Süddeutsche Zeitung

Banken:Wie soll die Kleine denn heißen?

Lesezeit: 4 min

Von Harald Freiberger und Victor Gojdka, München

In den Medien und im Alltag hat das Kind schon einen Namen: Meist ist von "Deutscher Commerz" die Rede, wenn es darum geht, wie Deutsche Bank und Commerzbank heißen könnten, wenn sie denn wirklich zusammengehen. Ein Check im Internet zeigt, dass dieser Name auf Hürden stoßen würde: Die Webseite www. deutsche-commerz.de ist schon vergeben. "Hier entsteht in Kürze ein Forum zu den Themen Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht", heißt es darauf. Vielleicht waren es Witzbolde, die sich die Domain vor Kurzem sichern ließen, vielleicht hoffen sie auch darauf, viel Geld zu machen, wenn es der Name wirklich wird und die neue Großbank ihn abkaufen muss.

Doch das dürfte im Prozess der Namensfindung noch das kleinste Problem sein. Die Frage nach dem Namen ist nur scheinbar einfach. Wer mit Markenexperten spricht, stellt schnell fest, wie kompliziert das gesamte Projekt ist, wie viel Zündstoff in ihm steckt.

Einfach zwei Namensbestandteile zusammenzufügen, kann jedenfalls keine Lösung sein. Experte Achim Feige vom Nürnberger Unternehmen Brand Trust kann das schnell illustrieren: Die Deutsche Bank stehe für Status, die Commerzbank für die bürgerliche Mitte, beides zusammenzuführen, sei sehr schwierig. "Die zentrale Frage bei einer Fusion ist, was ich von jeder Bank mitnehme", sagt Feige. Kulturell seien beide nicht auf Augenhöhe, weder was Mitarbeiter noch was Kunden betreffe. "Es kommt zu Störgefühlen, die sich mit einer Werbekampagne nicht beseitigen lassen." Durch eine Fusion würde Markenwert zerstört. "Eins plus eins gibt nicht zwei, sondern 1,5", sagt Feige. Markenexperte Bernd Samland von der Agentur Endmark pflichtet dem bei. Deutsche Commerz? "Das wäre alter Wein in neuen Schläuchen", sagt der Namensschöpfer. Die Banken würden ihr ramponiertes Image damit für die Zukunft betonieren und kein Signal des Aufbruchs senden. "Dieser Name würde die Fusion nur verwalten", sagt auch Sybille Kircher von der Agentur Nomen, "aber nicht gestalten."

Auch Namensexperte Thomas Schiefer hat in Sachen "Deutsche Commerz" schwerwiegende Bedenken. "Beide Marken haben eine lange Tradition, sind aber schwer angeschlagen", sagt er. Es sei praktisch unmöglich, durch ein Zusammengehen das Beste aus beiden Marken herauszuholen und das Schlechte über Bord zu werfen. Im Gegenteil: Beide Marken würden weiter verwässert und geschwächt. "Ich bin davon überzeugt, dass beide getrennt durch radikales Aufräumen eher wieder flottzumachen sind", sagt Schiefer. Eine harte Sanierung, weniger traditionelles Banking, eine Zukunftsvision entwerfen - so ließen sich die Marken aufpolieren. Schiefer muss es wissen: Der geschäftsführende Gesellschafter des Wiesbadener Unternehmens InnoMark hat viele Namen miterfunden. Ein Beispiel dafür ist das Automodell Porsche "Cayman". Ein Auftrag zur Namenssuche könnte also auch auf seinem Tisch landen.

Denn vor zehn Tagen teilten beide Banken mit, eine mögliche Fusion offiziell zu prüfen. Voraussichtlich wird der Prozess bis Mai dauern. Es gibt viele Gegner: Branchenexperten, Kartellrechtler, Finanzaufseher äußerten sich skeptisch, selbst die beteiligten Bankchefs sind verhalten. Eigentlich gibt es nur drei bekannte Fans der Fusion: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), sein Staatssekretär Jörg Kukies und Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Wie es ausgeht, lässt sich schwer sagen. Es kann aber sein, dass in wenigen Wochen eine Namensagentur in Deutschland einen großen Auftrag bekommt.

In der Regel läuft der Prozess dann so ab, dass sich die Agentur in vielen Sitzungen mit Verantwortlichen der Unternehmen zusammensetzt. Dabei geht es um solche Fragen: Wofür stehen beide Unternehmen? Was davon soll erhalten bleiben, was nicht? Wofür soll die neue Bank in 20 Jahren stehen? Was ist ihr Beitrag für Bankkunden in Deutschland, wofür braucht es sie?

Die aktuelle Diagnose des Marken-Experten Feige fällt negativ aus: "Deutschland würde nicht viel fehlen, wenn es beide Marken nicht mehr gäbe." Man kenne sie zwar, aber sie stünden für nichts, sie hätten keine gesellschaftliche Relevanz mehr. Eigentlich seien die Marken traditionsreich und nicht schlecht. Das Problem aber sei die Orientierungslosigkeit, bei der Deutschen Bank noch mehr als bei der Commerzbank, die schon zehn Jahre Krisenmanagement hinter sich hat.

Wenn es um eine Fusion geht, gibt es drei Möglichkeiten: Der Name lässt sich aus bestehenden zusammensetzen, "Deutsche Commerz" wäre ein Beispiel. Zudem sind eine Abkürzung und ein ganz neuer Name denkbar. Eine Abkürzung aus den Anfangsbuchstaben der bisherigen Banknamen (wie "DBC") halten Namensschöpfer für falsch. Automarken wie BMW fahren damit seit Jahrzehnten zwar gut - es brauchte aber Jahrzehnte, um sie bekannt zu machen. "Heute einer Abkürzung weltweit populär zu machen, ist eine Herkulesaufgabe", sagt Experte Samland.

Mit einem Kunstnamen würde man auch den Ballast los

"Auch eine Holding, unter der beide Marken erhalten bleiben, ist kein richtiger Neuanfang", sagt Experte Schiefer. Es würde das Problem nur in die Zukunft verlagern. Welcher Name etwa bleibt bestehen, wenn in fünf Jahren in einer Stadt eine von zwei Filialen geschlossen werden soll?

Die meisten Markenexperten sprechen sich für das Kunstwort aus. "Im Falle einer Fusion würde ich unbedingt einen neuen Namen empfehlen, nicht einen, der aus den beiden bestehenden zusammengebastelt ist", sagt Thomas Schiefer von InnoMark. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem neuen Namen sei sehr wichtig, sonst gebe es immer zwei Lager. Es werde danach gefragt, wer der Übernommene ist, wer dominiert, wer für welche Altlast verantwortlich ist. Die Angst vor Jobabbau und Filialschließungen verstärke die Kluft.

Mit einem gänzlich neuen Namen ließe sich das eher vermeiden. Ein Kunstname mit neuem Logo hätte auch den Vorteil, dass man die Marke neu entwickeln und Ballast leichter abwerfen könnte. Wer die Kniffe der Namensmacher kennt, kann einen Namen sogar am Reißbrett entwerfen. Im Banknamen sollte dann zum Beispiel ein O oder ein A auftauchen, diese Buchstaben wirken groß und voluminös - und strahlen zugleich Ruhe aus. "Ob ein I im Namen funktionieren würde, müsste man im Einzelfall kritisch prüfen", sagt Expertin Sybille Kircher. Denn ein I wie im Autonamen Renault "Twingo" wirkt eher süß, klein und lieblich. Für Schiefer bleibt die beste aller Optionen aber die Nicht-Fusion. Wenn beide Banken auf ihn zukämen, einen neuen Namen für sie zu finden, würde er ihnen empfehlen, es bleiben zu lassen. "Jede Bank sollte selbständig bleiben und unter altem Namen die eigenen Probleme für sich lösen", sagt er.

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Quelle:
SZ vom 26.03.2019
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