Bank-Prozess:Vier Jahreszeiten

Deutsche Bank co-CEO Fitschen awaits trial in a courtroom in Munich

Jürgen Fitschen, Noch-Chef der Deutschen Bank: Sein Verteidiger plädierte am Dienstag auf Freispruch.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Im Prozess gegen die Deutsche Bank ist nach zwölf Monaten endlich das Urteil in Sicht. Dabei ist die Verhandlung inzwischen zur Farce geworden.

Von Harald Freiberger

Es wird Frühling hinter der Nymphenburger Straße. Wer aus dem Fenster von Sitzungssaal B273 des Münchner Landgerichts schaut, erblickt das erste zarte Grün der Laubbäume, und für Prozessbeobachter, die von Anfang an dabei waren, ist es, als hätten sie das alles schon mal gesehen. Genauso sah es draußen aus, als vor fast genau einem Jahr einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse begann, die es in Deutschland je gab.

Auf der Anklagebank sitzt die Ahnengalerie der Deutschen Bank: Noch-Chef Jürgen Fitschen, sein Vorgänger Josef Ackermann, sein Vor-Vorgänger Rolf Breuer, dazu Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck. Es geht um den ungeheuerlichen Vorwurf des Prozessbetrugs. Die Fünf sollen sich abgesprochen und vor fünf Jahren im Kirch-Prozess falsch ausgesagt haben, um eine drohende Strafzahlung von bis zu zwei Milliarden Euro von der Deutschen Bank an Kirch abzuwenden. Das wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor.

34 Verhandlungstage, vier Jahreszeiten. Ankläger, Angeklagte und Beobachter haben alles erlebt in dem stickigen Raum: den Frühling, einen langen heißen Sommer, sie sahen die Blätter von den Bäumen fallen, da hieß es, es könnte noch vor Weihnachten ein Urteil geben. Es folgten immer neue Beweisanträge der Staatsanwälte. Dann hieß es, es könnte Ostern werden. Nun ist es Frühling geworden, und immer noch gibt es kein Urteil. Auch nicht an diesem Dienstag.

Richter Peter Noll macht gleich eingangs klar, dass es dazu an diesem Prozesstag nicht kommen werde. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es nun am kommenden Montag verkündet, und wieder einmal haben die Beobachter den Eindruck, sie hätten das alles schon erlebt. Eine Farce ist das deshalb, weil der Richter schon mehrmals deutlich gemacht hat, wie es enden wird, nämlich mit einem Freispruch für alle Angeklagten. "Die Hauptverhandlung hat nach bisherigem Stand ergeben, dass die angeklagten Vorwürfe unbegründet sind", sagte er eine Woche zuvor. "Die Theorie einer Verschwörung hat sich nicht bestätigt." Deutlicher geht es nicht mehr.

Zuletzt forderten die Staatsanwälte Einsicht in ein Rechtsgutachten, das die Juristen der Deutschen Bank im Auftrag des Aufsichtsrats angefertigt haben. Es ging dabei um den Vergleich, den die Bank erst vor drei Wochen schloss: Breuer zahlt ihr 3,2 Millionen Euro, seine Manager-Haftpflichtversicherung 90 Millionen Euro. Das ist eine Art Ausgleich für den Vergleich, den die Bank ihrerseits mit den Kirch-Erben schloss, über 928 Millionen Euro. Die Staatsanwälte erhoffen sich neue Erkenntnisse aus dem Rechtsgutachten, doch der Richter verzichtete darauf, die Herausgabe von der Bank zu verlangen. Daraufhin legten die Staatsanwälte Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz ein, dem Oberlandesgericht. Dessen Entscheidung steht noch aus, und deshalb gibt es an diesem Tag noch kein Urteil.

Im Mittelpunkt des wohl vorletzten Verhandlungstages stehen die letzten Plädoyers der Verteidiger. Sie machen dort weiter, wo sie vor einer Woche aufgehört haben: mit massiven Vorwürfen gegen die Ankläger. "Man hat den Eindruck, man sitzt im falschen Film", sagt Heydebrecks Anwalt. Der Prozess sei von Anfang an "eine formidable Fehlleistung der Staatsanwälte" gewesen. Ein anderer Anwalt zieht einen Vergleich aus dem Fußball: "Der FC Bayern käme auch nie auf den Gedanken, wenn er in Rückstand geraten ist, zu fordern, dass so lange gespielt wird, bis er gewonnen hat."

Die Staatsanwälte dagegen sehen den Prozessbetrug als erwiesen an. Sie hatten zuvor hohe Strafen gefordert. Breuer solle zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt werden, Ackermann zu zweieinhalb Jahren, Fitschen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie zur Zahlung von zwei Millionen Euro.

Fitschens Anwalt Hanns Feigen sagt, die Staatsanwälte stünden "vor dem Scherbenhaufen ihrer Aklage, wollen ihr Fiasko aber nicht wahrhaben". Nicht der "Hauch eines Verdachts" bleibe zurück. Fitschen habe niemals gelogen oder betrogen. Der Anwalt der Deutschen Bank - sie ist Nebenklägerin - sieht die Staatsanwaltschaft "in einem Kreisverkehr festgefahren, sie hat versäumt abzubiegen, und jetzt ist ihr das Benzin ausgegangen".

Es sieht nicht gut aus für die Ankläger. Ein Staatsanwalt wehrt sich nach der Verhandlung vor Journalisten gegen den Eindruck, der in der Öffentlichkeit entstanden sei, dass ihre Anträge jeder Grundlage entbehrten: Es habe Widersprüche in den Aussagen einzelner Angeklagter gegeben, und es sei auffällig, dass alle ab einem gewissen Zeitpunkt dasselbe aussagten.

Den Angeklagten Vorsatz nachzuweisen, ist ihnen in den 34 Verhandlungstagen aber offensichtlich nicht gelungen. Am Montag soll das Urteil gesprochen werden. Dann aber wirklich. Die Staatsanwälte haben schon angekündigt, für diesen Fall eine Revision vor dem Bundesgerichtshof zu prüfen.

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