Deutsche Bank gegen Goldman Sachs:Verschwörungstheorie unter Lieblingsfeinden

Reden Analysten von Goldman Sachs gezielt die Deutsche Bank klein, um einen lästigen Kontrahenten zu schwächen? Oder äußern sie berechtigte Kritik? Der Fall wirft ein Schlaglicht auf einen Interessenkonflikt: Sollten sich Banken gegenseitig durch Analystenberichte beurteilen?

Von Andrea Rexer, Frankfurt

Manche würden es als Verrat werten, wenn einer zum Top-Rivalen wechselt. Beim Aufsichtsratsvorsitzenden könne man mal eine Ausnahme machen, frotzelt ein Banker. Aber nur, weil Paul Achleitner über zehn Jahre Pause zwischen Goldman Sachs und Deutscher Bank vorweisen kann. So lange war der neue Aufsichtsratschef des größten deutschen Geldhauses bei der Allianz. Zuvor, in den 90er-Jahren, war der quirlige Banker Deutschland-Chef der illustren US-Investmentbank.

Damals war Goldman hierzulande noch eine kleine Nummer, und die Deutsche Bank wurde in den USA kaum wahrgenommen. Doch heute sind die beiden Häuser die größten Rivalen in der Finanzbranche. Ihre Geschäftsmodelle haben sich über die Jahre angeglichen, in vielen Märkten kämpfen sie um dieselben Kunden. Und beide Häuser haben eine ausgeprägte Unternehmenskultur: Man ist stolz darauf, ein Goldman zu sein. Man ist stolz darauf, ein Deutschbanker zu sein. Und man hat sich gegenseitig als Lieblingsfeind.

Immer wieder sorgte das Konkurrenzverhältnis der beiden Häuser für Gesprächsstoff in den Gängen der Branche. Spätestens seit vergangener Woche haben jene Auftrieb, die der Meinung sind, dass Goldman Sachs versuche, die Deutsche Bank gezielt herunterreden zu wollen. Der Hintergrund: Die Research-Abteilung der US-Bank hat am vergangenen Freitag eine Analyse veröffentlicht, in der sie vorrechnet, dass die Deutsche Bank aufgrund einer möglichen Regeländerung in den USA satte 13 Milliarden Dollar Kapital nachschießen muss. Kurzerhand purzelte der Kurs des deutschen Branchenprimus um über sechs Prozentpunkte nach unten.

Verschwörungstheorie mit einem Körnchen Wahrheit?

Dirk Becker schüttelt über diesen Report nur den Kopf: "Dahinter steckt mehr Geschäftsstrategie als faire Analyse. Goldman Sachs versucht doch seit Monaten, die Deutsche kleinzureden. Die wären froh, wenn sie den lästigen Konkurrenten los wären", sagt der erfahrene Beobachter, der beim Analysehaus Kepler für Banken zuständig ist. Mit der Meinung steht er keineswegs allein da. "Es klingt zwar nach Verschwörungstheorie, aber dass da ein Körnchen Wahrheit dran ist, kann man nicht ganz ausschließen", sagt der Analyst eines großen Hauses, der in der Zeitung nicht auftauchen will. Er weist auf zwei Dinge hin: Erstens hätte der fragliche Report keine neuen Zahlen enthalten. Und zweitens fokussiere der Bericht ausschließlich auf die Deutsche Bank, obwohl das Thema alle europäischen Banken betreffe. Einer ganzen Reihe von Analysten ist aufgefallen, dass der Tonfall der Goldman-Analysten gegenüber der Deutschen Bank in den vergangenen Monaten besonders scharf geworden ist. Handelt es sich um berechtigte Kritik oder steckt mehr dahinter?

"Die Analyseabteilung von Goldman Sachs ist viel zu professionell, um Interessen zu vermengen. Das gilt in gleichem Maße auch für die Analyseabteilung der Deutschen Bank", sagt Ralf Frank von der Analystenvereinigung DFVA. In der Tat sind die Zahlen, die Goldman vorlegt, nicht falsch. Dass das Geldhaus im Vergleich zur Konkurrenz eine dünne Kapitaldecke hat, bestreitet nicht einmal der Vorstand. Mehrfach haben beide Chefs betont, dass die Stärkung der Kapitaldecke Priorität habe.

"Rückschritt in den Protektionismus"

Becker sieht hinter dem Konflikt um den Research-Bericht zwischen Goldman und der Deutschen Bank nicht nur ein Rivalisieren, sondern auch ein strukturelles Problem: "Es ist doch verrückt, dass sich Banken gegenseitig bewerten. Das ist doch so, als würde BMW einen Bericht herausgeben, der besagt, dass die Autos von Mercedes schlecht sind." Er selbst kennt diesen Interessenskonflikt nicht, weil er für ein Unternehmen arbeitet, das kein Bankgeschäft betreibt.

Regeln, um den Interessenkonflikt einzudämmen, gibt es nicht. "Das ist eigentlich nicht notwendig, denn wenn eine Bank unseriöse Berichte veröffentlichen würde, wäre das leicht nachprüfbar. Die Bank wäre erledigt", sagt Ralf Frank. Das Problem würde sich so von allein lösen. Ganz so optimistisch ist Dirk Schiereck da nicht: "Der Bericht von Goldman Sachs ist durchaus pikant", so der Bankenprofessor von der TU Darmstadt. "Wenn Banken über Konkurrenten schreiben, ist ein Interessenskonflikt manifest. Vor allem dann, wenn die Häuser in direkter Konkurrenz stehen."

Unbestritten ist, dass der Konkurrenzkampf der beiden Häuser auf einer geschäftlichen Ebene hart ist - ganz unabhängig von den Analyseabteilungen. Die Chefs der beiden Institute wissen, dass Zeiten, in denen die regulatorischen Weichen neu gestellt werden, entscheidend sind. Nur wer sich jetzt gut positioniere, werde in ein paar Jahren überhaupt noch am Markt sein, glaubt Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain. In einigen Jahren werde es nur noch eine Handvoll Top-Banken weltweit geben, das sagte er mehrfach öffentlich. Er will dazu gehören. Goldman auch. Und so versucht die Deutsche Bank, sich im Handel mit Aktien in den USA zu verbessern - ein Stammterritorium von Goldman Sachs. Und Goldman versucht, der Deutschen Bank ihr gutes Geschäft mit festverzinslichen Papieren streitig zu machen. Dass die Auslese bereits begonnen hat, zeigt das Beispiel der Schweizer Großbank UBS, die sich aus weiten Teilen des Investmentbankings bereits zurückgezogen hat.

Was Goldman Sachs im Rennen um den vordersten Platz dabei in die Hände spielen könnte, ist ein US-Regulierungsvorhaben - genau jenes, das in dem fraglichen Report thematisiert wird. Demnach sollen künftig die US-Töchter von ausländischen Banken so behandelt werden, als gäbe es die Konzernmutter im Ausland nicht. Die Folge: Die Institute müssten Milliarden an Eigenkapital in die USA transferieren. Europäische Aufseher sind alarmiert: Das sei ein "Rückschritt" in den Protektionismus, sagt etwa die Chefin der deutschen Finanzaufsicht Bafin. Ähnliche Töne kamen von der Bundesbank. Vizechefin Sabine Lautenschläger überlegte laut, ob Töchter von US-Banken hierzulande künftig ebenfalls den europäischen Regeln unterworfen werden könnten - bislang reicht das Vertrauen der Regulatoren so weit, dass sie gegenseitig ihre jeweiligen Spielregeln anerkennen. Ein Schelm, wer bei all den Äußerungen, dies- und jenseits des Atlantiks, an Wettbewerbsvorteile der eigenen Banken denkt.

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