Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Deutsche Bank gegen die Söldnermentalität

Investmentbanker nehmen jede Möglichkeit wahr, ihr Einkommen zu steigern. Deutsche-Bank-Chef Cryan muss versuchen, die Topleute zu halten - obwohl er nicht am meisten zahlt.

Kommentar von Meike Schreiber

Es ist noch nicht allzu lange her, da hatten viele in der Deutschen Bank das wohlige Gefühl, unter den Türmen in der Frankfurter Taunusanlage sprudelte eine Geldquelle. Eine, die immerzu liefert und nie versiegt. Es ist auch nicht lange her, da war das Selbstbewusstsein der Deutschbanker davon getragen, zu den Besten im Geldgewerbe zu gehören. Auch als das Selbstbild wenig später die ersten Risse bekam, als Milliardenstrafe auf Milliardenstrafe folgte, für die vielen krummen Geschäfte im Investmentbanking, für Betrug gar an den Kunden, prallte das an vielen in der Bank ab.

Insofern schadet es ganz und gar nicht, dass der nun nicht mehr ganz so neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan diese Selbstwahrnehmung zunächst einem harten Realitätscheck unterzog. An Kritik hat er nicht gespart, gleich zu Beginn seiner Amtszeit: Die Bank habe zwar kein Strategieproblem, sondern ein Umsetzungsproblem, eine lausige IT, zu hohe Kosten und eine undurchsichtige Verantwortungskultur. Ihren Höhepunkt jedoch erreichte die Selbstkritik, als er im Herbst pauschal feststellte, Banker verdienten zu viel. Ganz generell.

Zwar ging diese Botschaft vor allem an die Aktionäre, die es fast schon gewohnt sind, dass sich allen voran die Investmentbanker milliardenhohe Boni gönnten, zugleich aber mit ihren Geschäften Milliardenstrafen verursachten. Und sie müssen nun zwei Jahre auf Dividende verzichten. Vom Niedergang des Aktienkurses ganz zu schweigen.

In der Bank jedoch löste Cryans Äußerungen einen kleinen Proteststurm aus; er sei doch selbst Teil des Systems, habe seine Vermögensbildung abgeschlossen und daher gut reden. Insofern war es für die Moral der angeschlagenen Mannschaft nun unausweichlich, dass der Vorstand - wie vor ihm schon Anshu Jain und Jürgen Fitschen im Jahr 2012 und 2008 unter Josef Ackermann - zumindest für 2015 auf einen Bonus verzichtet. Zumal auch die Fixvergütung von mehreren Millionen Euro ausreicht, um über die Runden zu kommen.

Klarer allerdings wäre diese Botschaft herübergekommen, hätte Cryans Mannschaft nicht - wie er selbst sagte - auf Anregung des Aufsichtsrats, sondern freiwillig auf die Extraprämie verzichtet. Schließlich steht jetzt die für die Bank noch viel wichtigere, weil nicht nur symbolische Frage im Raum, auf wie viel Bonus die Mitarbeiter verzichten müssen. In diesem Punkt jedoch wollte sich Cryan noch nicht festlegen. Entschieden wird das erst in einigen Wochen. Denn in jedem Fall ist die Sache heikel: Sollte der Bonustopf tatsächlich nur um ungefähr 30 Prozent gekappt werden, wie es seit einigen Wochen gerüchteweise aus der Bank heißt, wäre das aus Sicht der Aktionäre wohl deutlich zu wenig.

Cryan muss die besten Mitarbeiter halten, obwohl er nicht am meisten zahlt

Zugleich jedoch kann Cryan trotz der Milliardenverluste keine allzu harten Schnitte vornehmen. Denn vor allem im für die Bank so bedeutenden Investmentbanking ist jene Söldnermentalität tief verankert, in diesen Kreisen geht es darum, zur Maximierung des Einkommens stets weiterzuziehen. Zudem nehmen diese Banker jede Möglichkeit wahr, in den wachsenden Schattenbanksektor zu wechseln, zu einem Hedgefonds oder in die Private-Equity-Branche. Dort wird weniger reguliert und mehr verdient. Und wahrscheinlich werden auch viele Mitarbeiter der Deutschen Bank dieses Erpressungspotenzial nutzen. Wenn aber die Bank wirklich die europäische Antwort zu den Wall-Street-Banken sein will, die erste Anlaufadresse also für Europas Konzerne, dann wird sie die Profis an sich binden wollen und auch neue anziehen wollen.

Cryan muss es jetzt gelingen, die besten Mitarbeiter zu halten, obwohl er nicht die besten Konditionen bieten kann. Dazu muss er den alten Korpsgeist der Deutschen Bank wiederbeleben, der sich nicht ausschließlich am Gehaltsscheck orientiert hat, sondern vielmehr auf dem Selbstverständnis basierte, mit großem Intellekt das Beste für die Privat-, aber vor allem die Firmenkunden herausholen zu können. Das Schicksal der Bank hängt davon ab, ob Cryan dieses Kunststück gelingt.

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SZ vom 29.01.2016/hgn/kjan
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