Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Hedgefonds wetten gegen die Deutsche Bank - und verdienen ein Vermögen

  • Kleine, spezialisierte Hedgefonds treiben die großen Banken durch Spekulationen vor sich her. Sie setzen auf fallende Kurse und verdienen viel Geld.
  • Das bekommt auch die Deutsche Bank zu spüren.

Analyse von Andrea Rexer und Meike Schreiber

Die Herren der Finanzmärkte, so heißt es oft, seien die großen Adressen - Blackrock etwa, oder Pimco. Die milliardenschweren angelsächsischen Fonds haben ein weltweites Beteiligungsgeflecht aufgebaut. Wenn sie sich bewegen, spüren das Konzerne auf der ganzen Welt. Doch wenn die Finanzmärkte so verrückt spielen wie in dieser Woche, dann sind selbst die Großen machtlos. Denn es sind ganz andere Spieler, die in solchen Situationen über das Schicksal von Unternehmen an der Börse entscheiden.

Die Deutsche-Bank-Aktie ist dafür das beste Beispiel. Sie hat in den vergangen Tagen ein extremes Auf und Ab hingelegt. Davon sind freilich auch alle anderen Banken Europas betroffen, doch das größte deutsche Geldinstitut ist besonders zum Getriebenen der Märkte geworden. Es sind kleine, spezialisierte Hedgefonds, die derzeit die großen Banken durch ihre Spekulationen vor sich her treiben. Unbekannte Namen, wie etwa der britisch-amerikanische Hedgefonds Marshall Wace, haben bei der Deutschen Bank in großem Stil auf fallende Kurse gewettet. Das geht aus dem Bundesanzeiger hervor.

Es haben all jene verdient, die auf fallende Kurse gewettet haben. Innerhalb weniger Tage wurden etwa drei Milliarden Euro an Marktkapitalisierung der Deutschen Bank vernichtet.

Sie setzen auf fallende Kurse - und verdienen in wenigen Stunden Millionen

Hinter diesen kleinen Fonds stecken häufig ehemalige Banker, die sich von den großen Investmentbanken getrennt haben und nun selbständig auf dem weniger streng regulierten Markt aktiv werden. Ihre Geschäftsmodelle sind sehr unterschiedlich, eines ist ihnen jedoch gemeinsam: Sie wollen an den Finanzmärkten Geld verdienen - egal mit welcher Strategie. Sie heißen Odey oder Gothamfunds, sitzen in New York oder London. Manche Adressen haben sich auf Banken spezialisiert, wie etwa der Londoner Hedgefonds Algebris. Sie setzen mal auf fallende, mal auf steigende Kurse.

Derzeit jedoch überwiegt die Strategie, auf fallende zu setzen. Zahlen des Finanzdatenanbieters Bloomberg zeigen, dass in den vergangenen Tagen vier Mal mehr Aktien der Deutschen Bank leer verkauft worden sind als zu Zeiten ohne Kursturbulenzen. Mit einem so genannten Leerverkauf oder auch "Short", wie die Fachleute sagen, profitieren Investoren von fallenden Kursen. Dabei leihen sie sich die Aktien zum aktuellen Marktpreis und verkaufen diese geliehenen Aktien zum aktuellen Kurs. Dann wetten sie auf einen Kurssturz, um die Aktien günstig nachzukaufen und an den ursprünglichen Besitzer zurückzugeben. Doch warum setzen die kleinen Fonds überhaupt auf fallende Kurse? Dazu gibt es zwei Lesarten - eine opportunistische und eine rationale.

Glaubt man Kritikern, so wollen die Fonds einfach nur schnell Geld verdienen. Sie testen bestimmte Branchen aus, indem sie mit kleinen Positionen auf den Kursverfall einzelner Unternehmen setzen. Springen andere Spieler darauf an, verstärkt sich der Abwärtstrend und die Hedgefonds bauen ihre Positionen weiter aus. Der Effekt: Der Kurs bricht immer weiter ein. Und die Leerverkäufer verdienen in wenigen Stunden Millionen. Für die These spricht, dass in den vergangenen Wochen alle Bankaktien unter Druck geraten sind, nicht nur jene der Deutschen Bank.

Verteidiger der Hedgefonds argumentieren, dass es kaum Spieler am Markt gibt, die einfach nur so auf fallende Kurse wetten. Dahinter stecke fast immer eine Absicherungsstrategie. Im Fall der Deutschen Bank trifft das auf Gläubiger zu, die dem Institut Wandelanleihen, sogenannte Cocos (Contingent Convertible Bonds) abgekauft hatten. Diese Anleihen sind riskant, weil sie als erste herangezogen werden, wenn der Kapitalpuffer des Instituts durch Verluste aufgezehrt wird.

Nach dem schlechten Jahresergebnis haben die Investoren Angst, dass die Wandelanleihen Verluste tragen müssen. Sie sichern sich ab, indem sie auf fallende Kurse wetten oder eine Kreditversicherung (in der Fachsprache Credit Default Swap, CDS) kaufen. Das wiederum löst bei anderen Marktteilnehmern Panik aus: Steigen die Prämien für Kreditausfallversicherungen, wertet das der Markt als Alarmsignal.

Zu Ende ist das Spiel noch nicht

Doch egal wie die Motivation der Leerverkäufer ist, im Ergebnis wird der Aktienkurs nach unten getrieben. Auf diese Weise ist eine negative Dynamik entstanden, auf die die Deutsche Bank keine passende Antwort hatte. Zuerst versuchte es Deutsche-Bank-Chef John Cryan mit Worten: Die Bank sei "grundsolide", schrieb er. Doch die Wirkung verpuffte nicht nur, sie ging gar nach hinten los. Wenn er das schon beteuert, muss es ja schlimm um die Bank stehen, interpretierten die Finanzmärkte. Wirkungsvoller waren Berichte, wonach die Deutsche Bank eigene Anleihen zurückkaufen wolle. Das war das Signal an den Markt: Wir sind kapitalstark; gegen uns zu spekulieren, hat keinen Sinn. Tatsächlich war das Anlass genug für Anleger, die Aktie wieder zu kaufen.

Das brachte dann aber die Leerverkäufer in die Bredouille. Denn steigt der Kurs überraschend, müssen sie rasch nachkaufen oder sich "eindecken", wie die Börsianer sagen, um die Verluste zu begrenzen. Genau das war am Mittwoch zu sehen: Der Kurs stieg auf einmal um 17 Prozent - ein klares Zeichen, dass die Leerverkäufer zuschlugen, um ihre Verluste zu minimieren.

Zu Ende ist das Spiel noch nicht. Offensichtlich haben sich die Anleger nur kurz vom Signal der Deutschen Bank beeindrucken lassen. Denn auch am Donnerstag nahm die Furcht vor Zahlungsausfällen weiter zu. Die Aktien der Deutschen Bank fielen zeitweise um knapp zehn Prozent und schlossen bei 13,69 Euro. In der Politik schütteln viele darüber den Kopf. Finanzminister Wolfgang Schäuble meldete sich zu Wort: "Ich glaube, dass das ein Stück weit auch Marktübertreibungen sind", antwortete er am Donnerstag in Brüssel auf die Frage, ob er sich um die Stabilität des Bankensektors in der Eurozone sorge.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2859201
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.