Süddeutsche Zeitung

Finanzinstitut:Die Deutsche Bank ist schwach, aber stabil

  • Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing muss nach der geplatzen Commerzbank-Fusion die schrumpfenden Erträge der Bank erklären.
  • Die Investoren bleiben skeptisch, ob die Bank überhaupt in der Lage ist, es allein wieder zu internationaler Größe zu schaffen.
  • Über einen Plan für die Zukunft will Sewing nicht sprechen: Er passt auf, nicht mehr zu versprechen, als er auf jeden Fall halten kann.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Gemeinsam nicht besser als allein, der Plan nicht überzeugend genug, dann eben doch stabil auf eigenen Füßen: Christian Sewing hatte am Donnerstag viel zu erklären. Am Morgen hatten die Vorstände von Deutscher Bank und Commerzbank ihre Fusionsgespräche beerdigt, Mitteilungen verschickt und über alle denkbaren Kanäle kundgetan, das Vorhaben würde sich nicht rechnen, die Risiken seien zu hoch. Am Abend dann trat Sewing im Fernsehen auf, im Studio des heute journal. "Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir alleine eine wirtschaftlich stärkere Aussicht haben, dass wir unseren Weg alleine besser gehen können", sagte er.

Am Morgen danach, als Sewing und Finanzchef James von Moltke per Telefonkonferenz Stellung nehmen zu den Geschäftszahlen der ersten drei Monate des Jahres, ist die Aktie bereits vier Prozent im Minus. Die Bank hat zuvor ihre Ertragsziele für das Gesamtjahr gesenkt, wegen der Probleme im Investmentbanking. Während dort ein Verlust zu Buche stand, machte der Konzern 201 Millionen Euro Gewinn. Allerdings: Es ist das neunte Quartal schrumpfender Erträge infolge. Der Markt antwortet mit Misstrauen, die Investoren bleiben skeptisch, ob das Institut in der Lage ist, es allein zu schaffen. Ob es ein Geschäftsmodell findet, mit dem es wieder wachsen kann, anstatt Faktoren ausgeliefert zu sein, die kein Manager an der Spitze der Bank kontrollieren kann.

Was ist das also für ein Weg, den sich Sewing und der Vorstand der Deutschen Bank jetzt vornehmen?

Konzernchef Sewing will darüber noch nicht sprechen. Man lasse sich nicht von Spekulationen über strategische Optionen leiten, stellt er auf mehrmalige Nachfrage von Analysten klar. Ein Plan B, wie die Bank ihre Strategie nach dem Ende der Fusionsgespräche ändern wird, ist also noch nicht spruchreif.

Immerhin: "Wir haben uns eine Reihe von Alternativen angeschaut in den vergangenen Wochen", sagt Sewing. Man habe einen Zusammenschluss auf dem Heimatmarkt mit anderen Optionen vergleichen wollen, man habe etwas tun müssen: Damit erinnert er an die gefährliche Lage, in der sich die Deutsche Bank Anfang des Jahres befand, nach der Geldwäscherazzia Ende November und schwachen Zahlen im letzten Quartal 2018. Als die Hinweise auf Gespräche mit der Commerzbank und eine Unterstützung durch den Bund konkret wurden, sanken augenblicklich die Risikoprämien für das Institut.

Sewing passt nun auf, nicht mehr zu versprechen, als er auf jeden Fall halten kann. "Jetzt liegt unsere volle Aufmerksamkeit darauf, unseren Plan umzusetzen", sagt er. Dazu gehören eine strikte Kontrolle der Kosten, der versprochene Stellenabbau auf weniger als 90 000 Vollzeitstellen und das Infragestellen unprofitabler Bereiche des Investmentbankings. Mittelfristig gehört dazu auch, die stabilen Geschäftsfelder weiter zu stärken: Die Vermögensverwaltung DWS, die Privat- und Firmenkundenbank mitsamt der Postbank und die Transaktionsbank, mit der das Institut als Dienstleister für andere Banken agiert.

Es geht darum, überhaupt noch mitzuspielen auf internationalem Niveau

Über alldem steht aber der Druck, den Ertragsschwund aufzuhalten. Alle drei Monate, wenn die Bank Zahlen vorlegt, müssen Sewing und von Moltke sich für den Einnahmenrückgang rechtfertigen, und das seit mehr als zwei Jahren. Den Anschluss an die Konkurrenz früherer Tage, etwa die großen Investmentbanken an der Wall Street, hat die Bank ohnehin längst verloren. "Die Deutsche Bank", sagt Sewing am Telefon, "wird ein relevantes globales Finanzinstitut bleiben." Es geht also nicht darum, wieder größer zu werden - es geht darum, überhaupt noch mitzuspielen auf internationalem Niveau.

Dazu hat Sewing der Bank am Donnerstag erneut eine "aktive Rolle" zugedacht bei der Konsolidierung im europäischen Bankenmarkt mit seinen etwa 5500 Instituten. Eine Übernahme der Deutschen Bank durch ein ausländisches Institut ist unwahrscheinlich, dafür gilt sie als zu komplex und riskant, dafür sind ihre Ertragsaussichten zu unsicher. Bevor sich die mit ihrer eigenen Restrukturierung beschäftigte Bank aber selbst an eine Übernahme wagt, dürften die Pläne für eine Fusion der DWS mit einem Konkurrenten konkreter werden. Die Ertragsschwäche wird das allein aber nicht beheben können. Spätestens zur Hauptversammlung in knapp einem Monat erwarten Investoren und Analysten von Sewing neue Ideen.

Die Führungsmannschaft der Commerzbank kann da entspannter sein und wird nun beobachten, wie weiterhin Gerüchte über eine Übernahme durch einen ausländischen Konkurrenten die Runde machen. Aber vielleicht ist es zu kurz gedacht, die Commerzbank als natürlichen Übernahmekandidaten zu betrachten. Dem Vernehmen nach gibt es bislang noch nicht einmal Gesprächsanfragen. Am Ende könnte das Institut alle überraschen, indem es selbst eine andere Bank kauft: Nicht abwegig, dass man sich demnächst Institute wie die Bank Austria, die IKB oder die Hypo-Vereinsbank einmal genauer anschaut.

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SZ vom 27.04.2019
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