Süddeutsche Zeitung

Bundesgerichtshof:Alles zum Finale des Kirch-Prozesses

  • Im nun laufenden Revisionsprozess um die Schadensersatzklage der Kirch-Gruppe wird das Urteil für Ende Oktober erwartet.
  • Seit 2002 beschäftigt der Fall die Gerichte.

Von Wolfgang Janisch

Manchmal drückt Schweigen eben doch mehr aus als lange Reden. Zehn Verteidiger und zwei Verteidigerinnen waren nach Karlsruhe gekommen, um vor dem Bundesgerichtshof die Freisprüche von Rolf Breuer, Josef Ackermann und Jürgen Fitschen zu retten. Drei Ex-Chefs der Deutschen Bank, nicht überraschend also, dass auf der Verteidigerseite wirklich gute Leute saßen; jeder von ihnen hätte zwei Stündchen niveauvoll plädieren können. Stattdessen aber lief es so ab: Ali Norouzi erläuterte knapp, warum die 3600-Seiten-Revision der Staatsanwaltschaft München ein Beispiel dafür sei, wie man es nicht macht; Norbert Scharf bemühte sich, noch kürzer als Norouzi zu sprechen; Eberhard Kempf erklärte die Anklage zum Scheinriesen; und Christoph Knauer bemerkte, den Bankchefs sei nichts als eine Verschwörungstheorie unterstellt worden. Alle anderen schwiegen. Um elf Uhr, als es losging, hatte der Senatsvorsitzende Rolf Raum noch Sorge um die Mittagspause gehabt. Aber nicht einmal ein langes Plädoyer der Bundesanwaltschaft verhinderte, dass um eins alle wieder draußen waren.

Die demonstrative Entspanntheit der Starverteidiger sollte signalisieren: Vergesst es einfach. Schon die Anklage war dürftig, lautete die Botschaft, die den Bankern falsche Aussagen im Schadenersatzprozess um den Zusammenbruch des Medienkonzerns von Leo Kirch vorgeworfen hatte. Und an der Revision, mit der die Staatsanwaltschaft die Freisprüche vom April 2016 zu Fall bringen will, sei erst recht nichts dran. Ob sie damit recht haben, wird man am 31. Oktober wissen, dann verkündet der BGH sein Urteil.

Die denkwürdige Ursprungsgeschichte des Prozesses nahm im Frühjahr 2002 ihren Anfang. Am 3. Februar hatte Rolf Breuer, damals Vorstandssprecher der Deutschen Bank, in einem Fernsehinterview die Kreditwürdigkeit von Kirchs angeschlagener Firmengruppe angezweifelt. Bereits im April war Kirch insolvent - und machte Breuer dafür verantwortlich. Es folgte ein juristisches Scharmützel, in dessen Verlauf das Oberlandesgericht München 2011 in einem Hinweisbeschluss den bösen Verdacht in die Welt setzte, das Spitzenpersonal der Deutschen Bank könnte die Unwahrheit gesagt haben, um den Prozess um die Pleite für sich zu entscheiden.

Am Ende musste die Bank aufgrund eines Vergleichs 925 Millionen Euro zahlen - aber die Staatsanwaltschaft München schob gleichwohl eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs nach: Breuer, Ackermann und Fitschen sollen zu vertuschen versucht haben, dass das Breuer-Interview in Wahrheit Kirch unter Druck setzen sollte, damit die Deutsche Bank ein lukratives Mandat zu Restrukturierung des taumelnden Konzerns ergattern könne. Ein perfider Plan also, so sah es die Anklage. Oder eben eine Verschwörungstheorie. So sah es das Landgericht und erkannte auf Freispruch.

Der Bundesanwalt betrachtet die Revision als eine Art Rückspiel

Für Andreas Hornick von der Bundesanwaltschaft stellte sich in der BGH-Verhandlung die Frage, wie man so ein 268-Seiten-Urteil aushebelt, in dem Berge von Mails, Dokumenten und Aussagen verarbeitet worden sind. Der Bundesanwalt entschied sich, den Revisionsprozess als eine Art Rückspiel zu betrachten, ganz so, als könne man den Rückstand aus dem Hinspiel aufholen, indem man die Beweise noch besser würdigt als das Landgericht. Es galt herauszufinden, was vor und nach dem Breuer-Interview vom 3. Februar 2002 gesagt und geplant worden war. Am 27. Januar gab es ein Treffen Breuers mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem damaligen Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff. Am 29. Januar hielt die Bank eine Vorstandssitzung ab, am 9. Februar trafen sich Breuer und Kirch am Flughafen, am 14. Februar folgte ein Bankentreffen. Das Landgericht hat aus vielen Puzzleteilen ein Bild dieser Treffen zusammengesetzt, und auf diesem Bild war kein eindeutiger Plan der Deutschen Bank zur Erlangung eines dicken Auftrags von Kirch zu erkennen.

Bundesanwalt Hornick versuchte nun, einzelne Teile herauszubrechen. Da ging es etwa um die Notizen eines Anwalts, ein Entlastungsindiz - hat das Landgericht den Beweiswert nicht zu hoch eingeschätzt? Oder die Aussage Middelhoffs dazu, inwieweit Breuer vorab in das Thema des Kanzlertreffens eingeweiht war; durfte man die wirklich als unglaubwürdig abtun? Oder die internen "Planspiele" der Bank zu einem Engagement bei Kirch: War das nicht doch mehr Plan als Spiel?

Alles interessante Fragen, nur wiesen die Verteidiger darauf hin, dass die Antworten darauf eine Frage der Beweiswürdigung seien. Und das ist das ureigene Geschäft des Landgerichts, das der BGH nicht nachholen kann, sondern nur auf Rechtsfehler überprüft. Um noch einmal den Fußball zu bemühen: Das Revisionsverfahren ist kein Rückspiel, sondern eher eine nachträgliche Schiedsrichtersitzung, die prüft, ob es nicht doch ein Abseitstor gab. Und dies alles nach Aktenlage - ohne Videobeweis.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2019/mxh
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