Deutsche-Bank-Prozess:Breuer bereitete sich mit Probe-Prozess vor

  • In München läuft seit Dienstagmorgen die Verhandlung gegen den aktuellen Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und die beiden früheren Chefs, Josef Ackermann und Rolf Breuer, sowie weitere Ex-Vorstände.
  • Der Vorwurf lautet auf versuchten Prozessbetrug: Die Angeklagten sollen im schon abgeschlossenen Kirch-Prozess vor dem Oberlandesgericht München nicht die Wahrheit gesagt haben.
  • Ziel der Angeklagten sei es gewesen, den Eindruck zu vermeiden, dass die Deutsche Bank an Geschäften mit Leo Kirch interessiert gewesen sei.
  • Um das zu erreichen, soll Ex-Bankchef Breuer mit Probe-Gerichtsverfahren auf das Kirch-Verfahren vorbereitet worden sein.

Aus dem Gerichtssaal von Hans von der Hagen

Täuschung durch Probe-Gerichtsverfahren?

Die Deutsche Bank, das macht ihr die Staatsanwaltschaft in der Anklage zum Vorwurf, habe in den Kirch-Verfahren unbedingt den Eindruck vermeiden wollen, man sei an Geschäften mit dem Medienmagnaten Leo Kirch interessiert gewesen. Nur so sei es angeblich möglich gewesen, den Attacken von Kirch auszuweichen, um keinen Schadensersatz zahlen zu müssen. Der Medienunternehmer hatte schließlich vor Gericht behauptet, er sei als Kunde der Deutschen Bank von dieser hintergangen worden. Die Bank habe ihn unter Druck setzen und sein Film- und Fernsehimperium zerlegen wollen, um daran verdienen zu können.

Ein Indiz nach dem anderen zählt die Staatsanwaltschaft in der Anklage auf, deren Verlesung Stunden dauert. Ex-Bankchef Breuer sei in einem Mock Trial, einem sogenannten Probeprozess, auf seine Aussage im letzten Kirch-Verfahren beim Oberlandesgericht (OLG) München vorbereitet worden. Einer der Anwälte der Deutschen Bank habe dabei die Rolle von Guido Kotschy übernommen, des Vorsitzenden Richters am OLG. In diesem Mock Trial seien nicht nur die möglichen Fragen des OLG durchgespielt worden. Man habe auch "vorformulierte Antworten" für Breuer vorbereitet. Das OLG habe, das sei nach dem Mock Trial klar gewesen, von einem von Beuer "selbst als falschen erkannten" Sachverhalt überzeugt werden sollen.

Das Mock Trial hat tatsächlich stattgefunden. Aber was die Staatsanwaltschaft an Schlussfolgerungen daraus zieht, dass nämlich bewusst Lügen einstudiert wurden, bestreiten die Banker und ihre Verteidiger vehement.

Erster Prozesstag in München

Nein, sie haben sich wohl nichts mehr zu sagen, diese fünf Herren auf der Anklagebank. Dabei waren sie doch alle einmal so wichtig, denn es sind und waren Herren der deutschen Hochfinanz: Rolf-Ernst Breuer und Josef Ackermann waren die vergangenen beiden Chefs der Deutschen Bank, Co-Chef Jürgen Fitschen leitet das Institut aktuell, und dann sind noch Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck dabei. Börsig war früher Risikovorstand bei dem Institut, später Chefaufseher bei der Bank, Heydebreck war unter anderem für die Rechtsabteilung zuständig.

Diese fünf sitzen an diesem Dienstagmorgen im Münchner Landgericht I, zusammen mit ihren zahlreichen Verteidigern. Insgesamt haben mehr als 20 Personen in den drei Reihen Platz gekommen, die für die Angeklagten und ihre Anwälte reserviert sind. Schulklassenstärke ist das schon. Breuer ist braungebrannt wie immer, Ackermann lächelt ungewöhnlich selten und Börsig? Der ist konzentriert, liest während der Feststellung der Personalien seiner früheren Kollegen in den Unterlagen.

Sie alle hatten sich ja schon mal vor Jahren beim Kirch-Prozess getroffen. Der große Unterschied: Damals war nur Breuer in Bedrängnis, weil der inzwischen verstorbene Medienmagnat Leo Kirch ihn und die Bank auf Schadensersatz verklagte hatte. Die anderen vier, die jetzt mit Breuer auf der Anklagebank sitzen, hätten damals lediglich wahrheitsgemäß erzählen sollen, wie das war mit der Bank und Kirch. Im Kirch-Streit gab es noch ein gemeinsames Ziel: eine Schadensersatzforderung gegen die Deutsche Bank abzuwehren. An diesem Dienstag können die Herren noch so dicht im Gerichtssaal sitzen - nie war der Abstand zwischen ihnen größer. Jetzt kämpft jeder für sich.

Die Hintergründe: Darum geht es im Prozess gegen Fitschen und Co.

Einen vergleichbaren Fall hat es in Deutschland bislang nicht gegeben: Aktuelle und ehemalige Chefs der Deutschen Bank sitzen in München auf der Anklagebank. Das Gericht untersucht, ob die Angeklagten im - bereits abgeschlossenen - Prozess zwischen Kirch und der Deutschen Bank versucht haben, das Oberlandesgericht München zu täuschen, um einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung abzuwehren.

Was war geschehen?

Der frühere Chef der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, hatte im Februar 2002 die Kreditwürdigkeit des Medienunternehmers Leo Kirch angezweifelt - und zwar öffentlich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg. Kurze Zeit darauf, im April 2002, war Kirch dann pleite. Wollte Breuer mit den Äußerungen im Interview den seinerzeit schon stark angeschlagenen Kirch-Konzern unter Druck setzen und in die Arme der Deutschen Bank zwingen? So sah es jedenfalls der mittlerweile verstorbene Leo Kirch, der es in aller Kürze so formulierte: "Erschossen hat mich Rolf." Kirch ging davon aus, dass die Deutsche Bank mit der Zerschlagung seines Imperiums viel Geld verdienen wollte.

Das Oberlandesgericht München kam 2012 zum Schluss, dass die Deutsche Bank versucht hatte, Kirch über das Interview unter Druck zu setzen, um ein Mandat von ihm oder auch von der Gegenseite, also einem der Kirch-Gläubiger, zu bekommen. Es bejahte also einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Breuer und die Zeugen der Deutschen Bank betonten indes, die Bank habe kein besonderes Interesse an dem Fall Kirch gehabt. Außerdem, so formuliert es einmal ein Vertreter der Bank außerhalb des damaligen Prozesses, würde doch auch ein Arzt nicht erst einen Mann auf der Straße anschießen, nur um ihn später als Patienten zu gewinnen.

Wie auch immer - der Prozess endete mit einem Vergleich: Die Deutsche Bank zahlte den Kirch-Erben und den Gläubigern des Kirch-Konzerns 925 Millionen Euro. Doch weil Breuer und weitere Top-Leute der Deutschen Bank aus Sicht des Gerichts die Unwahrheit sagten, müssen sie sich nun wegen versuchten Prozessbetrugs verantworten. Der Betrug gilt nur als versucht, weil das Gericht den Aussagen der Banker keinen Glauben schenkte.

Warum hatte das Oberlandesgericht Zweifel an den Aussagen Breuers und drängte auf den Vergleich?

Das Interview mit Bloomberg TV wurde am 3. Februar 2002 ausgestrahlt. Der Interviewer hatte gefragt, "ob man mehr ihm hilft, weiterzumachen". "Ihm" - das war Kirch, dessen Konzern damals hoch verschuldet war. Banker Breuer antwortete: "Das halte ich für relativ fraglich. Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen."

Im Laufe der nachfolgenden Ermittlungen und Prozesse wurde deutlich, dass Breuer sich wenige Tage vor dem Interview, am 27. Januar 2002, bereits mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder und dem seinerzeitigen Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff getroffen hatte, um über die Lage von Kirch zu reden. Kirch und Bertelsmann waren Konkurrenten. Am 29. Januar gab es überdies eine Vorstandssitzung, bei der ebenfalls über Kirch gesprochen worden sein soll. Zudem bot Breuer Kirch am 9. Februar 2002 an, dass die Deutsche Bank als Schutzschild für Kirch fungieren könnte. Das Gericht wollte nicht glauben, dass - wie von der Bank dargestellt - bei all diesen Terminen nur am Rande über Kirch gesprochen worden sei, zumal die Bank Pläne entwickelt hatte, wie der Kirch-Konzern aufgeteilt werden könnte.

Warum ist der Prozess für die Deutsche Bank so heikel?

Schon das Verfahren vor dem Oberlandesgericht hatte den Verdacht aufkommen lassen, dass die Bank im Fall Kirch fragwürdige Methoden angewandt hatte, um ein Kundenmandat zu ergattern. Der neue Prozess könnte belegen, dass sowohl Ackermann als auch der amtierende Co-Chef Fitschen womöglich wider besseres Wissen bereit waren, die Verteidigungsstrategie von Breuer mitzutragen, um die Deutsche Bank vor Schadenersatzansprüchen zu bewahren. Ein solches Ergebnis würde die Glaubwürdigkeit des Geldhauses - das sich ja unter anderem zuletzt auch wegen Manipulationen von Marktzinsen verantworten musste - noch weiter erschüttern. Es könnte aber auch sein, dass sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als nicht haltbar erweisen. So oder so, es wird spannend.

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