Süddeutsche Zeitung

Finanzbranche:Vize-Chef der Deutschen Bank muss wohl gehen

Die größte deutsche Bank würde die Greenwashing-Affäre ihrer Fondstochter gerne abhaken. Doch jetzt hat die Sache wohl Folgen bis in die Konzernspitze.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Greenwashing-Affäre bei der Fondsgesellschaft DWS wird wohl für einen weiteren Topmanager des Deutsche-Bank-Konzerns Konsequenzen haben. Nach DWS-Chef Asoka Wöhrmann trifft es nun womöglich auch Karl von Rohr, den stellvertretenden Vorstandschef des Geldhauses. Unternehmensinsider bestätigten einen Bericht des Manager Magazins, wonach dessen Vertrag, der im Herbst 2023 ausläuft, offenbar nicht verlängert wird. Im Aufsichtsrat wachse die Unzufriedenheit vor allem darüber, wie von Rohr die Greenwashing-Affäre der DWS behandelt habe, hieß es im Umfeld des Kontrollgremiums. Die Fondsgesellschaft steht im Verdacht, sich nachhaltiger dargestellt zu haben als sie ist.

Von Rohr ist nicht nur seit November 2015 Vorstand der Deutschen Bank und derzeit zuständig für das Privatkundengeschäft. Im April 2018 war der 57-Jährige sogar zum Vize-Konzernchef aufgestiegen; 2019 übernahm er zudem den Aufsichtsratschefposten der wichtigen Konzerntochter DWS. Er galt lange als Vertrauter von Vorstandschef Christian Sewing und als ein wichtiges Gesicht der Bank nach außen.

Im Mai hatte die Greenwashing-Affäre bereits DWS-Vorstandschef Wöhrmann das Amt gekostet. Auslöser war eine Razzia der Frankfurter Staatsanwaltschaft, welche die Fondsgesellschaft wegen des Verdachts auf Prospekt- und Kapitalanlagebetrugs durchsucht hatte - es geht also um den Vorwurf, dass die DWS in den Prospekten für Aktienfonds falsche Angaben gemacht haben könnte, was die DWS zurückweist. Losgetreten hatte die Sache Desirée Fixler, die frühere Nachhaltigkeitschefin der Fondsgesellschaft. Sie hatte Anfang 2021 zunächst intern bemängelt, die DWS verkaufe sich als nachhaltiger, als sie sei. Kurz darauf aber kündigte Wöhrmann der Amerikanerin nicht nur. Die DWS lancierte zudem ein internes Memo an die Medien, indem angedeutet wurde, es habe ihr an "Zugkraft" gefehlt. Sie sah ihre Reputation zerstört und wandte sich im Sommer 2021 an das Wall Street Journal mit ihrer Kritik. Daraufhin nahmen gleich mehrere US-Behörden und auch die deutsche Finanzaufsicht Ermittlungen auf. An der Börse verlor die DWS etwa eine Milliarde Euro an Wert. Die Untersuchungen dauern an, die Reputation aber ist beschädigt. Erst vor wenigen Tagen demonstrierte die Umweltorganisation Greenpeace am Firmensitz der DWS in Frankfurt.

Eine Sprecherin der Deutschen Bank sagte, man äußere sich nicht zu Vertragsverlängerungen von Vorständen. Von Rohrs Vertrag laufe noch bis November 2023. "Bei der Deutschen Bank ist die gängige Praxis, dass der Aufsichtsrat erst etwa ein halbes Jahr vor Ablauf über eine Verlängerung entscheidet." Mit anderen Worten: Derzeit sei es zu früh, die Frage stelle sich nicht.

Erste wichtige Entscheidung des neuen Aufsichtsratschefs

Die Kritik an Karl von Rohr entzündet sich dem Vernehmen nach nun unter anderem an der vorzeitigen Verlängerung von Asoka Wöhrmanns Vertrag im Frühjahr 2021. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die Greenwashing-Vorwürfe intern bereits bekannt waren, verlängerte der DWS-Aufsichtsrat dessen Vertrag vorzeitig bis 2024. Damals hatte es geheißen, die Verlängerung des erfolgreichen Managers habe sich nicht weiter herauszögern lassen. Da Wöhrmann aber im Mai 2022 nach der Razzia rein formal "freiwillig" zurücktrat, kassiert er sein Gehalt - Stand jetzt - bis Vertragsende weiter, in der Summe wohl fast 14 Millionen Euro. Fehlverhalten, welches eine Kündigung ermöglichen würde, kann ihm die Deutsche Bank bislang offenbar nicht nachweisen.

Über Karl von Rohrs Vertrag entscheiden muss nun der neue Aufsichtsratschef Alexander Wynaendts, der seit Mai die Geschicke der Bank kontrolliert. Dem Vernehmen nach sieht er von Rohrs Rolle seit Langem kritisch und hält daher nicht viel von einer Vertragsverlängerung. Der Niederländer könnte sich mit der Entscheidung auch vom Führungsstil seines Vorgängers Paul Achleitner absetzen, unter dessen Ägide Fehlverhalten in der Management-Etage selten ernsthafte Konsequenzen hatte. Ende 2015 zum Beispiel beförderte Achleitner Investmentbanking-Chef Garth Ritchie zum Vorstand, obwohl eine interne Untersuchung zu Geldwäsche mit russischen Kunden noch nicht abgeschlossen war, die sich auch in seinem Verantwortungsbereich zugetragen hatte.

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