Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Die Deutsche Bank hat ihren Kredit verspielt

Die Arroganz, mit der die Banker einst auftraten, passt nicht mehr zur Realität. Nun muss die Deutsche Bank erklären: Wer will sie sein?

Kommentar von Andrea Rexer

Für ein paar Jahre tat die Deutsche Bank so, als schwebe sie über den Dingen. Diesen Eindruck zumindest versuchte der frühere Vorstandschef Josef Ackermann mit aller Entschlossenheit zu vermitteln. Er würde sich schämen, Staatshilfe anzunehmen, sagte er zum Höhepunkt der Finanzkrise, kühl kalkulierend, dass ihn der Satz das gute Verhältnis mit der Kanzlerin kosten würde. Zuvor noch hatte die Bank die Bedingungen mitdiktiert, unter denen andere Institute Staatshilfen in Anspruch nehmen sollten. Doch selbst wollte er sie nicht annehmen, um die Bank stark wirken zu lassen. Das Selbstverständnis der Bank beruhte darauf, besser zu sein als alle anderen.

Was für eine Schmach ist es da, wenn nun - nur ein paar Jahre später - auf einmal der Finanzminister der Bank öffentlich beispringen muss. Er mache sich "keine Sorgen" um die Deutsche Bank, sagte Wolfgang Schäuble, nachdem deren Aktienkurs ins Bodenlose gefallen war. Das ist zwar keine Staatshilfe im klassischen Sinne, doch Schäuble zahlt damit auf jene Währung ein, welche die Bank am bittersten nötig hat: Vertrauen.

Die Bank ist nun selbst eine Getriebene

Trieb die Deutsche Bank noch vor einigen Jahren die anderen Institute vor sich her, ist sie heute selbst die Getriebene. Vertrauen ist die Grundlage jedes Geldgeschäfts, worauf schon das Wort "Kredit" hindeutet, das übersetzt "glauben" heißt.

Doch die Investoren haben die Geduld mit der Bank nun endgültig verloren. Sie wollen ihre Deutsche-Bank-Papiere loswerden - egal ob Anleihen oder Aktien. Dass sich der Aktienkurs am Mittwoch erholt hat, nachdem bekannt worden war, dass die Deutsche Bank womöglich eigene Schulden aufkaufen wird, ist keine langfristige Lösung. Nach wie vor bauen Investoren Druck auf, indem sie düstere Szenarien über die Zerschlagung der Bank verbreiten oder die Ablösung des Aufsichtsratschefs fordern.

Statt zu beruhigen, reagiert die Bank panisch. Man könne die Kredite bezahlen, versichert sie; verzweifelt schreibt ihr Chef John Cryan an die Mitarbeiter, dass die Bank "grundsolide" sei. Doch die Botschaft geht nach hinten los: Nun fragt sich alle Welt, wie ernst es um die Bank wirklich steht, wenn sie es nötig hat, solche Botschaften zu verbreiten und sich obendrein noch der Finanzminister einschalten muss. Die Äußerung des Ministers hat freilich praktisch kaum Relevanz - so desolat die Bank auch dasteht, sie ist kein Fall für den Rettungsschirm. Schäuble spricht ihr jedoch öffentlich das Vertrauen aus, das nach Jahren nicht enden wollender Skandale, drastischer Sparprogramme und ausbleibender Gewinne weitgehend verspielt ist.

Auch wenn der Druck enorm ist, die Deutsche Bank darf sich nicht so treiben lassen. Der frühere Deutsche-Bank-Vorstand Alfred Herrhausen sagte schon in den Achtzigerjahren: "Die Krankheit unserer Zeit sind Aktionismus und Hektik". Panische Äußerungen, wie sie in den vergangenen Tagen gemacht wurden, schaden der Deutschen Bank nur. Das Vertrauen wieder aufzubauen ist die zentrale Aufgabe von Vorstandschef John Cryan.

Es reicht nicht aus, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten

Weil er von außen kommt, hat er mit den Schatten der Vergangenheit nichts zu tun. Das verschafft ihm eine Glaubwürdigkeit, die sein Vorgänger Anshu Jain nicht hatte. Man glaubt ihm, dass er nichts bemäntelt, dass er nichts beschönigt. Das ist gut und wichtig, weil in der Vergangenheit zu oft der Eindruck entstanden ist, dass die Deutsche Bank ihre Skandale nicht ehrlich aufarbeiten will. Dass Cryan so ungeschminkt über die Schwächen der Deutschen Bank spricht, ist zugleich auch seine Schwäche. Intern wird ihm bereits vorgeworfen, die Bank schlechtzureden. Will er die Bank wieder nach vorn bringen, reicht es nicht aus, den harten Sanierungskurs durchzuhalten.

Es reicht nicht aus, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten. Will Cryan die Stimmung drehen, so muss er der Bank eine neue Identität geben. Auch die Commerzbank beispielsweise musste sich nach der missglückten Übernahme der Dresdner Bank und den damit verbundenen Staatshilfen neu erfinden.

Sie hat es geschafft, indem sie sich klar auf das Geschäft in Deutschland fokussierte. Mit dem früheren Selbstverständnis der Deutschen Bank, schlicht die Beste am Markt zu sein, hat Cryan aufgeräumt. Die Arroganz, mit der die Banker auftraten, passt nicht mehr zur Realität. So richtig es daher ist, mit der alten Kultur zu brechen, so wichtig ist es, hier keine Leerstelle zu lassen. Cryan muss klären, was die Deutsche Bank im Kern ausmacht. Nur dann kann sie ein Geschäftsmodell entwickeln, das wieder Gewinne abwirft, nur dann sind die Mitarbeiter motiviert genug, um die dafür erforderlichen Leistungen auch zu bringen. Und nur dann kehrt das Vertrauen zurück.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2857629
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.