Eines kann man den Mitarbeitern der Commerzbank nicht vorwerfen: dass sie sich nicht tapfer auch auf die unwahrscheinlichsten Szenarien vorbereiten würden. "Wir suchen Italiener und solche, die es gerne werden wollen", ist in diesen Tagen auf einem Zettel zu lesen, der am Schwarzen Brett in der Eingangshalle der Commerzbank-Zentrale in Frankfurt hängt. Im Angebot: Italienisch-Kurse für Mitarbeiter. "Einstieg und Probeschnuppern sind jederzeit möglich."
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Der Aushang, an dem die meisten Mitarbeiter an diesem Donnerstag eher achtlos auf dem Weg zur Kantine vorbeigehen, wirkt auf eine groteske Weise vorausahnend. Denn gerade wurde über die britische Financial Times lanciert, was bereits seit Wochen in der Finanzszene die Runde macht: Die italienische Großbank Unicredit, die 2005 bereits die Münchner Tochter Hypo Vereinsbank übernommen hat, könne jederzeit ein Angebot für die Commerzbank abgeben, sollten deren Fusionsgespräche mit der Deutschen Bank scheitern. Man werde sich zwar nicht in die laufenden Verhandlungen beider Frankfurter Geldhäuser einschalten, stehe aber bereit, falls diese abgebrochen würden, sagten Insider. Zumindest der operative, wenn auch nicht der rechtliche Sitz des fusionierten Instituts, könne gar in Deutschland bleiben.
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Das Ganze kommt nicht überraschend: Seit Deutsche Bank und Commerzbank am 17. März ihre Fusionsgespräche offiziell begonnen haben, vergeht kaum kein Tag ohne Gerüchte zum Stand der Verhandlungen. Mal stehen dahinter Kräfte, die den Zusammenschluss dringend umsetzen wollen, zum Beispiel Berater oder die Bankvorstände, mal jene, die ihn verhindern wollen, etwa Arbeitnehmervertreter oder einige Großaktionäre. Letztere sehen die Bankenehe skeptisch und führen eine lange Liste an Gegenargumenten. Die Gewerkschaften wiederum fürchten den Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen.
Anfang der Woche hieß es nun, die Gespräche verliefen schleppend, man sei sich nicht einig über den Zeitplan, am Wochenende könne es zu einer Vorentscheidung kommen, womöglich stehe ein Abbruch bevor. In diesem Zusammenhang muss man wohl auch die Signale der Unicredit sehen. Wurden sie gestreut, um den Zusammenschluss zu forcieren, indem man Druck auf Deutsche Bank und die Commerzbank macht? Oder geht es darum, ihn zu verhindern? Zumindest die Gewerkschaften könnten eine Übernahme durch Unicredit bevorzugen, weil dabei nicht ganz so viel Arbeitsplätze wegfallen.
In Kreisen der Commerzbank wurde die Avancen der Unicredit vorsorglich als "Quatsch" abgetan. Tatsächlich begleitet die Verhandlungen von Beginn an die Erzählung, wonach eine ausländische Bank wie BNP Paribas, Société Générale oder Unicredit kurz davor stünden, die Commerzbank zu kaufen. Die Deutsche Bank, so lautet das Argument, habe daher nur noch diese eine Chance, um mit der Commerzbank zu fusionieren. Erzählt wurde die Story in Berlin, im Bundesfinanzministerium, aber auch von Befürwortern der deutschen Großfusion in Frankfurt. Wahlweise hieß es dann auch, zugleich bereite auch die US-Bank JP Morgan ein Angebot für die Deutsche Bank vor.
Wahrscheinlicher wird die Sache damit nicht. Theoretisch ist zwar denkbar, dass sich ausländische Großbanken die Commerzbank oder auch die Deutsche Bank einverleiben wollen. Schließlich sind beide derzeit an der Börse günstig zu haben. Sie müssten dafür allerdings den Bund fragen. Denn ohne die Zustimmung der Regierung würde kein Investor große Anteile an einer größeren Bank kaufen.
Seit der Rettung in der Finanzkrise hält der deutsche Staat noch 15 Prozent der Commerzbank. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) müsste den Steuerzahlern dann erklären, warum er seinen Anteil mit Verlust verkauft. Derzeit notieren die Aktien der Commerzbank bei nur etwas mehr als sieben Euro.
Würde Unicredit die Commerzbank übernehmen, würde sie maximal zwanzig Prozent Aufschlag, also acht bis neun Euro zahlen. Mehr würden ihr die eigenen Aktionäre kaum erlauben. Damit der Staat sein Engagement ohne Verluste beenden könnte, wäre aber ein Gebot von 26 Euro nötig. Bei einem Komplettausstieg des Bundes würde sich der Verlust auf mindestens 3,7 Milliarden Euro belaufen. Zudem müsste die Bundesregierung erklären, warum sie den wichtigsten Kreditgeber des deutschen Mittelstandes ohne Druck an eine ausländische Bank verkauft. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte eigentlich gerade die Losung ausgegeben, man müsse sich in der Industriepolitik wieder stärker auf nationale Interessen konzentrieren.
Zudem müsste die Bundesregierung erklären, warum sie die Commerzbank ausgerechnet in einer Phase höchster politischer Unsicherheit in Italien verkauft. Die italienische Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsextremer Lega befindet sich seit einem Jahr auf Konfrontationskurs mit der EU. Man verteilt gerne teure Wahlgeschenke, was die Staatsverschuldung und die Zinsen italienischer Staatsanleihen in die Höhe treibt - eine gefährliche Mischung für Italiens Geldhäuser, die nicht nur unter faulen Krediten leiden, sondern auch Hunderte Milliarden italienischer Staatsanleihen halten. Allein in der Bilanz von Unicredit lagern laut Geschäftsbericht 58 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen, rund sieben Mal mehr, als die Commerzbank besitzt - ein enormes Klumpenrisiko. In Berlin fürchtet man zudem, die italienische Regierung könnte die fusionierte Bank drängen, noch mehr italienische Papiere zu kaufen.
Insidern zufolge hat Unicredit bereits vergangenes Jahr bei der Bundesregierung vorgefühlt, ob es möglich sei, die Commerzbank zu übernehmen. Das Signal aus Berlin war Bankkreisen zufolge negativ.
Auch das Commerzbank-Management würde ein solches Angebot nach SZ-Informationen als "feindlich" einstufen. In anderen Branchen mögen Übernahmen gegen den Willen des Managements immer wieder vorkommen, im Bankgeschäft gibt es so etwas selten bis nie. Kreditinstitute verfügen weder über Maschinen noch über tolle Patente, entscheidend sind vielmehr die Mitarbeiter und ihre Beziehungen zu den Kunden sowie das Wissen über die eigene Bilanz und deren möglicherweise versteckte Risiken. "Es gebe für uns genug Möglichkeiten, so einen Deal platzen zu lassen", sagt ein Commerzbank-Insider.
Dort hat man ohnehin Routine im Umgang mit Übernahmegerüchten. Seit der Finanzkrise gab es unzählige Planspiele, welche Bank in Europa mit welcher fusionieren könnte. Kaum etwas wurde Wirklichkeit. Viele Manager in der europäischen Finanzbranche klagen daher über "Kleinstaaterei" auf dem Kontinent, während die großen Wall-Street-Institute längst der europäischen Konkurrenz enteilt seien.
Eigentlich will man keine Megabanken mehr
Was aber erschwert Fusionen von großen Banken in Europa? Das liegt allen voran an unterschiedlichen Auffassungen der nationalen und europäischen Finanzaufseher. Denn eigentlich will man seit der Krise keine Banken mehr haben, die zu groß sind, um ohne Hilfe der Steuerzahler gerettet zu werden. Daher müssen Megabanken besonders viel Eigenkapitalpuffer gegen eine Schieflage zurücklegen, weswegen sich grenzüberschreitende Großfusionen oft nicht lohnen. Hinzu kommen die nach wie vor beachtlichen Unterschiede in der europäischen Bankenregulierung.
Viele nationalen Bankenaufseher, allen voran die deutschen, fürchten, dass Bilanzrisiken verschoben werden, für die bei einer Bankenabwicklung die nationalen Steuerzahler haften. Banken in Deutschland dürften Spareinlagen daher nur begrenzt zur Refinanzierung von Krediten in Italien oder Spanien verwenden. Einige Bankenaufseher der EZB hingegen würden paneuropäische Bankenchampions gerne als Nachweis dafür sehen, dass das die Bankenunion auf gutem Weg ist. Die EU leiste sich zu viele Banken, mahnt die EZB stets an. Und Unicredit? Deren Chef Jean-Pierre Mustier sagte am Donnerstag, er wolle sich auf Wachstum ohne Übernahmen konzentrieren. Zugleich ließ er durchblicken, Europa brauche große Banken. Italienisch zu lernen kann also nie schaden.