Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Die teure Sündenliste der Deutschen Bank

Gestank in Fitschens Küche: Die Chefs der größten Bank Deutschlands, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, wollen die Kultur ihres Hauses ändern - doch ein halbes Jahr nach Ackermanns Abgang müssen sie sich noch immer um Altlasten kümmern. Zum Beispiel um die Kosten für zahlreiche Rechtsangelegenheiten.

Von Bastian Brinkmann

Wer everything but the kitchen sink rausschmeißt, der schmeißt im Englischen seinen gesamten Haushalt auf die Straße. Die kitchen sink, die Küchenspüle, gilt im Sinne des Sprichworts jedoch als so wichtig im Alltag, dass sie auch im ärgsten Frühjahrsputz unantastbar ist. Das gilt nicht an der Börse, die das Sprichwort weiterentwickelt hat: Wenn Aktiengesellschaften schlechte Nachrichten verkünden müssen, muss eben auch die Spüle dran glauben. Denn um die Stimmung der Aktionäre nicht monatelang zu vermiesen, gilt die Regel: Schlechte Nachrichten nicht scheibchenweise verkünden, sondern gleichzeitig. Alles muss raus, auch die Spüle. Das passiert oft, wenn ein neuer Chef ins Amt kommt. Dann kann er nach ein paar Monaten in eine renovierte Küche kommen und sich freuen, dass alles so schön aufgeräumt ist. Die Konzernzahlen glänzen wieder. Der neue Chef ist schon so erfolgreich!

So lief es auch bei der Deutschen Bank. Da übergab der alte den neuen Chefs eine stinkende Küche.

Im Sommer verabschiedete sich Josef Ackermann, die neuen Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain traten ihren Job an und kassierten jede Menge schlechter Schlagzeilen: Deutsche Bank verwickelt in Libor-Skandal, Niederlage im Kirch-Prozess, mutmaßliche Bilanztricks in der Finanzkrise aufgedeckt. Im Dezember gab es sogar eine Razzia in der Frankfurter Zentrale. 500 Beamte durchsuchten Räume der Bank, weil sie in ein kriminelles Umsatzsteuer-Karussel mit CO2-Zertifikaten verwickelt sein soll.

Und jetzt auch noch ein Milliardenverlust im letzten Quartal 2012. "Verlust nach Steuern von 2,2 Milliarden Euro", meldet die Bank. Im Gesamtjahr reichte es deshalb nur noch für einen Gewinn von 700 Millionen Euro - das schlechteste Ergebnis seit dem Finanzkrisenjahr 2008. Allerdings baute die Deutsche Bank ihre Kapitaldecke aus. Das müssen Banken weltweit im Zuge der Basel-III-Regeln umsetzen.

Auf der Jahrespressekonferenz präsentierten sich Jürgen Fitschen und Anshu Jain in Küchenschürzen. Sie betonten wie stets seit ihrem Antritt, dass sie der Bank einem Kulturwandel unterziehen wollen: nachhaltiger spekulieren, im Sinne der Kunden. "Wer diese Werte nicht teilt, sollte lieber gehen", sagte Fitschen.

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Zahlen, wie teuer das Erbe der Ära Ackermann die Bank noch kommt. Für 2012 weist sie Ausgaben in Höhe von 1,6 Milliarden Euro allein für Rechtsrisiken aus. Das sind Rückstellungen für erwartbar teuere Prozesse und Urteile. Die Bank will nicht genauer aufschlüssen, auf was sie sich vorbereitet. Ein Überblick:

  • Das größte Risiko dürfte nach momentanem Stand vom Kirch-Urteil ausgehen. Im Dezember entschied das Oberlandesgericht München, dass die Deutsche Bank den Erben des Medienmanagers Schadensersatz zahlen muss. Die Höhe des möglichen Schadens bezifferte das Gericht auf 120 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro. Den genauen Wert sollen Gutachter feststellen. Kirchs Anwälte machen weitere Ansprüche in Milliardenhöhe geltend.
  • Die Finanzbranche erwartet, dass sich die britische und die US-Aufsicht bald mit den Banken wegen den Libor-Manipulationen einigen könnte. Mehrere Händler von Großbanken hatten diesen Referenzzins manipuliert, der Geldgeschäfte in gigantischem Umfang beeinflusst. So konnten die Investmentbanker höhere Profite einfahren. Die britische Bank Barclays musste bereits 350 Millionen Euro zahlen. Auch beim Euribor, der dem Libor sehr ähnlich ist, laufen seit kurzem Ermittlungen gegen die Deutsche Bank.
  • Bisheriger Höhepunkt der Ermittlungen gegen das Umsatzsteuerkarussel mit Emissionszertifikaten war die Durchsuchung der Zentrale. Der Verdacht: Händler der Deutschen Bank sollen mit kriminellen Geschäftsleuten Verschmutzungsrechte so schnell im Kreis an- und verkauft haben, dass der Fiskus den Überblick verlor und den beteiligten Firmen mehr Umsatzsteuern erstattetete, als diese zuvor gezahlt hatten (Hintergründe in diesem SZ-Artikel). Es geht für die Bank um mindestens 300 Millionen Euro.
  • Die US-Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance Agency hat 17 Geldhäuser wegen umstrittener Hypothekengeschäfte verklagt, darunter auch die Deutsche Bank. Die Institute sollen beim Verkauf von Wertpapieren, die mit fragwürdigen Hypotheken abgesichert waren, falsche Angaben gemacht haben. Laut Klageschrift soll die Deutsche einen Schaden von 14 Milliarden Dollar verursacht haben. Das ist viel Geld, ein möglicher Vergleich kommt in solchen Fällen allerdings immer günstiger.
  • In den USA ermitteln außerdem Staatsanwälte aus Washington und dem Bundesstaat New York gegen die Deutsche Bank und drei weitere Geldhäuser, weil diese möglicherweise Geschäfte in Milliardenhöhe mit Iran, Sudan und anderen Ländern gemacht haben könnten, die mit Sanktionen belegt waren.
  • Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission ermitteln in zwei Fällen. Im ersten Verfahren geht es darum, dass 16 Banken im Verdacht stehen, im Geschäft mit Kreditausfallversicherungen (CDS) Absprachen getroffen zu haben, die Deutsche Bank ist eine von ihnen. In einem zweiten Verfahren, in dem ebenfalls die Deutsche Bank am Pranger steht, geht es um den Verkauf eines Clearinghauses an ICE Clear Net. Hier untersucht die Kommission, ob Klauseln im Vertrag anderen Wettbewerbern den Markteintritt erschwerten. Über zentrale Clearingstellen sollen künftig Finanzgeschäfte abgewickelt werden, die bislang auf intransparenten Wegen zwischen zwei Parteien abgeschlossen werden - sogenannte over-the-counter-Geschäfte. Die EU-Wettbewerbsbehörde könnte bis zu zehn Prozent des Umsatzes als Bußgeld verlangen.

Die Liste muss nicht komplett sein. Der Kostenpunkt umfasse "möglicherweise weitere andere Angelegenheiten" als die bisher bekannten, sagte Bankchef Fitschen. Außerdem musste die Bank im vierten Quartal Investitionen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro abschreiben.

Zum Kulturwandel kommt auch ein Sparpaket. Bis 2015 wollen die Chefs jährliche Einsparungen von 4,5 Milliarden Euro schaffen. Die Bank soll sich gesund-, aber nicht kleinschrumpfen. Das heißt für Jain vor allem: Die Konkurrenz der weltweiten Großbanken suchen. Vor zwanzig Jahren sei die Deutsche Bank nicht global genug gewesen, jetzt begleite sie beispielsweise große Börsengänge in Asien. "Das war schmerzhaft, hat sich aber absolut gelohnt", sage Jain. Und so soll es weitergehen. Die Deutsche Bank müsste etwa bei der Vermögensverwaltung weltweit führend sein, forderte Jain. "Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass wir das nicht sind."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde im Einstieg das Bild der sprichwörtlichen kitchen sink schief benutzt. Das ist nun korrigiert.

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