Was machen Minister, die zwar Versprechen bei Strafe des politischen Untergangs einhalten müssen, aber in eine Lage geraten sind, in der sich diese Versprechen als zu groß herausstellen? Genau, sie basteln sich eine Geschichte. So, wie es gerade in Berlin zu beobachten ist. Die Bundesregierung propagiert plötzlich vehement die Bildung nationaler Champions - allen voran eines deutschen Bankenchampions für die deutsche Exportwirtschaft. Gingen Commerzbank und Deutsche Bank zusammen, entstünde damit genau so einer, erzählen sie. Das kommt gut an bei denen, die sowieso lieber national unterwegs sind. Aber die anderen, die reiben sich die Augen. Was passiert gerade im Land der liberalen Freihändler?
Es waren zwei ganz große Versprechen, die Politik und Geldbranche nach der Finanzkrise 2008 gegeben haben. Erstens: Kippt eine Bank, sollten künftig nur noch private Gläubiger und Aktionäre die Beerdigung zahlen, nicht aber die Steuerzahler. Zweitens: Banken sollten nicht mehr so groß und verflochten sein, dass ihre Pleite eine Systemkrise auslösen kann, sie sollen nicht Too-big-to-fail sein, wie es heißt.
Geschäftsbericht:Warum die Deutsche Bank sich anstrengen muss
Das Kreditinstitut macht zwar wieder Gewinn, aber die Einnahmen sinken, die Aktie fällt. Von einer Trendwende ist die Bank noch weit entfernt.
Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren - das skandalöse Geschäftsmodell einiger Banken sollte ausgelöscht werden. In Brüssel schuf man daher mit viel Aufwand EU-Regeln zur Bankenabwicklung. Zehn Jahre nach der Finanzkrise aber scheint die Bundesregierung die zentralen Versprechen zu verdrängen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bemüht sich offensichtlich nach Leibeskräften, aus Deutscher Bank und Commerzbank einen Bankchampion zu schmieden. Am Montag bestätigte Scholz erstmals "Beratungen über die Situation, wie sie ist". Die Bundesregierung sei ein fairer Begleiter von privatwirtschaftlichen Diskussionen, sagte er am Rande des Treffens der Euro-Finanzminister in Brüssel. Es klingt, als hätte man in Berlin vergessen, dass die deutschen Steuerzahler 68 Milliarden Euro zahlen mussten, um die heimischen Banken in der Krise zu retten. Als hätte man vergessen, dass gerade große Konzerne in der Krise eben doch als systemrelevant gelten - und mit Steuergeld gestützt werden müssen.
Auf Druck Berlins haben die Vorstandschefs von Commerzbank und Deutscher Bank nun sogar informelle Gespräche aufgenommen. Noch ist nicht klar, was die Parteien eigentlich anstreben. Aber kommt es zu einer Vollfusion, entstünde eine Megabank mit rund zwei Billionen Euro Bilanzsumme, 140 000 Mitarbeitern und rund 840 Milliarden Euro an Spareinlagen. Wäre diese Bank an der Börse auch nach wie vor als Leichtgewicht bewertet: Es entstünde das zweitgrößte Geldhaus in der Eurozone, nach der französischen BNP Paribas. Seine Bedeutung für das Finanzsystem? Enorm. Könnte man es im Ernstfall ohne Steuergeld abwickeln? Eher schwierig.
Und nicht nur das: Scholz will den Bund dem Vernehmen nach gar als Anteilseigner bei der fusionierten Bank ins Spiel bringen - bestenfalls ohne, dass dies den Bürgern auffällt. Da dem Staat nach der Rettung der Commerzbank in der Finanzkrise aber noch immer 15 Prozent an der Bank gehören, wäre die Bundesrepublik bei einem reinen Aktientausch auch mit rund fünf Prozent an dem fusionierten Institut beteiligt. Die vage Hoffnung dahinter: Selbst die geringe Beteiligung könnte von Investoren als implizite staatliche Garantie gesehen werden. Die Fusion der beiden Banken wäre für die Regierung damit die Eintrittskarte für eine staatliche Beteiligung.
Was über eine staatliche Beteiligung alles geräuschlos geregelt werden kann, hat sich gerade erst bei der Nord-LB gezeigt. Dort floss zur Rettung der Landesbank zwar öffentliches Geld. Scholz beteuert aber, es handele sich um eine erlaubte staatliche Beihilfe. Dem Vernehmen stuft er die Rettung als eine "außerordentliche Unterstützung" ein, die auch nach neuen EU-Regeln zur Bankenabwicklung erlaubt sei. Die Regeln sehen eigentlich vor, dass Banken nicht mehr mit Steuergeld gerettet werden. Scholz aber sagte unlängst: "Ich teile die Meinung nicht, dass dies Staatshilfe ist". Dazu muss man wissen, dass die Nord-LB den Ländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie einige Sparkassen gehört. Sie haben sich gerade auf ein 3,7 Milliarden Euro umfassendes Rettungspaket für die Nord-LB verständigt, wobei zwei Drittel von den Ländern kommen soll. Das Kalkül: Weil der Staat Anteilseigner ist, kann er bei seiner Bank nach den neuen Regeln zur Bankenabwicklung beliebig Geld nachschießen, ohne dass es sich um eine verbotene Beihilfe handelt.
Das wäre wohl auch bei einer fusionierten Großbank möglich. Die Hoffnung ist daher wohl, dass Investoren dadurch wieder Vertrauen in das Instituts fassen und die Refinanzierungskosten sinken. Bloß: Ist das nötig? Wichtige Ratingagenturen haben bereits signalisiert, dass sich durch die Staatsbeteiligung die Bonitätsnote wohl nicht verbessern würde. Außerdem profitiert die Deutsche Bank auch ohne Staatsbeteiligung bereits von einer impliziten Staatsgarantie. Zwar ist diese Annahme nicht mehr ganz so gefestigt wie früher: Nach wie vor aber setzen die Gläubiger darauf, dass der Staat die Bank nicht fallen lassen würde. Das verschafft den Frankfurtern günstigere Refinanzierungskosten.
Keiner ist gefährlicher als die Deutsche Bank
Die Sorge in Berlin scheint in jedem Fall groß: Kein anderes Finanzinstitut stelle für das globale Finanzsystem ein so großes Risiko dar wie die Deutsche Bank, schrieb der Internationale Währungsfonds 2016. Dafür spricht auch, dass die Bank trotz des niedrigen Aktienkurses kein Übernahmekandidat ist. Abgesehen davon, dass kein Geldhaus die Deutsche Bank gegen den Willen der Bundesregierung übernehmen würde, machen internationale Banken einen Bogen um die Deutschen.
Die implizite Staatsgarantie dürfte auch der Grund sein, warum sich Berlin überhaupt zuständig fühlt. Denn eigentlich ist es eine Sache des Managements und der Eigentümer, zu entscheiden, was mit der Bank passiert. Aus der Staatsgarantie leitet man in Berlin aber wohl ein Mitspracherecht ab. Was die Bundesregierung betreibt, ist eine Art Vorsorge. Man könnte es so sagen: Sie will in der Lage sein, dann, wenn es soweit ist, mit dem größtmöglichen Umfang an Informationen die nötige Entscheidung treffen zu können.
Bei den Großaktionären löste die Nachricht informeller Gespräche am Montag indes keine Begeisterung aus. Sie zweifeln weiter, ob ein Zusammenschluss die richtige Lösung ist. Immerhin aber legten die Aktien zur Abwechslung zu: Die der Deutschen Bank stiegen um fünf Prozent, die der Commerzbank um 7,2 Prozent.