Deutsche Bank:Gift für Anshu Jain

Ausgerechnet Anshu Jain. Ausgerechnet der Mann also, der mit Boni für riskante Finanzgeschäfte mehr verdient hat als Josef Ackermann, soll in seiner kommenden Rolle als Chef der Deutschen Bank den großen Deutschland-Kümmerer geben. Er soll das "Deutsche" in der Bank erhalten. Doch Jain holen alte Affären ein.

Caspar Busse, Harald Freiberger und Hans-Jürgen Jakobs

Es wirkte wie das Vermächtnis des scheidenden Vorsitzenden. "Wir stehen zu Deutschland", deklarierte Josef Ackermann, "und wir stehen zum Finanzplatz Frankfurt." Der Schweizer wollte hier, im Davoser Hotel Belvedere, bei seinem letzten Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum als Chef der Deutschen Bank noch etwas loswerden. Zum Beweis bat er Petra Roth zu sich ans Mikrofon, die Noch-Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt.

Day Two Of The World Economic Forum 2012

Wie stark wird Jain mit hässlichen Prozessen und Anklagen beschäftigt sein?

(Foto: Bloomberg)

Im Publikum lauschte ein 48-jähriger Inder mit grauen Schläfen den Standort-Bekenntnissen: Anshu Jain. Der Chef des Investmentbankings der Frankfurter übernimmt im Juni den Top-Job von Ackermann, 63 - zunächst flankiert von Ko-Chef Jürgen Fitschen, 63. Ausgerechnet Jain, der mit Boni für riskante Finanzgeschäfte mehr verdient hat als Ackermann, soll das "Deutsche" der Bank erhalten - und das vor dem Hintergrund seiner eigenen, schwierigen Vergangenheit. Als "Zocker AG" brandmarkt der Spiegel auf dem aktuellen Titel das mächtigste Geldinstitut des Landes und nennt Jain als treibende Kraft.

Neuer Mann, alte Strategie

Der Vorstandsvorsitzende in spe weiß um die Vorbehalte. Er weiß um die Kraft der Vorwürfe, die ihn als Groß-Profiteur der Finanzkrise erscheinen lassen. In Davos zeigte er sich in den vergangenen Tagen demonstrativ mit seinem Sozius Fitschen und dem designierten Aufsichtsratschef Paul Achleitner, derzeit noch Finanzchef der Allianz. Jain will dabei, wie Ackermann in seinen letzten Jahren, als großer Deutschland-Kümmerer erscheinen. Seine Deutsch-Sprachkurse hat er intensiviert. Seine Antrittsbesuche in Berlin, bei Kanzlerin und Ministern, hat er jedenfalls unfallfrei bestanden. Beim Empfang der Bank am Freitagabend in Davos sucht er den Kontakt zu Wirtschaftspatriarchen wie Ferdinand Piëch von VW. In den Wochen zuvor schon hat er sich mit wichtigen Dax-Chefs zu Gesprächen getroffen. Und bald will Jain auch in Frankfurt einen Wohnsitz nehmen, in dem er empfangen kann.

Nein, er wolle an Ackermanns Strategie nichts ändern, heißt es im Umfeld der Bank. Jain strebe wie gehabt eine Balance aus dem renditeträchtigen, aber riskanten Investmentbanking und dem Kundengeschäft an, das durch die Übernahme der Postbank gestärkt wurde. Mit dem künftigen Ko-Vorsitzenden Fitschen koordiniere er sich vorbildlich, mehrmals am Tage werde telefoniert oder es würden E-Mails ausgetauscht.

Doch nichts deutet darauf hin, dass das Management der Deutschen Bank zum großen Kuschelkreis wird, ganz im Gegenteil. Kevin Parker, Chef der US-Vermögensverwaltung, steht vor der Verabschiedung, sein Business wird zum großen Teil verkauft. Womöglich muss auch Pierre de Weck woanders sein Geld verdienen, er steht dem Geschäft mit vermögenden Privatkunden vor. Dafür soll nach Informationen aus Finanzkreisen Werner Steinmüller, zuständig für den Zahlungsverkehr der Firmenkunden, in den Vorstand aufrücken. In London soll sich Jain-Jünger Stephan Leithner ums Investmentgeschäft kümmern.

Reichlich Sprengstoff

Alles schön und gut - aber wie stark wird Jain mit hässlichen Prozessen und Anklagen beschäftigt sein? Ackermann, sein langjähriger Gefährte, hatte am Schluss seine eigene Antwort darauf gefunden - und wollte lieber Axel Weber, den Ex-Präsidenten der Bundesbank, zum Nachfolger promovieren. Jain stehe zu sehr für die fatale Gier in den Nuller-Jahren, für die Exzesse der Finanzindustrie, befanden Ackermanns Getreue.

Tatsächlich gibt es reichlich Sprengstoff. Bereits im November hat sich die Deutsche Bank außergerichtlich mit fünf US-Genossenschaftsbanken geeinigt - auf 145 Millionen Dollar Schadenersatz. Derzeit klagen elf Fondsfirmen, die mit der deutschen Industrie-Kreditbank (IKB) verbunden sind, in New York gegen die Deutsche Bank wegen angeblichen Betrugs. Hinter der IKB steht die KfW-Bankengruppe und damit der deutsche Staat. Es geht um mindestens 439 Millionen Dollar Schadenersatz - und um fehlerhafte Zusicherungen und Interessenkonflikte.

Damit nicht genug: Im vorigen Mai hat die US-Regierung die Deutsche Bank verklagt - weil sie sich staatliche Millionen-Zuschüsse im Geschäft mit US-Immobilien erschlichen habe. Die Hausbesitzer seien auf der Straße gelandet, die Regierung habe viele hundert Millionen Dollar Kosten gehabt. Washington will daher eine Milliarde Dollar.

In den USA gibt es noch viele andere Institutionen, die gegen die Bank vorgehen: die Nichtregierungsorganisation Neighborhood Progress, die Stadt Cleveland, die Genossenschaftsbank von San Francisco, die Pensionskasse der Lehrer. Immer soll das Geldhaus Anleger übel geprellt haben. Immer hatte der zuständige Manager Jain die Verantwortung. Außerdem ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften gegen die Bank, und die Börsenaufsicht SEC untersucht Wertpapiergeschäfte, bei denen zugunsten des berüchtigten Hedgefonds-Milliardärs John Paulson manipuliert worden sein soll.

Ackermanns größter Fehler

Alles harter Stoff für Jain, der das Geschäft mit windigen Finanzprodukten vorangetrieben hat, die später als "toxisch", als giftig galten und 2007/2008 die Finanzkrise ausbrechen ließen. Dass der Markt faul war, zeigte sich am Beispiel des Hypothekenfinanzierers Mortgage IT, den die Deutsche Bank 2006 unter der Regie von Jain ("signifikantes Geschäftspotential") kaufte: Er musste Ende 2008 nach massiven Verlusten dicht machen. Mortgage IT ist jene Firma, die vom US-Staat Millionen erschwindelt haben soll. Ackermann nannte den Kauf einmal einen der größten Fehler seiner zehnjährigen Amtszeit. Er sei von vorneherein skeptisch gewesen, habe sich aber überreden lassen. Von wem, wollte er nicht sagen, aber es liegt auf der Hand.

Die Bank erklärt als Reaktion auf die Vorwürfe lediglich, man habe wie viele andere Banken auch Anfragen von verschiedenen Behörden zum Geschäft mit Wohnungsbaukrediten erhalten. Gegen Vorwürfe, die man für falsch halte, werde man sich wehren. Und Mitarbeiter streuen, Jain habe nicht gewusst, was da an der Basis in den USA geschah.

Am Donnerstag wird der Inder neben Ackermann und den anderen Vorständen auf einer Pressekonferenz über die Bilanz Auskunft geben und über mehr als sechs Milliarden Euro Vorsteuergewinn. Im April dann werden die Top-Führungskräfte auf einer Strategietagung in Montreux eingeschworen. "Die Deutsche Bank", findet Jain, "muss als globaler Gewinner aus der Krise hervorgehen." Die Konjunktur habe sich leicht aufgehellt, gibt er zu Protokoll. Sein Mit-Vorsitzender Fitschen dagegen meint, der "Angst-Indikator" sei in der Wirtschaft heute höher als 2008: "Irgendetwas stimmt nicht. Das Vertrauen ist verschwunden."

Da kommt er der Wahrheit sehr nahe.

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