Deutsche Bank in der Kritik:Geld verdienen mit dem Tod

Jede Versicherung ist eine Wette, und jede Lebensversicherung ist eine Wette auf den Tod. Die Deutsche Bank handelt mit diesen Policen und sammelt sie in einem makaberen Fonds: Dessen Rendite fällt für die Anleger umso höher aus, je früher Menschen sterben. Ein Anwalt der Anleger plant nun eine Klage wegen Sittenwidrigkeit.

Harald Freiberger, Frankfurt

Ein Anleger investiert Geld in einen Fonds und hofft, dass dieser eine gute Rendite abwirft. Soweit ist alles ganz normal und passiert täglich tausendfach. Was aber, wenn die Rendite umso höher ist, je früher Menschen sterben? Die Deutsche Bank hat vor vier Jahren einen Lebensversicherungsfonds aufgelegt, der mit diesem morbides Modell arbeitet. Und sie hat gerade eine Menge Ärger damit.

Der Fonds heißt "db Kompass Life 3" und wurde in Deutschland an viele Kleinanleger verkauft. Insgesamt investierten sie mehr als 700 Millionen Euro. Einige von ihnen wandten sich an die unabhängige Ombudsstelle des privaten Bankenverbands. Diese wies eine Schlichtung zurück, äußerte sich aber kritisch zur Konstruktion des Fonds. Das Modell sei "mit unserer Wertordnung, insbesondere der in ihrem Mittelpunkt stehenden Unantastbarkeit der menschlichen Würde, kaum in Einklang zu bringen", hieß es in einem Brief der Ombudsstelle an einen Anleger. Ein Gericht müsse die Frage klären, ob "die Wette auf die Lebensdauer eines ausgewählten Personenkreises nicht gegen sich aus unserer Sittenordnung ergebende Verhaltensverbote verstößt".

Damit stellt sich auch für den Anwalt der Anleger die Frage nach der Sittenwidrigkeit des Fonds. "Wir werden in dieser und in der nächsten Woche vor Gericht Klagen einreichen, wonach das Geschäft gegen die guten Sitten verstößt und damit nichtig ist", sagte der Hamburger Rechtsanwalt Tilman Langer, der rund 30 Anleger des Fonds vertritt, im Gespräch mit der SZ. Ein solches sittenwidriges Geschäft müsse rückabgewickelt werden. Das würde bedeuten: Anleger dürfen die Fondsanteile zurückgeben und erhalten ihr Geld zurück.

Lebensversicherungsfonds sind eigentlich ein seit längerem übliches Finanzprodukt. Dabei verkaufen ältere Menschen ihre Lebensversicherung, zum Beispiel, weil sie diese nicht mehr zur Absicherung ihres Ruhestands brauchen. Eine Bank oder eine Fondsgesellschaft bündelt viele solcher verkauften Lebensversicherungen zu einem Fonds und gibt diese mit einem bestimmten Zinssatz an Anleger weiter. Die Anleger profitieren davon, wenn die Verkäufer der Lebensversicherung früh sterben, weil die Versicherung dann die Versicherungssumme auszahlt. Im Grunde spekuliert der Fonds also auf die Lebenserwartung von Menschen.

Zynisch, aber weit verbreitet

Allein das klingt schon zynisch, ist in der Versicherungsbranche aber verbreitete Praxis. Schließlich ist jede Versicherung eine Wette, und jede Lebensversicherung ist eine Wette auf den Tod. Das Besondere am "Kompass Life 3" der Deutschen Bank aber ist, dass er gar keine echten Lebensversicherungen mehr gekauft hat. Bei den Vorgänger-Fonds "Kompass Life 1" und "Kompass Life 2" war das noch der Fall, sie enthielten reale Policen, die US-Bürger verkauft hatten.

Der "Kompass Life 3" dagegen war so konstruiert, dass er wie eine Wette auf die Restlebedauer von rund 500 US-Bürgern wirkte. Dahinter liegen komplizierte versicherungsmathematische Formeln. Die statistische Referenzgruppe, US-Bürger im Alter von 72 bis 85 Jahren, stellt regelmäßig ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung. Daraus errechnet sich die verbleibendes Lebensdauer. Das Prinzip ist dasselbe wie bei einer Lebensversicherung: Je früher die Menschen sterben, umso mehr profitiert der Anleger.

Die ursprüngliche Beschwerde der deutschen Anleger stützte sich darauf, dass die Deutsche Bank ihrer Meinung nach die Rendite des Fonds zu gering angesetzt habe. Sie sei von veralteten Sterbetafeln in den USA ausgegangen. Die Sterbetafeln weisen die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern und Frauen aus. Da diese immer weiter steigt, führen veraltete Tafeln mit einer geringeren Lebenserwartung für Anleger zu einer geringeren Rendite.

Dagegen beschwerten sich die Anleger bei der Ombudsstelle des privaten Bankenverbands. Dieser nahm nicht zum Sachverhalt der Sterbetafeln Stellung, dafür aber zur grundsätzlichen Frage der Sittlichkeit von virtuellen Lebensversicherungsfonds. Rechtsanwalt Langer spricht von einem "makaberen Rechenbeispiel ohne jedes Investitionsobjekt". Einige Anleger berufen sich darauf, dass sie gar nicht wussten, was sie da kauften. Die Deutsche Bank wollte die Angelegenheit nicht kommentieren.

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