Russland:Was hinter Russlands Vorgehen gegen europäische Banken steckt

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Die Zentralen der Deutschen Bank (l.) und der Commerzbank in Frankfurt am Main. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Betroffen von der gerichtlichen Anordnung sind Deutsche Bank und Commerzbank, aber auch die italienische Unicredit. Es geht um westliche Sanktionen - und den Bau einer Gasverarbeitungsanlage.

Von Meike Schreiber

Es geht um westliche Sanktionen, den geplatzten Bau eines Gasterminals in Russland und die Beschlagnahmung von einigen Hundert Millionen Euro - betroffen sind unter anderem die Deutsche Bank und die Commerzbank. Hintergrund: Der Bau einer Gasverarbeitungsanlage durch den Linde-Konzern im Ostsee-Hafen Ust-Luga, an deren Finanzierung sich beide Institute beteiligen wollten. Verträge dazu wurden bereits im Sommer 2021, also vor Kriegsbeginn unterschrieben. Doch es kam nicht dazu, Linde hatte die Arbeiten wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland aufgegeben.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters geht aus Unterlagen des Gerichts in St. Petersburg hervor, dass bei der Deutschen Bank bis zu 238 Millionen Euro an Wertpapieren, Immobilien und Guthaben des Kreditinstituts und seiner russischen Tochtergesellschaft betroffen sind. Bei der Commerzbank geht es um Werte in Höhe von 93,7 Millionen Euro sowie das Gebäude der Bank im Zentrum Moskaus.

Betroffen ist auch die italienische Großbank Unicredit

Betroffen von dem geplatzten Linde-Projekt ist auch die italienische Unicredit. Die Richter in Sankt Petersburg ließen bei ihr Vermögen und Eigentum im Wert von rund 460 Millionen Euro beschlagnahmen.

Bei der Deutschen Bank hieß es, sie habe dafür Rückstellungen über 260 Millionen Euro für den Fall gebildet. Es bleibe "abzuwarten, wie diese Entscheidung von den russischen Gerichten umgesetzt wird und welche Folgen dies für unseren operativen Betrieb in Russland hat".

Die Beschlagnahmung dürfte eine der härtesten Maßnahmen seit Kriegsbeginn gegen europäische Banken sein. Sie könnte im Zusammenhang stehen mit einem Brief der Europäischen Zentralbank an die von ihr beaufsichtigten Banken von Mitte Mai. Die EZB-Bankenaufseher hatten darin gefordert, die Geldhäuser sollten sich mit ihren Rückzugsplänen beeilen, weil ansonsten härtere Maßnahmen der Amerikaner zu erwarten seien. Anfang Mai hatten sich die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel auch auf einen Plan verständigt, außerordentliche Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen künftig zugunsten der Ukraine zu verwenden.

Die US-Regierung verfolgt die verbleibenden Geschäfte europäischer Banken in Russland derweil genau. Allen voran die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) ist deswegen zuletzt immer stärker unter Druck geraten. Anders als andere europäische Kreditinstitute macht die zweitgrößte österreichische Bank noch immer keine Anstalten, sich aus Russland zurückzuziehen. Vergangene Woche hieß es laut Reuters sogar, die US-Sanktionsbehörde habe in einem neuen Schreiben an die Bank ihre Besorgnis über die angebliche Expansion der RBI in Russland geäußert. Diese stehe im Widerspruch dazu, dass die Bank zugesichert habe, ihre russischen Aktivitäten abzubauen. Der Bank könnte nun im schlimmsten Fall der Zugang zum US-Finanzsystem beschränkt werden.

Viele westliche Banken haben ihr Geschäft längst heruntergefahren

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine haben die meisten westlichen Banken ihre Geschäfte in Russland heruntergefahren und ihre Mitarbeiter teilweise aus dem Land geholt. Die Deutsche Bank macht dort seither kein Neugeschäft mehr, vergibt also zum Beispiel keine neuen Kredite. Die Risikopositionen in Russland seien zuletzt von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 1,7 Milliarden im Jahr 2022 gesunken, wie die Bank diese Woche auf ihrer Hauptversammlung mitteilte. Vor dem Angriffskrieg beschäftigte sie rund 1700 Mitarbeiter in Russland, vor allem im IT-Bereich, heute sind es laut Geschäftsbericht nur noch 180 Mitarbeiter.

Vor dem Angriff auf die Ukraine allerdings haben auch deutsche Banken über Jahre geholfen, Putins Macht und die russische fossile Wirtschaft, auf die sie gründet, zu stärken. Die Deutsche Bank zum Beispiel war laut der Umweltorganisation Urgewald auf Platz vier der europäischen Banken, die in den Jahren vor Kriegsbeginn die russischen Öl- und Gasfirmen Gazprom, Lukoil, Rosneft und Novatek durch Konsortialkredite unterstützt hatte.

Noch Ende 2021 hatte die Deutsche Bank zusammen mit anderen Geldhäusern 870 Millionen Dollar Kredit an eine Ölfirma in Irkutsk in Sibirien vergeben. Die Bank verwies damals auf die "lange Geschichte, wichtige Infrastrukturprojekte in Russland zu unterstützen". Wenige Tage zuvor hatte das Geldhaus neue Büroräume in Moskau eröffnet, auch das ein Zeichen: man stehe voll zum russischen Markt.

Wenige Jahre zuvor war herausgekommen, dass die Deutsche Bank mit Hilfe von Aktien-Spiegelgeschäften Oligarchen geholfen hatte, rund zehn Milliarden Dollar außer Landes zu schaffen. Schließlich versuchte der US-Kongress auch noch herauszufinden, ob Präsident Wladimir Putin 2016 womöglich Einfluss auf die US-Präsidentenwahl genommen hatte, eventuell sogar über die Deutsche Bank. Harte Belege gab es nie dafür, aber die These hält sich bis heute.

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