Süddeutsche Zeitung

Hoher Gewinn:Warum die Deutsche Bank so selbstbewusst ist

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Das größte deutsche Geldhaus überrascht mit einem deutlichen Gewinnsprung und zeigt sich angesichts der Energiekrise erstaunlich gelassen. Mit Prognosen aber hält sich die Bank zurück.

Von Jan Diesteldorf

Energiekrise in Europa, eine drohende Rezession und anhaltende Corona-Verwerfungen in globalen Lieferketten: Die deutsche Wirtschaft steckt in der Klemme, es grassiert die Furcht vor einer De-Industrialisierung in der größten europäischen Volkswirtschaft. Als ein Gradmesser für die wirtschaftliche Lage zeigt sich die Deutsche Bank bislang unbeeindruckt. Das Institut hat dank steigender Zinsen und einer stabilen Kreditvergabe den höchsten Quartalsgewinn seit 15 Jahren erzielt. In den drei Monaten bis Ende September verdiente das größte deutsche Geldhaus 1,2 Milliarden Euro nach Steuern und damit um Längen mehr als von Beobachtern erwartet. Man liege "voll auf Kurs, die Ziele für das Jahr 2022 zu erreichen", sagte Konzernchef Christian Sewing zur Veröffentlichung der Quartalszahlen am Mittwochmorgen.

Sewing hatte der Bank vor gut drei Jahren einen Strategieschwenk verordnet und neue, mehrmals angepasste Ziele, die er bis Ende dieses Jahres erreicht haben will. Nach Jahren, in denen er vor allem mit schwachen Erträgen, teuren Skandalen und hohen Verlusten zu kämpfen hatte, scheint die Bank dabei mit dem neunten Quartalsgewinn in Folge auf einem gutem Weg zu sein.

Getragen wurde das überraschend starke Ergebnis vor allem von einem Faktor, auf den das Institut keinen Einfluss hat: Die steigenden Leitzinsen dies- und jenseits des Atlantiks helfen, im klassischen Kreditgeschäft wieder mehr zu verdienen. Im Vergleich zum Vorquartal stieg der Zinsüberschuss um neun Prozent an, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum sogar um fast ein Drittel. Dazu trugen das Geschäft mit Privat- und vor allem jenes mit Unternehmenskunden bei. Tatsächlich vergab die Bank trotz der trüben Konjunktur sogar mehr Kredite.

Das Ziel für die Einnahmen im laufenden Jahr könnte die Bank sogar übertreffen

Die Ergebnisse im Investmentbanking fielen dagegen gemischt aus. Im boomenden Handel mit festverzinslichen Wertpapieren und Währungen steigerte die Bank ihre Erträge deutlich und signifikant mehr als ihre US-Konkurrenten von der Wall Street. Im Geschäft mit Übernahmen und Fusionen, Börsengängen und Anleiheemissionen war angesichts der Verwerfungen an den Weltbörsen kaum noch etwas zu holen: Die Erträge in diesem Segment brachen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 85 Prozent ein. Bereits am Dienstag hatten US-Medien unter Berufung auf Insider berichtet, das Institut werde mehrere Dutzend Investmentbanker in London und New York entlassen.

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Vorstand angesichts so starker Konzernergebnisse trotzdem nicht. Sewing deutete sogar an, das Ertragsziel von 26 bis 27 Milliarden Euro für dieses Jahr möglicherweise noch übertreffen zu können - zugleich steht die Bank aber auch vor einem stärkeren "Kostendruck".

Finanzchef James von Moltke bezeichnete das Jahr 2022 als einen "Meilenstein für die Deutsche Bank", hielt sich mit Vorhersagen über die künftige Geschäftsentwicklung allerdings zurück. Es sei noch zu früh, einen konkreten Ausblick für 2023 zu geben, sagte er. Die Bank wolle zwar auf den Ergebnissen des laufenden Jahres aufzubauen, die Aussichten seien aber "sehr unsicher". "Wir müssen realistisch sein", sagte von Moltke. Das kommende Jahr werde so manche Risiken bereithalten. Dazu gehören eben auch solche, die sich kaum berechnen lassen.

Höhere Risikovorsorge, aber weithin Gelassenheit

Bei allen Warnungen vor der unsicheren Lage fällt aber vor allem die Gelassenheit auf, mit der Konzernverantwortliche über die konjunkturellen Aussichten sprechen. Betrachtet man Deutschlands größtes Geldhaus als volkswirtschaftlichen Seismograph, scheint die Lage derzeit weniger schlimm zu sein als erwartet. Abzulesen ist das an der Vorsorge für Kreditausfälle, die in der Bilanz der Deutschen Bank auf 350 Millionen Euro stieg. Das ist zwar dreimal so viel wie bislang, liegt aber im Rahmen dessen, was Analysten erwartet hatten. Für 2023 erwartet von Moltke eine erneut höhere Risikovorsorge, allerdings in überschaubarem Rahmen. Die Zahl werde relativ zu den ausstehenden Darlehen "relativ stabil" bleiben, sagte er.

Verärgert zeigte sich von Moltke über die Diskussionen um ein spezielles Kreditprogramm der Europäischen Zentralbank, mit dem die Währungshüter in der Corona-Krise die Kreditvergabe ankurbeln wollten. Schätzungen zufolge könnten die Banken der Euro-Zone mit etwa 40 Milliarden Euro an risikolosen Zusatzerträgen rechnen, indem sie überschüssige Liquidität aus dem Kreditprogramm wieder bei der Zentralbank parken. Die Notenbanker diskutieren derzeit, diese Zusatzerträge zu deckeln. Es sei laut von Moltke "eine Enttäuschung, die Bedingungen dieses geldpolitischen Instruments nachträglich zu ändern". Schließlich hätten die Banken mit einer Ausweitung der Kreditvergabe umgesetzt, was die EZB von ihnen erwartet habe - und in der Ära negativer Zinsen zuvor draufgezahlt.

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