Deutsche Bank:Das große Rätselraten

Deutsche Bank

Der Deutschen Bank drohen Strafzahlungen in den USA.

(Foto: dpa)

Der Bank droht eine Horror-Strafe aus den USA, die ins Herz der Finanzkrise zurückführt. Was steckt eigentlich dahinter? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Hintergründen des Rechtsstreits.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wenn Deutsche-Bank-Chef John Cryan den Aktionären am Donnerstag erklärt, wie sich Deutschlands größtes Kreditinstitut im dritten Quartal geschlagen hat, dann wird es nicht nur um Erträge, Kosten oder die Frage des langfristigen Geschäftsmodells gehen. Das alles entscheidende Thema wird die drohende Strafe sein, welche die US-Behörden der Bank wegen krummer Geschäfte mit Immobiliendarlehen angedroht haben. 14 Milliarden Dollar soll die Bank im schlimmsten Fall bezahlen, so hat es das US-Justizministerium angekündigt. Seit diese Summe Mitte September bekannt wurde, fragen sich Anleger und Öffentlichkeit, was passiert, wenn es der Bank misslingt, diese Strafe herunterzuhandeln. Wird das Geldhaus versuchen, seine Aktionäre anzupumpen oder Unternehmensteile zu verkaufen? Steht ein Einstieg des Staates bevor? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Hintergrund des Streits:

Worum geht es bei der Strafe?

Die Übersicht allein über die wichtigsten Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank nimmt in deren Geschäftsbericht vierzehn eng bedruckte Seiten in Anspruch. Von der Manipulation von Zinssätzen oder Rohstoffpreisen ist die Rede, von Sanktionsverstößen oder Geldwäsche. Der aktuelle Fall führt dabei ins Herz der Finanzkrise. Es geht um so genannte Residential Mortgage Backed Securities (RMBS), das sind gebündelte und verpackte Häuslebauerkredite, in der damaligen Form auch als Subprime-Papiere bekannt. Zusammen mit CDO, CDS oder ABS schwammen sie in der Finanz-Buchstabensuppe, die als einer der Auslöser der Krise von 2008 gelten. Im Kern werfen die US-Behörden der Deutschen Bank vor, diese Papiere an Investoren verkauft, aber nicht richtig über die Risiken aufgeklärt zu haben. Als die Blase am US-Immobilienmarkt platzte, bescherten sie den Käufern heftige Verluste. Es ist ein Vergehen, das sich auch andere Großbanken vorwerfen lassen müssen.

Welche Geschäfte steckten dahinter?

Letztlich sind die RMBS-Papiere eine Ausgeburt des überhitzen US-Immobilienmarktes zu Beginn der 2000er Jahre. Obwohl sich viele Amerikaner gar keine Immobilie leisten konnten, finanzierten die Banken deren Kauf als gebe es kein Morgen. Dann wiederum bündelten sie diese Hypothekenkredite und wandelten sie in handelbare und komplizierte Wertpapiere um. In der Annahme, dass nicht alle Kredite zugleich ausfallen, stuften die Ratingagenturen diese Papiere als besonders sicher ein, was den Boom beförderte und die späteren Verluste vergrößerte. Seither nehmen Investoren eher Abstand von dergestalt verpackten Wertpapieren, auch weil der Markt heute strenger reguliert ist.

Wie war die Deutsche Bank involviert?

In dem Wunsch, weltweit eine große Nummer im Investmentbanking zu werden, gehörte auch die Deutsche Bank zu den wichtigen Akteuren auf dem US-Immobilienmarkt. Konkret hat das US-Justizministerium dabei die Jahre 2005 bis 2007 im Blick, also die Zeit, als Josef Ackermann die Bank führte und der spätere Co-Chef Anshu Jain noch Leiter des Investmentbankings war. Anders als die US-Banken JP Morgan oder Citigroup begann die Deutsche Bank aber erst zum Ausbruch der Finanzkrise selbst Kredite an Häuslebauer vergeben. Zuvor kaufte sie diese nur ein und platzierte sie bei Investoren. Käufer waren professionelle Anleger wie Pensionsfonds oder andere Banken, wie zum Beispiel die WestLB oder die BayernLB. Während die Deutsche Bank wegen des Zusammenbruchs des US-Häusermarktes zunächst keine bedrohlichen Verluste erlitt, mussten besagte Landesbanken kurz darauf von den Steuerzahlern ihres Bundeslandes gerettet werden.

Welche Klagen gibt es?

Seit dem Ende der Finanzkrise versuchen Behörden weltweit die Verursacher des Debakels zur Rechenschaft zu ziehen. Besonders berüchtigt sind die Strafen der Amerikaner. Insgesamt weit über 100 Milliarden Dollar haben die großen Geldhäuser bereits für die verschieden Vergehen vor und während der Krise bezahlt, davon entfallen allein 12 Milliarden Euro auf die Deutsche Bank, die in fast alle Skandale im Investmentbanking verwickelt war. Für den Verkauf von RMBS-Papieren haben Banken laut des Datenanbieters Corelytics insgesamt bereits gut 35 Milliarden Dollar an Strafen an die Behörden wie die Federal Housing Finance Agency in den USA bezahlt. Hinzu kommt ein unübersichtliches Geflecht an Zivilklagen von Anlegern, die sich geschädigt fühlen. Vieles kommt erst jetzt zum Tragen, weil die Untersuchung der Fälle lange dauert und kompliziert ist. Gerade hat zum Beispiel ein kalifornisches Gericht eine rund zwei Jahre alte Klage von einflussreichen Investoren rund um den US-Fonds Blackrock zugelassen. Das Pikante: Blackrock ist zugleich zweitgrößter Aktionär der Deutschen Bank. Bei der Klage geht es darum, dass die Deutsche Bank ihre Pflichten als Treuhänderin eines Portfolios von Hypothekenpapieren vernachlässigt haben soll, indem sie deren Qualität nicht gut geprüft habe.

Wie viel muss die Bank nun bezahlen?

Die angedrohte Summe von 14 Milliarden Dollar wird die Bank nach Meinung der meisten Beobachter wohl herunterhandeln können. Dass das Geldhaus bereits zu Beginn der Gespräche klargemacht hatte, diese Summe "auf keinen Fall" zu bezahlen, schien den meisten Experten zwar eher ungeschickt. Schließlich gelten US-Behörden als sehr viel konzilianter, wenn sich Unternehmen zu ihrer Schuld bekennen. Legt man allein den Marktanteil bei RMBS-Geschäften zugrunde, rechnet die Ratingagentur Moody's trotzdem nur mit maximal 5,7 Milliarden Dollar. Bis Gewissheit herrscht, kann es nun aber noch dauern: Sah es Mitte Oktober noch so aus, als würde die Bank eine schnelle Einigung erreichen, ziehen sich die Gespräche nun womöglich sogar bis nach der US-Präsidentschaftswahl am 8. November hin. Das verlängert die Phase der Unsicherheit, die den Aktienkurs der Bank belastet. Immerhin ist davon auszugehen, dass gegen Jahresende eine Entscheidung fallen wird, schließlich werden sich bis dahin die wichtigsten Mitarbeiter im US-Justizministerium damit schmücken wollen, um sich für Anschlussjobs in der neuen US-Regierung oder der Privatwirtschaft zu positionieren.

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