Deutsche Bank:Jubiläum ohne Party

Der Festakt zum Geburtstag fällt aus, natürlich. Viel zu feiern hat die Deutsche Bank sowieso nicht - und das schon seit Jahren. Vom Aufstieg und Fall einer Ikone der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Von Meike Schreiber

Bankgebäude in Frankfurt

Die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt. Die Unwucht zugunsten des Investmentbankings ist größer geworden. Und wer auf die "Bad Bank" schaut, dem stellen sich einige Fragen.

(Foto: All mauritius images/mauritius images / Pitopia)

Eigentlich war alles vorbereitet für die große Sause: Das Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt war reserviert, mehr als 1000 Gäste geladen, die Festrede sollte der Bundespräsident halten und es sollten die Berliner Philharmoniker spielen. Auch 150 Mitarbeiter - einer für jedes Jahr - konnten sich bewerben, an der Feier am kommenden Samstag "als Botschafter" teilzunehmen.

Wegen des Coronavirus ist auch diese Party freilich längst abgesagt. Vielleicht wird sie in der zweiten Jahreshälfte nachgeholt, teilten Bankchef Christian Sewing und Aufsichtsratschef Paul Achleitner der Belegschaft mit. Ohnehin, so soll Sewing unlängst gesagt haben, "feiern wir nur, wenn es wirklich etwas zu feiern gibt" - Worte, die nun auf unvorhergesehene Weise wahr geworden.

Dabei war das Jubiläum schon lange ein Fixpunkt, bis zu dem die Deutsche Bank endlich auf dem Weg der Besserung sein wollte. Achleitner, so hieß es immer, wolle noch das Jubiläum begehen, um dann sein Amt zu übergeben. Die Bank hat bei Historikern sogar eigens ein fast tausendseitiges Buch zur Firmengeschichte in Auftrag gegeben, wohl auch als Gegenstück zu den vielen kritischen Publikationen. Ohne Unterlass verweist man auf die eigenen Wurzeln, deutsche Unternehmen in die Welt zu begleiten. Aber hat die Bank diese Wurzeln nicht längst selbst gekappt beim Versuch, in den Olymp des Investmentbankings aufzusteigen? Schonungslos und im besten Sinne kapitalistisch spiegelt zumindest der Börsenkurs die Lage der Bank: Just in der Woche des eigentlichen Geburtstags am 10. März fiel der Kurs - coronabedingt - auf ein Rekordtief. Und seitdem fällt und fällt er immer weiter, am Montag zwischenzeitlich auf unter 4,50 Euro. Kurz vor der Finanzkrise hatten die Papiere noch deutlich über 100 Euro gekostet.

Ein Teil der Belegschaft hat die Bank regelrecht ausgeplündert

Das einstige Machtzentrum der bundesrepublikanischen Wirtschaft, es ist verfallen; die Bank, ein Schatten ihres einstigen Selbst. Über den Grund dieses Niedergangs besteht fast schon Konsens: Die Deutsche Bank ist von Teilen ihrer Belegschaf regelrecht ausgeplündert worden, zuweilen kriminell, regelmäßig aber skrupellos. Und das in einem Ausmaß, von dem sich die Bank bis heute nicht erholt hat.

Das alles ist freilich nicht abzusehen, als die preußische Regierung der Bank 1870 die Konzession erteilt und der erste Vorstandssprecher Georg von Siemens am 9. April in gemieteten Räumen in der Französischen Straße 21 in Berlin die Geschäfte aufnimmt. Schon das Statut der Bank hebt damals das Auslandsgeschäft hervor. Die Gründer Adelbert Delbrück und Ludwig Bamberger wollen im Überseehandel endlich unabhängig sein von britischen Banken. Tatsächlich folgen bereits in den ersten Jahren Filialen im japanischen Yokohama, in Shanghai und in London. 1914 bezeichnet die Frankfurter Zeitung die Deutsche Bank als größte Bank der Welt. Wie kaum ein anderes Institut profitiere sie von der frühen Phase der Globalisierung.

Dieser Erfolg aber nimmt ein jähes Ende. Zwei Weltkriege und "die darauffolgende lange Zeit der Nationalisierung hat die Bank bis Ende der 1980er-Jahre geprägt", schreibt Konzernchef Sewing im Vorwort des neuen Buchs zur Konzerngeschichte. Bankgeschäfte bleiben eine weitgehend nationale Angelegenheit. Erst der Fall der Berliner Mauer leitet eine erneute Welle der Internationalisierung ein. Im Inland aber bleibt die Deutsche Bank die "Spinne im Netz der Deutschland AG", wie es der Journalist Dirk Laabs in seinem Buch "Bad Bank" formuliert. Die Deutsche Bank bestimmt, wer Kanzler wird - und wer es bleibt. Hermann Josef Abs, Chef in den 1950er- und 1960er-Jahren, wird sogar als Außenminister gehandelt. "Bis in die 1980er-Jahre hinein galt die Deutsche Bank als unangreifbar, als ein Solitär, mächtig, angsteinflößend", schreibt Laabs. In seinem akribisch recherchierten Buch schildert er zum Beispiel, wie der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth 1989 zur Deutschen Bank zitiert wird, wo man ihm von seinem Vorhaben abrät, den politisch geschwächten Helmut Kohl als CDU-Parteichef zu stürzen. In dieser Zeit wird das Haus von Alfred Herrhausen geführt.

Mit dem Schritt an die Wall Street übernahmen die Investmentbanker die Macht

Ungeachtet dieser Macht im Inland gerät die Bank international aber immer stärker unter Druck. Die Rivalen von der Wall Street in new York verdienen sehr viel mehr, sie schließen sich zusammen, wachsen und stellen die Deutsche Bank an den Rand. In London nimmt die Börse den elektronischen Handel auf, eine Art Urknall für das Finanzsystem. Nur drei Tage nachdem Herrhausen bei deinem Bombenattentat der RAF stirbt, unterschreibt sein Nachfolger Hilmar Kopper den Kaufvertrag für die britische Investmentbank Morgan Grenfell. Man strebt ab da ins internationale Kapitalmarktgeschäft; zehn Jahre später übernimmt Koppers Nachfolger Rolf-Ernst Breuer für enorme zehn Milliarden Dollar die angeschlagene US-Investmentbank Bankers Trust. Die Deutsche Bank ist damit an der Wall Street angekommen und endlich die größte Bank der Welt.

Im Zuge der Übernahme der jüdisch geprägten Bankers Trust lässt die Deutsche Bank endlich auch ihre Rolle in der Nazi-Zeit untersuchen: Nicht nur war Hermann Josef Abs im Aufsichtsrat des Fabrikverbundes I.G. Farben als dort über das Werk in Auschwitz gesprochen wurde. Die Bank gab auch Kredite für den Bau des KZ.

Wirtschaftlich erweist sich die Übernahme aber als schwerer Fehler: Das Institut begibt sich in die Hände einflussreicher Investmentbanker, vor allem Derivate-Experten. Über Jahrzehnte genehmigen sie sich hohe Boni für teils krumme Geschäfte, die später Milliarden-Strafen nach sich ziehen. Daran leidet die Bank bis heute, nicht nur finanziell. Es hat auch die Unternehmenskultur ruiniert: Zumeist steht nicht mehr der Kunde im Mittelpunkt, sondern das Profitstreben Einzelner. Weder Breuer noch Josef Ackermann, Jürgen Fitschen und Anshu Jain oder John Cryan gelingt es, die Macht der Investmentbanker im Konzern zu brechen - falls sie es überhaupt versuchen; und auch Christian Sewing muss sich noch beweisen.

Das Rennen um die Macht an der Wall Street hat die Deutsche Bank jedenfalls längst verloren. Fragt sich, was es dann in 25 Jahren zu feiern gibt.

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