Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Die Geduld der Aktionäre ist am Ende

  • Auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank wird deutlich: Die Investoren scheinen nicht mehr an eine Wende zum Besseren zu glauben.
  • Vor allem ihre Geduld mit Aufsichtsratschef Paul Achleitner ist aufgebraucht - der Tag dürfte für ihn mit einem Denkzettel enden.
  • Deutsche-Bank-Chef Sewing hingegen genießt - noch - hohes Vertrauen. Seinen Optimismus kauft man ihm allerdings nicht ab.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Wenn man weiß, wie häufig Christian Sewing jeden Tag auf den Aktienkurs der Deutschen Bank schaut, wie nervös ihn die Kursentwicklung mitunter macht, wirkt dieser Satz absolut glaubwürdig. "Ich glaube", sagt Sewing gleich zu Beginn seiner Rede, "niemand ist enttäuschter als ich darüber, wie wir an der Börse abschneiden." Während seiner Ansprache zu Anfang der Hauptversammlung der Bank am Donnerstagmorgen fällt die Aktie auf ein neues Rekordtief: unter 6,40 Euro, die Bank ist an der Börse nur noch 13,7 Milliarden Euro wert. Zu Hochzeiten kurz vor der Finanzkrise hatten die Papiere noch gut 100 Euro gekostet.

Vom Erfolg früherer Tage hat sich das Institut dermaßen weit entfernt, dass die Investoren nicht mehr an die Wende zu glauben scheinen. Ihre Geduld ist am Ende, und nicht zuletzt ist auch ihre Nachsicht mit Aufsichtsratschef Paul Achleitner aufgebraucht, in dessen Amtszeit seit 2012 der Aktienkurs um etwa 70 Prozent gesunken ist.

Achleitner steht ein Scherbengericht bevor, Konzernchef Christian Sewing aber erhält mehrfach heftigen Applaus. Was hat er anzubieten?

Vor allem noch härtere Kostensenkungen. Wochenlang hatten Großaktionäre mehr Informationen darüber verlangt, was der Plan B sei nach den abgebrochenen Fusionsverhandlungen mit der Commerzbank. Sewing hat die Signale gehört, und er reagiert auf die Forderungen der Investoren: Das Investmentbanking steht vor einem noch konsequenteren Umbau. In dem Bereich hat das Geldhaus die größten Ertragsprobleme, dort entscheidet sich, ob die Deutsche Bank als universale Großbank bestehen bleiben kann. "Wir sind zu harten Einschnitten bereit", sagt Sewing.

Man werde die Bank konsequent auf die "profitablen und wachsenden Bereiche" ausrichten, die für die Kunden besonders relevant seien. Welche genau das sind, sagte er nicht. Auch nicht, wie viel diese harten Einschnitte noch kosten könnten. So sinnvoll dieser Plan wohl aus Sicht vieler Großaktionäre wäre: Es ist teuer, das Investmentbanking zu schrumpfen. Die Bank muss womöglich Milliarden für Abfindungen zahlen und Systeme abschreiben. Das alles verschlingt Kapital, welches die Bank nicht gerade im Überfluss hat - eine Zwickmühle. Dem Vernehmen nach ist aber keine Kapitalerhöhung geplant.

Die Aktionäre dürften ein Déjà-Vue gehabt haben

Viel Zeit verwendet Sewing in seiner Rede dann auf die Bereiche, die stärker werden und mehr Erträge als früher abwerfen sollen. Vor allem die Transaktionsbank, wo große Firmenkunden betreut werden, und die Vermögensverwaltung DWS stehen im Fokus. Erstere will Sewing stärken, um mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs und der Finanzierung des Außenhandels für Unternehmen mehr Geld zu verdienen. Dasselbe hatte jedoch auch schon sein Vorgänger John Cryan angekündigt. Für die DWS, inzwischen eigenständig börsennotiert, wünscht sich Sewing die Übernahme eines Konkurrenten. "Es muss unser Ziel sein, hier einen der zehn größten Vermögensverwalter der Welt zu formen", sagt Sewing. Die nötige "Akquisitionswährung" dafür habe man mit dem Börsengang des größten deutschen Vermögensverwalters eingenommen. Derzeit stocken die seit Monaten laufenden Gespräche mit der Schweizer Bank UBS über eine Übernahme von deren Vermögensverwaltungssparte.

Die Führungsriege der Bank will offenbar den Anschein erwecken, es stünde ein wirklich radikaler Umbau bevor. Und doch dürften die meisten langjährigen Aktionäre ein Déjà-Vue gehabt haben beim Lauschen der Reden. Auch Sewings Vorgänger Anshu Jain, Jürgen Fitschen und auch John Cryan hatten die aktuelle Lage stets als Übergang bezeichnet und um Geduld gebeten für den mühevollen Weg zu einer renditestarken Bank. Auch Sewing spricht nun wieder davon, dass alles, was bisher gemacht worden sei, "nur ein Anfang war". Man habe im vergangenen Jahr erst einmal "eine Grundlage geschafft", nun folge die Transformation, deren "Konturen" bereits erkennbar seien.

Die Probleme sind längst nicht aus dem Weg geräumt

Aber die Probleme sind nicht zu übersehen und auch - anders als Sewing suggeriert - nicht aus dem Weg geräumt. Vergangenes Jahr sah sich die Finanzaufsicht Bafin sogar dazu veranlasst, einen Sonderbeauftragten in die Bank zu schicken, um die Anti-Geldwäsche-Systeme zu verbessern. "Die Kosten müssen runter und die Deutsche Bank muss zusätzlich ihre Compliance- und Kontrollsysteme verbessern, um hier nicht weiter verwundbar zu sein", sagt Fondsmanagerin Alexandra Annecke von Union Investment in ihrer Rede auf der Hauptversammlung. "Die dauernde Geldwäschediskussion ist ein Armutszeugnis. Sie schadet nicht nur der Reputation, sondern auch dem Geschäft."

Und sie schadet dem Aufsichtsratschef, der für seine Erfolglosigkeit in den vergangenen Jahren an diesem Donnerstag vermutlich bestraft werden wird. Dass die Aktionäre Achleitner noch auf dieser Hauptversammlung vom Hof jagen oder ihm zumindest die Entlastung verweigern, ist indes unwahrscheinlich. Vor Ort waren am Morgen nur knapp 35 Prozent des Grundkapitals, mit Abstand die geringste Präsenzquote aller Dax-Konzerne bislang. Also machen schon die Stimmen von drei Großaktionären der Bank den Unterschied: Das Emirat Katar, der Vermögensverwalter Blackrock und der Finanzinvestor Doug Braunstein haben es in der Hand, ob Vorstand und Aufsichtsrat entlastet werden. Für Achleitner dürfte der Tag am späteren Abend mit einem Denkzettel enden, wenn die Abstimmung durch ist.

Im Kontrast dazu genießt der von den Skandalen des Konzerns weitgehend unberührte Sewing - noch - hohes Vertrauen, empörte Redner geben ihm sogar gute Wünsche mit auf den Weg. "Die Bank", hatte Sewing am Vormittag verkündet, "ist wieder aufgeräumt." Das jedoch kauft man ihm dann doch nicht ab.

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