Deutsche Bank:Fünf Gründe, warum es der Deutschen Bank so schlecht geht

FILE PHOTO: The logo of Deutsche Bank is seen at its headquarters ahead of the bank's annual general meeting in Frankfurt

Krise und kein Ende: Die Deutsche Bank findet ihren Weg nicht.

(Foto: REUTERS)

Bankchef Cryan kämpft um seine Macht, der Aktienkurs sinkt und sinkt: Die Probleme der Deutschen Bank türmen sich.

Von Hans von der Hagen und Jan Willmroth

Einst bekamen Banker in Frankfurt vor allem Anerkennung, wenn sie auf die Frage nach ihrem Arbeitgeber mit "Deutsche Bank" antworteten. Heute bekommen sie eine mitleidsvolle Gegenfrage: "Wie - immer noch?" Etliche Spitzenkräfte haben den Sanierungsfall Deutsche Bank in den vergangenen Jahren verlassen, sie gingen zur US-Konkurrenz, nahmen ihre Kunden mit und ihre Kontakte. Es fehlt eine Vision, wie die Bank wieder mehr Geld verdienen will. Fünf zentrale Probleme machen die Sache noch schwieriger.

1. Die Bank hat das falsche Geschäftsmodell

Vorstandschef John Cryan muss immer wieder erklären, warum die Bank die Erwartungen der Aktionäre verfehlt. Drei Jahre in Folge stand unter dem Strich ein Verlust. In fast allen Geschäftsbereichen sinken die Einnahmen schneller als die Kosten.

Das zeigt sich vor allem im Investmentbanking, der früheren Paradedisziplin, mit der die Bank noch vor einigen Jahren versucht hatte, an der Weltspitze mitzuspielen. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Investmentbanker weniger als ihre Kollegen im Privat- und Firmenkundengeschäft sowie der Vermögensverwaltung. Das führen Beobachter vor allem darauf zurück, dass die Bank zu lange am Handel mit Anleihen, Derivaten und Währungen festgehalten hat. Die Erträge im Investmentbanking sanken seit der Finanzkrise von 8,6 auf 6,6 Milliarden Euro.

"Das Problem war, dass die Deutsche Bank sich über Jahre hinweg falsch aufgestellt hat", sagte der frühere Chefvolkswirt der Bank, Thomas Mayer, jetzt im Deutschlandfunk. "Der Schwerpunkt war auf Handelsgeschäften; dabei hätte die Deutsche Bank eigentlich zu ihrem Kernauftrag zurückkehren müssen." Dieser bestehe darin, die deutsche Industrie mit Kapitalmarkt-Dienstleistungen zu versorgen. Hinzu kommt, dass die Investmentbanker sich ihre Schwäche trotz alldem teuer bezahlen lassen. 2,3 Milliarden Euro an Boni zahlt die Bank für 2017 aus; allein die 17 000 Investmentbanker erhalten davon 1,4 Milliarden Euro.

Unter dem Codewort "Colombo" sondiert die Bank derzeit, wie sie das teure Investmentbanking stärker zusammenstreichen kann. Nach Angaben von Insidern geht es dabei vor allem um das Handelsgeschäft, und das besonders in den USA. Ob sich die Bank weitere Umstrukturierungen leisten kann, bleibt fraglich. Auch sie kosten Geld, das die Deutsche Bank nicht mehr verdient.

2. Die Wettbewerber sind stark

Der Bedeutungsverlust der Deutschen Bank drückt sich nirgendwo so deutlich aus wie in ihrem Marktwert. Mittlerweile ist das größte deutsche Geldhaus auf Platz 80 der wertvollsten Banken der Welt abgerutscht. Unbekannte Institute aus Indien oder Hong Kong, die schweizerischen Großbanken UBS und Credit Suisse, die französischen Rivalen von BNP Paribas oder Société Générale: Sie alle genießen bei Investoren mehr Vertrauen als die Deutsche Bank. Hätte letztere in den vergangenen Jahren nicht vier Mal neues Geld an der Börse eingesammelt - insgesamt 30 Milliarden Euro -, wäre die Aktie heute nichts mehr wert.

Kapitalprobleme hat die Bank derzeit nicht, aber sie hat im Wettbewerb den Anschluss verpasst. Im den ersten drei Monaten bis Ende März reichte es im Ranking der großen Investmentbanken nur noch für Platz acht. Hier verdient die Deutsche Bank inzwischen nicht einmal halb so viel wie die amerikanischen Wettbewerber JP Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley. In anderen Segmenten sieht es kaum besser aus. Sei es im Geschäft mit vermögenden Privatkunden, im Firmenkundengeschäft oder der herkömmlichen Privatkundensparte - fast überall machen Konkurrenten entweder einen besseren Schnitt oder sie haben deutlich geringere Kosten. Jeder Euro, den die Bank einnimmt, kostet sie mehr als 80 Cent. Wettbewerber schaffen hier Werte von 50 bis 60 Cent.

3. Die IT ist marode

Cryans Vorgänger haben sträflich vernachlässigt, in die EDV zu investieren. Vor wenigen Wochen verkündete Cryan als Erfolg, dass von 46 verschiedenen Betriebssystemen nur noch wenig mehr als dreißig übrig seien. Das reicht bei weitem nicht: Kein Thema beschäftigt Spitzenbanker weltweit so sehr wie Investitionen in neue Technologien, entsprechend viel geben die Geldhäuser mittlerweile für IT aus. Auch hier hat die Bank wertvolle Zeit verloren, die sie in Zukunft nicht mehr haben wird.

4. Schon wieder ein Machtkampf

Seit langem wird in der Deutschen Bank immer wieder erbittert um das Führungspersonal gestritten. Das schadet dem gesamten Geldhaus. Sichtbar wurde das schon vor knapp zehn Jahren, noch zu Zeiten des früheren Bankchefs Josef Ackermann. 2009 kam es zum Machtkampf zwischen dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Clemens Börsig, und Ackermann, dessen Vertrag seinerzeit noch bis 2010 laufen sollte. Börsig wollte Ackermann aber schon vorher loswerden und brachte sich selbst als neuen Vorstandschef ins Spiel. Am Ende gewann Ackermann und verlängerte seinen Vertrag bis 2013. Es war kein Geheimnis, dass er später den früheren Bundesbank-Chef Axel Weber gerne als seinen Nachfolger gesehen hätte - doch der ging zur UBS. Vielleicht wäre Weber seinerzeit die letzte Option gewesen, die Deutsche Bank in eine bessere Zukunft zu führen. Stattdessen markiert der Streit zwischen Börsig und Ackermann den Auftakt zu einer nicht enden wollenden Führungskrise.

Ackermann wurde dann 2012 durch das Duo Anshu Jain und Jürgen Fitschen ersetzt. Jain hatte von Anfang an einen schweren Stand, da er zuvor jenen Bereich der Bank verantwortet hatte, der auch bei umstrittenen Investmentgeschäften mitmischte. Fitschen wiederum galt als jemand, der Jain für eine gewisse Zeit an die Seite gestellt werden sollte. Mitte 2015 traten dann aber beide schon wieder ab. Weder hatten sie die Ertragslage des Geldinstituts in den Griff bekommen, noch den versprochenen Kulturwandel in Gang gebracht.

Ihr Nachfolger wurde Cryan, der seinerzeit bereits im Aufsichtsrat der Deutschen Bank saß. Geholt hatte ihn Aufsichtsratschef Paul Achleitner - genau jener Mann also, der ihn nun wieder loswerden will, wie diese Woche bekannt wurde. Auch Cryan galt von Anfang an nur als Mann des Übergangs, als jemand, der vor allem aufräumen sollte.

Jetzt kämpft er um seinen Job. In einem Brief an alle Mitarbeiter geht Cryan auf die Schlagzeilen der vergangenen Tage ein: "Ich möchte Ihnen versichern, dass ich mich weiterhin mit all meiner Kraft für die Bank einsetze", schrieb er am Mittwoch. Das ist eine unmissverständliche Ansage an Aufsichtsratschef Achleitner: Zu den Schwierigkeiten der Bank kommt jetzt auch noch ein Machtkampf.

Und ein neuer Chef ist nicht in Sicht, der einstige Prestige-Job gilt als schwierig, ungemütlich und sogar als Karriererisiko. Schließlich müsste sich ein Neuer mit den gleichen Problemen herumschlagen, die Cryan nun seine Stelle kosten könnten. Geht er früher, steht die Deutsche Bank vor dem alt bekannten Problem: Sie hat keinen Nachfolger.

5. Altfälle in Milliardenhöhe belasten die Bank

Während andere Institute sich längst für die Zukunft rüsten, kämpft die Deutsche Bank weiter mit der Vergangenheit. Zwei Beispiele: Im Mai 2017 soll das Geldinstitut noch etwa 8000 offene Rechtsstreitigkeiten gehabt haben. Immer wieder musste das Institut Milliarden für die Prozesse zurückstellen, allein 2017 insgesamt 3,2 Milliarden Euro.

Das schadet auch der Reputation. "Es existiert kaum ein Wirtschaftsverbrechen, an dem die Deutsche Bank nicht beteiligt war", sagt Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Linkspartei. Er fordert sogar, die Bank zu zerschlagen: "Die Aktionärinnen und Aktionäre müssen entsprechend der Gemeinwohlverpflichtung des Grundgesetzes enteignet werden."

Die Rechtsstreitigkeiten kosten nicht nur Ruf und Geld, sondern auch Zeit. Deutlich wurde das etwa während der juristischen Auseinandersetzung mit dem früheren Medienunternehmer Leo Kirch. Immer wieder mussten während des Prozesses Vertreter des Deutsche-Bank-Vorstandes vor Gericht in München aussagen. Auch wenn die Führungsmannschaft um Cryan die größten und schwierigsten Rechtsstreitigkeiten abgearbeitet hat: Solche Dinge bremsen die Bank weiterhin - und haben die Manager in den vergangenen Jahren viel Energie gekostet.

Die zweite große Erblast ist die Postbank. Im vergangenen Jahr hatte die Deutsche Bank versucht, die Tochter zu verkaufen. Doch es fanden sich keine Interessenten, die einen für die Bank akzeptablen Preis boten. Nun bleibt sie ungeliebter Teil des Konzerns. Investoren fordern währenddessen Hunderte Millionen Euro von der Deutschen Bank, weil sie der Ansicht sind, dass ihnen ein höherer Betrag für die Übernahme der Postbank-Aktien zusteht. Ein Urteil ist noch nicht gesprochen worden.

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