Deutsche Bank:Der große Durst

Befindet sich das größte Geldhaus des Landes auf einer langen Wüstendurchquerung? Das Ziel: eine schöne neue Oase - eine neue Bank? Doch die Karawane ist müde und durstig. Es gibt Meuterer. Und die meutern zu Recht.

Ein Kommentar von Andrea Rexer, Frankfurt am Main

Gute Geschichten sind manchmal ein schlechtes Zeichen. Schon immer haben sich Menschen in schwierigen Zeiten mit Geschichten getröstet. Bei der Deutschen Bank ist das nicht anders. Fast zwei Jahre lang stehen Jürgen Fitschen und Anshu Jain nun an der Spitze der Bank. Fast zwei Jahre lang hagelte es schlechte Nachrichten.

Und nun kursieren auch im größten Geldhaus des Landes Geschichten. Eine davon lautet so: Die Belegschaft befindet sich, angeführt von den beiden Co-Vorstandschefs, auf einer langen Wüstendurchquerung. Das Ziel ist eine schöne neue Oase - eine neue Bank. Doch bis dahin ist es ein langer, sandiger Weg. Am Anfang ist die Karawane noch gestärkt, aber je weiter sie geht, umso mehr Dünen sich vor ihr auftürmt, desto müder und durstiger wird sie. Da sei es ganz normal, dass die Mannschaft zwischendurch meutere, sagen die Karawanenführer. Die Quintessenz dieser Geschichte soll wohl sein: Hört nicht auf das Meutern, das geht ganz von allein vorbei.

Daran darf man zweifeln.

Denn gemeutert wird zu Recht. Die beiden Neuen haben die hochfliegenden Erwartungen enttäuscht. Mitarbeiter und Investoren glaubten, das Führungsduo werde das erste Jahr dazu verwenden, die Bank aufzuräumen, sich dann aber rasch wieder Richtung Wachstum orientieren. Doch noch immer ist der Blick nach hinten gewandt, nicht nach vorn.

Von der Leistung der Vorstände enttäuscht

Zu Recht fragen sich die Mitarbeiter der Bank, wie viel Sinn es ergibt, wenn sie kleine Beträge einsparen sollen, wenn zur selben Zeit hohe Milliardenbeträge für Rechtsstreitigkeiten im Handstreich ausgegeben werden. Nun mag die Führungsspitze gegenhalten: Das eine macht das andere umso notwendiger. Das ist richtig und wird kurzfristig vielleicht sogar zu noch größeren Bemühungen führen. Aber gleichzeitig muss man die Vorstände fragen, warum sie die Rechtskosten bei ihrem Amtsantritt derart unterschätzt hatten.

Kannten sie das Haus nicht richtig? Kaum vorstellbar, da beide mit den größten Fällen eng vertraut sein dürften: Fitschen kannte das Risiko rund um den Kirch-Prozess gut. Und Jain hat das Investmentbanking aufgebaut, aus dem die meisten der nun auftauchenden Affären stammen. Haben sie geglaubt, dass man den Banken - wie früher - nicht genau auf die Finger schaut? Das müsste man als herbe Fehleinschätzung werten.

Gemeutert wird in der Belegschaft aber auch, weil viele inzwischen glauben, dass das harte Sparpaket, mit dem die Kosten bis 2015 um mehr als vier Milliarden Euro sinken sollen, das Wachstum der Bank untergräbt. Es ist eine Diskussion, die ähnlich verläuft wie jene zu Griechenland: Wie viel sparen ist verträglich, ohne langfristige Chancen zu verspielen?

Sparen wollen Jain und Fitschen vor allem, weil die Bank auf Geheiß der Regulatoren hin mehr Kapital braucht. Die Anforderungen steigen stetig. Man muss Jain und Fitschen zugutehalten, dass sie diese Änderungen nicht vorhersehen konnten. Doch die Reaktion darauf kann man ihnen sehr wohl vorhalten: Kann sparen die einzige Antwort auf die höheren Anforderungen der Regulatoren sein? Oder braucht die Bank nicht längst eine große Kapitalerhöhung? Analysten weisen darauf bereits seit einiger Zeit hin, Großinvestoren zeigen ihre Unzufriedenheit inzwischen so offen, dass darüber nun öffentlich spekuliert wird.

Gefährlicher Druck

Druck der Investoren ist für Jain gefährlich: Sind sie unzufrieden, wackelt sein Stuhl, denn schließlich haben sie ihn an die Spitze geholt. Die Eigenschaft, besser und vor allem schneller zu sein als andere, hat ihn über Jahre weg zum "Regenmacher" der Bank gemacht, zu demjenigen also, der die Gewinne regnen ließ. Nun unken die ersten Analysten, dass die Bank ihre "2015+"-Ziele nicht einhalten wird, dass sie bis zu 30 Prozent dahinter zurückbleiben könnte.

Jain wird sich nicht darauf hinausreden wollen, dass die Strategie vorsichtshalber mit einem "Plus" hinter der Jahreszahl versehen wurde. Er gehört zur Abteilung Attacke. Wer ihn auch nur ein bisschen kennt, weiß, dass er nicht nach, sondern vor dem Stichtag liefern will. Jain braucht also einen Befreiungsschlag: eine Kapitalerhöhung, die nicht für sich allein steht, sondern von einem Wachstumsprogramm flankiert wird. Dieses muss genau zeigen, wo die Bank künftig Gewinne machen will.

Damit wäre die Oase nicht nur in Sicht, sondern es wäre auch klar, wie man sie erreicht. Eines aber kann sogar ein solcher Befreiungsschlag nicht leisten: die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass diese Bank eine gute Bank ist. Dazu müsste der Kulturwandel vorzeigbare Ergebnisse liefern. Die sind die beiden Vorstandschefs bisher schuldig geblieben.

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