Deutsche Bank im Kirch-Prozess:Triumph aus dem Jenseits

Angesichts der absehbaren Niederlage gegen seine Erben sind ihre Chefs Jain und Fitschen gefordert. Sie müssen entscheiden, ob sie ein Urteil in Kauf nehmen, das ihre Vorgänger auf die Anklagebank bringen könnte - oder ob sie einen Vergleich vorziehen.

Klaus Ott, München

Die Welt muss wieder einmal gerettet werden, zumindest die globale Wirtschaft; und so jetten dieser Tage führende Politiker und Manager nach Tokio zur Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Darunter auch Anshu Jain und Jürgen Fitschen, die Vorstandschefs der Deutschen Bank. Sie sollen helfen, die Schuldenkrise zu bewältigen. Eine große Aufgabe.

Vor zehn Jahren fiel das Kirch-Imperium

Mediemagnat Leo Kirch: Die Deutsche Bank hat mit der von ihm angestrengten und nach seinem Tod von seinen Erben weiter betriebene Schadensersatzklage zu kämpfen.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Im eigenen Konzern sind freilich auch einige Hausaufgaben zu erledigen. Dazu zählt ein altes Problem, das die Bank neuerdings in große Nöte bringt. Die vom Medienmagnaten Leo Kirch angestrengte und nach seinem Tod von seinen Erben und Anwälte weiter betriebene Schadensersatzklage.

Jain und Fitschen reisen alles andere als unbeschwert nach Japan. Denn das Oberlandesgericht (OLG) München ist drauf und dran, das führende Geldinstitut im Lande und dessen Ex-Chef Rolf Breuer zu verurteilen. 800 Millionen Euro könnte das nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens die Bank kosten.

Noch schlimmer wäre das Image-Desaster, sollten die vormaligen Bank-Chefs Josef Ackermann und Rolf Breuer, Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und ein weiterer Altvorstand, Tessen von Heydebreck, wegen versuchten Prozessbetrugs auf der Anklagebank landen. Die Banker sollen als Zeugen beim OLG falsch ausgesagt haben, was sie vehement bestreiten. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt mit Hochdruck.

Nun sind Jain und Fitschen gefordert. Viel Zeit bleibt nicht mehr für einen Vergleich mit den Erben von Leo Kirch, der sich als Kreditkunde von der Deutschen Bank hintergangen fühlte und das Institut für die Pleite seines Medienimperiums im Jahr 2002 verantwortlich machte. Das OLG München hat Fitschen für einen der nächsten Verhandlungstage, den 16. November, persönlich vorgeladen.

Das Gericht wird dann bestimmt wissen wollen, ob noch eine einvernehmliche Lösung möglich sei. In Münchner Justizkreisen wird angedeutet, dass man dort großes Interesse an einem Vergleich habe und dass dies auch für die Staatsanwaltschaft gelte. Die könne im Falle eines "Täter-Opfer-Ausgleichs" doch von einer Anklage gegen Ackermann & Co. absehen, sagt einer der Prozessbeteiligten.

Noch lassen sich Jain und Fitschen nicht in die Karten schauen. Sie lassen derzeit offen, ob die Bank lieber das Verfahren beim OLG durchzieht, selbst auf die Gefahr einer schmählichen Niederlage hin. Oder ob man zum wiederholten Male Vergleichsgespräche führt. Der Mitte 2011 verstorbene Kirch, später dann seine Familie, waren schon mehrere Male nah dran gewesen an einer Einigung, zuletzt vor gut einem halben Jahr.

Doch immer wieder machte die Bank einen Rückzieher, auch aus Angst vor den Aktionären. Die könnten ja eine Lösung zu den aufgerufenen Tarifen von teilweise fast einer Milliarde Euro als zu teuer anfechten, lautete die Befürchtung in der Konzernzentrale, den beiden Bank-Türmen in Frankfurt.

Bisherige Prozess-Strategie so gut wie gescheitert

Die neueste Rechnung dürfte anders aussehen. Ließen es Jain und Fitschen darauf ankommen, dass das OLG die Deutsche Bank wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung des Kreditkunden Kirch verurteilt, würden hinterher die Versicherer wohl nicht zahlen. Die für Ex-Chef Breuer (und andere Spitzenmanager) abgeschlossene Manager-Haftpflicht gelte im Kern nur bei Fahrlässigkeit, sagen mit dem Fall vertraute Juristen. Die Police soll sich auf 500 Millionen Euro belaufen, da wäre also einiges zu holen. Aber eben nur dann, wenn Breuer vor zehn Jahren in seinem inzwischen legendären TV-Interview zur Lage bei Kirch unabsichtlich herausgerutscht wäre, dass der Filmhändler, Fernsehbetreiber (Sat 1, Pro Sieben) und Springer-Großaktionär (Bild, Welt) nicht mehr kreditwürdig sei.

Breuer hat erklärt, das sei ein "Unfall" gewesen. Aus Sicht des OLG München erscheint das "kaum glaubhaft". Für das Gericht kommt eine ganz andere Version ernsthaft in Betracht: Breuer habe Druck machen wollen, damit der finanziell angeschlagene Kirch sich unter den "Schutzschild" der Deutschen Bank begebe und diese sein Imperium dann umstrukturieren könne. Investmentbanking, und darauf versteht sich die Bank ja, ist eine lohnende Sache. Breuer dürfte bei seinen Verstößen in dieser Sache einen Schaden für Kirch "zumindest billigend in Kauf genommen" haben, vermutet das OLG. Die Richter machen das Geldinstitut aber nicht für Kirchs Pleite verantwortlich.

Die bisherige Prozess-Strategie der Bank und ihrer alten Bosse ist jedenfalls so gut wie gescheitert. Ackermann, Breuer und andere haben ausgesagt, man sei damals, vor dem Fernsehinterview über die Lage bei Kirch, von niemandem gefragt worden, ob man in dieser Sache tätig werden könne. Es habe keine Gespräche gegeben. Das Gericht ist nach der bisherigen Beweisaufnahme vom Gegenteil überzeugt und sieht offenbar eine lückenlose Kette: erst ein Treffen von Breuer mit dem seinerzeitigen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und zwei mit Kirch konkurrierenden Konzernchefs (Bertelsmann, WAZ), dann das TV-Interview, dann ein Besuch von Breuer bei Kirch mit der "Schutzschild"-Offerte.

Für Breuer könnte der Prozess teuer enden. Muss die Bank zahlen, müsste sie hinterher ihren Ex-Chef wahrscheinlich in Regress nehmen. Einen Teil seines Vermögens, das auf zehn Millionen Euro geschätzt wird, dürfte er aber bestimmt behalten. Im Korruptionsskandal bei Siemens hat eine Anwaltskanzlei notiert, die "Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds" und die Rücksichtnahme auf die "sozialen Konsequenzen" für die Familie seien ausnahmsweise möglich. Es ist jene Kanzlei, die heute Breuer und die Deutsche Bank gegen die Attacken aus München verteidigt - mit immer geringerem Erfolg.

Der heutige Bank-Chef Fitschen hat übrigens auch als Zeuge ausgesagt und sich dabei geschickter aus der Affäre gezogen als seine Vorgänger Ackermann und Breuer. Gegen ihn wird nicht ermittelt.

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