Süddeutsche Zeitung

Geschäftsbericht:Warum die Deutsche Bank sich anstrengen muss

  • Die Deutsche Bank schreibt zum ersten Mal nach drei Jahren wieder Gewinne, ist aber noch weit entfernt von einer Trendwende.
  • Investoren zeigen sich enttäuscht, der Aktienkurs fällt um mehr als drei Prozent.
  • Zu einer möglichen Notfusion mit der Commerzbank, über die seit längerem spekuliert wird, will sich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing nicht äußern.

Von Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Als drei Viertel seines Auftritts an diesem Freitag vorüber sind, wirft sich Christian Sewing zwei Stück Traubenzucker in den Mund und zerkaut sie entschlossen. Gerade hat er die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr vorgestellt, der erste Gewinn seit 2014, ein Erfolg, auch sein Erfolg, es ist sein erstes Jahresergebnis als Chef der Deutschen Bank. Aber es ist auch ein Tag, an dem er wieder einmal Zuversicht verbreiten muss angesichts der verschiedenen Debakel im Jahr 2018. Die Großrazzia im November und die Verwicklung in den Skandal um die Danske Bank sind davon nur zwei Beispiele.

Das Geldhaus kommt zwar gut voran damit, die Kosten zu senken, in wichtigen Geschäften aber sanken die Erträge weiter, im Investmentbanking hat die Deutsche Bank zusätzlich Marktanteile verloren, und wegen herber Verluste in den letzten drei Monaten des Jahres bleibt nun ein Jahresgewinn von 341 Millionen Euro. Die Zahlen sind zwar bloß schlecht und nicht mehr desaströs, aber von einer Trendwende ist die Bank noch weit entfernt. Der Aktienkurs fällt um mehr als drei Prozent; Investoren äußern sich erneut enttäuscht. "Die Rückkehr in die Gewinnzone zeigt, dass die Deutsche Bank auf dem richtigen Weg ist", sagte Sewing, "nun geht es darum, den nächsten Schritt zu tun." Die Kosten weiter senken, noch mehr Personal abbauen, investieren, wieder profitabler werden. Sewing verspricht Wachstum, aber er nennt keine Ziele, gibt auch keinen Ausblick auf das erste Quartal, zu unsicher wird das laufende Jahr, zu abhängig ist die Bank von Faktoren, die sie kaum beeinflussen kann. Augen zu und durch?

Hilft bald nur noch eine Notfusion mit der Commerzbank?

Die Erosion der Erträge setzte sich 2018 fort: Die gesamten Einnahmen der Bank fielen um vier Prozent auf nur noch etwas mehr als 25 Milliarden Euro. Die US-Bank JP Morgan, mit der die Deutsche Bank einst in einer Liga spielte, machte im vergangenen Jahr umgerechnet zwei Milliarden Euro mehr Nettogewinn als Deutschlands größte Bank überhaupt insgesamt einnahm. Für das Minus war allein die Unternehmens- und Investmentbank verantwortlich, mit zweistelligen Ertragsrückgängen in zentralen Bereichen wie dem Handel mit Anleihen, wo die Deutsche Bank früher stets zur Weltspitze gehörte. Ein schwieriges Marktumfeld und "negative Nachrichten" seien die Gründe dafür, trug am Freitag Finanzchef James von Moltke als Gründe vor.

Wenigstens mit Blick auf die Rechtsstreitigkeiten wollte das Geldhaus 2018 endlich die Vergangenheit hinter sich gelassen haben. Inzwischen seien 19 der 20 größten Fälle abgeschlossen, sagte Rechtsvorstand Karl von Rohr. Es seien keine neuen Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten dazugekommen, sagte er und sprach über die juristischen Probleme so, als wären sie Phänomene einer längst vergangenen Ära. Dabei sind sie sehr gegenwärtig: Ende November hatten Beamte der Frankfurter Staatsanwaltschaft und des BKA wegen Hinweisen in den Panama Papers Geschäftsräume der Deutschen Bank durchsucht, sie verdächtigt Mitarbeiter des Instituts, Hinweise auf Geldwäsche nicht oder zu spät gemeldet zu haben. Bis Ende 2015, so weiß man seit einigen Monaten, war die Deutsche Bank als Korrespondenzbank für die estnische Abteilung der dänischen Danske Bank tätig und wickelte einen Großteil von mehr als 200 Milliarden Euro an Geldern aus dubiosen Quellen ab.

In beiden Fällen habe man bislang keine Hinweise auf Fehlverhalten gefunden, sagte von Rohr: "Wir sind fest entschlossen, sämtliche Alt-Fälle vollständig aufzuklären". Noch hält die Bank das Risiko für gering, dass mögliche Vergehen erneut teure Strafen zur Folge haben - was sich aber jederzeit ändern kann. Vor allem der Danske-Fall gilt als bedrohlich. Bislang haben die US-Behörden nur Informationen angefragt und kein Ermittlungsverfahren eröffnet. Tun sie dies, kann die Strafe hoch ausfallen. Sobald es um Geldwäsche in Dollar geht, sind die Amerikaner unnachgiebig.

Die Bundesregierung stellt die Deutsche Bank schon unter Artenschutz

Der "Elefant im Raum" aber ist an diesem Freitag eine mögliche Fusion mit der Commerzbank, deren Börsenwert sich wie jener der Deutschen Bank im vergangenen Jahr in etwa halbiert hat. Seit Monaten wird über eine Notfusion spekuliert, für den Fall, dass die Deutsche Bank in eine gefährliche Abwärtsspirale aus weiter fallendem Aktienkurs, einer schlechteren Bonitätsnote und höheren Refinanzierungskosten gerät. Die Bundesregierung findet zunehmend Gefallen daran. Auch Deutsche-Bank-Insider gehen davon aus, dass Gespräch wahrscheinlicher werden, sollte sich die Lage der Bank nicht bis Ende März bessern.

Sewing äußerte sich am Freitag ausweichend zu einer Fusion. "Wir haben unseren Plan und den arbeiten wir ab", sagte er, "über alles andere mache ich mir keine Gedanken." Zuletzt hatte er einen Zusammenschluss offensiver zurückgewiesen. Die Ratingagenturen, denen nun ein besonderes Gewicht zukommt, achten weniger darauf, ob die Bank ausreichend Liquidität oder Eigenkapital hat - in beiden Punkten ist das Institut gut ausgestattet. Für die Bonitätswächter zählt, ob die Bank es schafft, wieder Geld zu verdienen, um aus eigener Kraft die Rücklagen zu stärken. Gelingt das nicht, könnte sich die Ratingnote weiter verschlechtern, was wichtige Geschäfte im Investmentbanking fast unmöglich macht. Von Moltke beteuerte daher, man sei sich dessen bewusst und werde mit aller Kraft dagegen ankämpfen.

Rückendeckung gab es am Donnerstag zumindest aus Berlin: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Deutsche Bank auf eine Liste mit Unternehmen gesetzt, deren dauerhafter Erfolg im "nationalen wirtschaftlichen Interesse" sei. Mit Altmaier habe Sewing allerdings nicht gesprochen, gab der Bankchef zu Protokoll. Er freue sich aber darüber. Es sei "insgesamt positiv", dass sich die Bundesregierung aktiv Gedanken um den Finanzstandort mache. Ob das noch hilft?

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SZ vom 02.02.2019/vwu
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