Deutsche Bank:Es ist ja nicht alles schlecht

Deutsche Bank: Der Aktienkurs erholt sich, da kann man schon mal aufatmen: Die Mappe mit dem Redemanuskript legt Deutsche-Bank-Chef Cryan trotzdem nicht aus den Händen.

Der Aktienkurs erholt sich, da kann man schon mal aufatmen: Die Mappe mit dem Redemanuskript legt Deutsche-Bank-Chef Cryan trotzdem nicht aus den Händen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Deutsche-Bank-Chef John Cryan hat einen holprigen Amtsantritt hinter sich: Er habe vor allem die Mängel des Instituts adressiert, warfen ihm Kritiker vor. Nun jedoch geht er in die Offensive.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

John Cryan will jetzt alles ganz korrekt machen. Immer wieder richtet er den Blick auf sein Redemanuskript in der blauen Mappe, die vor ihm auf dem Tisch liegt. Als müsse er den Text auswendig lernen. Oder sich vergewissern, dass ihm nicht ein Kollege das Schriftstück stibitzt hat und er plötzlich frei reden muss. Dann tritt er ans Podium auf dem SZ-Finanzgipfel in Frankfurt, knöpft das Sakko zu, knetet kurz die Hände und legt los.

Cryan, so viel ist sicher, ist seit Juli 2015 Vorstandschef der Deutschen Bank, die in ihrer vielleicht größten Krise steckt. Viel mehr freilich weiß man nicht über den kahlköpfigen Briten. Vor Jahren hat er als Finanzchef die Schweizer UBS aus der Krise geführt, ansonsten abseits der großen Bühne Karriere im Bankgeschäft gemacht, vor allem als Berater für Firmenkunden. Jetzt steht er hier im Ballsaal des Hotels Frankfurter Hof, gegenüber der Commerzbank, die in Sachen Reputation inzwischen an der Deutschen Bank vorbeigezogen ist und nun einen neuen Chef sucht.

Die Deutsche Bank hingegen muss derzeit keinen neuen Chef suchen. Sie hat Cryan, einen Briten, der mit ungewöhnlich sanfter Stimme, aber vernehmbarem Akzent sehr gutes Deutsch spricht. Und jetzt demonstrieren will, dass er endlich angekommen ist in seinem Amt. "Gestatten Sie, dass ich mich kurz vorstelle", legt er los. "Ich bin der Mann, von dem es heißt, er meide die Öffentlichkeit." Das sei ein Irrtum, gleich zwei Mal trete er auf an diesem Mittwoch. "Nehmen Sie das als Zeichen dafür, wie gern ich mit Ihnen zusammen bin."

Die großen Rechtsstreitigkeiten könnten bis Jahresende abgeschlossen sein, hofft Cryan

Die seltsam persönliche Note, mit der er seine Ausführungen einleitet, hat eine Vorgeschichte. Monatelang hatte der 55-Jährige die Öffentlichkeit gemieden so gut er konnte und dabei den Eindruck erweckt, als würde er fremdeln mit dem neuen Amt. Mehr noch: Er startete mit einer ungewöhnlich harschen Bestandsaufnahme, die in der Aussage gipfelte, die Konzern-IT sei lausig und die Banker verdienten zu viel. Das aber kam bei vielen in der Bank schlecht an. Dann schrieb er auch noch Milliarden ab, verursachte auf diese Weise 2015 einen Rekordverlust. Parallel stürzte der Aktienkurs ins Bodenlose, auch die Anleihekurse fielen, zudem müssen die Banker jetzt auch noch Einschnitte bei den Boni hinnehmen. Man konnte förmlich dabei zusehen, wie die Bank fast täglich an Vertrauen bei Mitarbeitern, Kunden und Großinvestoren verlor. Und Konzernchef Cryan duckte sich weg oder, schlimmer noch, hob noch mehr auf die Schwächen des Unternehmens ab, als sei alles noch nicht schlimm genug. Er möge vielleicht ein guter Sanierer sein, sagten viele, aber er habe keine wirkliche Vision für die Bank.

Damit soll nun Schluss sein. In seiner Rede zeichnet Cryan jetzt das Bild einer Deutschen Bank, auf die die Mitarbeiter doch noch ein bisschen stolz sein können. 2013 habe das Institut nicht nur den Banken-Stresstest als eines der besten überstanden, es habe seither auch mehr Kapital und Liquidität zur Verfügung. Die Bank werde nun zu ihren Wurzeln zurückkehren. Dazu gehöre zum Beispiel der Zahlungsverkehr, ein eher langweiliges, aber solides Geschäftsfeld, in dem die Bank deutsche Firmen ins Ausland begleitet.

Aber auch das Geschäft mit Börsengängen sowie die Vermögensverwaltung liefen derzeit gut, sagt er. "Sie sehen also: Wir haben ein funktionierendes Geschäftsmodell. Ich sehe uns nicht im Verteidigungsmodus." Im Kern wolle er nun die Position als eine der führenden Firmenkunden- und Kapitalmarktbanken in Europa ausbauen, die Vermögensverwaltung stärken und sich auch den Privatkunden weiter stellen. Das freilich ist kein neues Geschäftsmodell. Und tatsächlich lautet Cryans Credo seit Amtsantritt, die Bank habe kein Strategieproblem, sie leide in erster Linie unter zu hohen Kosten.

Immerhin: Der schlimmste Kostenblock, die Strafzahlungen für die vielen Rechtsstreitigkeiten aus der Ära seines Vorgängers Anshu Jain und Co-Chefs Jürgen Fitschen, sind womöglich bald abgearbeitet. Zwölf Milliarden Euro hat die Bank bislang dafür gezahlt. "Wir können es nicht versprechen, aber ich hoffe, das liegt jetzt langsam hinter uns", sagt Cryan. Die letzten großen Fälle - dazu gehört ein Geldwäscheverdacht in Russland - könnten zum Halbjahr oder im dritten Quartal abgeschlossen werden. "2016 sollte das Jahr werden, in dem wir mit dem Aufräumen fertig werden und uns wieder zu 100 Prozent auf das Wichtigste konzentrieren: unsere Mitarbeiter und die Kunden." Zuletzt hätten auch die Investoren wieder Vertrauen gefasst: War der Aktienkurs im Februar auf den tiefsten Stand seit den frühen Neunzigerjahren gefallen, hat er sich seither um fast 30 Prozent erholt.

Da kann man schon einmal Scherze machen. Während seiner Rede hebt Cryan sein Smartphone hoch, lobt die neue Konto-App der Bank. "Die ist toll", sagt er und grinst verlegen. Das Telefon aber reiche er jetzt jedoch nicht herum. "Sonst steht morgen noch mein Kontostand in der Zeitung." So viel Transparenz muss dann doch nicht sein.

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