Süddeutsche Zeitung

Quartalszahlen:Warum der Verlust der Deutschen Bank so hoch ausfällt

  • Die Deutsche Bank hat im zweiten Quartal einen Verlust von 3,15 Milliarden Euro gemacht.
  • Die Summe fällt so hoch aus, weil das Geldhaus einige Abschreibungen früher verbuchen kann als geplant.
  • Die Summe zeigt: Die schleppende Vergangenheitsbewältigung des Instituts ist noch lange nicht beendet.

Von Hans von der Hagen und Meike Schreiber, Frankfurt

Hätte es noch weiterer Belege bedurft, dass die Deutsche Bank dringend ihre Strategie ändern muss? Und doch verdeutlichen die am Donnerstag veröffentlichten Quartalszahlen des Instituts, warum der Anfang Juli angekündigte Umbau wohl längst überfällig war: Allen voran die Erträge im Aktiengeschäft, das weitgehend geschlossen wird, sind noch viel stärker zurückgegangen, als Analysten befürchtet hatten. Aber auch in der Beratung bei Übernahmen und Börsengängen ging es abwärts, also dort, wo die Bank wachsen will. Damit zeigt sich auch: Es wird schwierig für Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, trotz Umbaus ausreichend Erträge im Kerngeschäft zu erwirtschaften. Er muss nicht nur die Kosten für die langwierige Neuausrichtung bezahlen, sondern irgendwann auch wieder eine gute Rendite erreichen.

Die Aktien des Geldhauses gaben am Vormittag zeitweise um fast fünf Prozent nach und notierten nur noch bei 6,70 Euro. Zu Hochzeiten waren die Papiere einmal gut hundert Euro wert gewesen. Seit Sewing Anfang Juli die neue Strategie - den Abbau von 18 000 Stellen und den Rückzug aus wichtigen Geschäften - angekündigt hatte, haben die Aktien etwa sechs Prozent an Wert verloren. An der Börse ist die Bank weniger als 15 Milliarden Euro wert. Ob der Umbau gelingt? "Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass sich der Ausblick im Juni verschlechtert hat", sagte Finanzvorstand James von Moltke.

Noch am wenigsten überraschend war der Verlust, den das Geldhaus für die Monate April bis Mai bekannt gab: Insgesamt stand nach Steuern zwar ein Minus von enormen 3,15 Milliarden Euro zu Buche, weil man einige Abschreibungen früher verbuchen konnte als geplant. Das übertrifft daher jene 2,8 Milliarden Euro, welche die Bank Anfang Juli bereits in Aussicht gestellt hatte.

Damit ist nun knapp die Hälfte der auf 7,4 Milliarden Euro veranschlagten Umbaukosten verarbeitet.

Das Institut hat zunächst sogenannte Firmenwerte in der Bilanz (Fachbegriff: Goodwill) teils nach Jahren endgültig abgeschrieben, weil es sich aus vielen Geschäften - etwa dem Aktienhandel - zurückzieht. Diese Firmenwerte bilanzieren Unternehmen irrwitzigerweise als Vermögen, wenn sie andere Unternehmen teuer übernehmen. Von Aufsehern werden diese Posten inzwischen nicht mehr als "echtes" Kernkapital anerkannt, weil die Rücklagen nur virtueller Natur sind.

Die Abschreibung mindert daher zwar nicht das regulatorisch wichtige "Kernkapital". Sie ist aber dennoch Teil der schleppenden Vergangenheitsbewältigung des Instituts: Bereits 2015 hatte Sewings Vorgänger John Cryan einen Quartalsverlust von 6,2 Milliarden Euro produziert, als auch er - wenn auch wenig erfolgreich - den Versuch unternommen hatte, die Bank aufzuräumen. Auch Cryan hatte die jahrelang offensichtlich zu hoch angesetzten Bilanzwerte der im Expansionsrausch seiner Vorgänger einst teuer gekauften Firmen abgeschrieben, darunter den Wert der 1999 übernommenen Bankers Trust. Die Übernahme der US-Bank markierte den Startpunkt für die unheilvolle Expansion der Deutschen Bank ins globale Investmentbanking. Offenbar machte er aber nicht Tabula Rasa, denn auch die aktuelle Abschreibung enthielt dem Vernehmen nach immer noch Reste der Bankers Trust.

Für die weiteren Aufräumarbeiten der Bilanz hat das Institut nun außerdem eine "Bad Bank" eingerichtet. Diese Abbaueinheit habe ihre Arbeit aufgenommen und verkaufe bereits "Aktiva, die nicht mehr zu unserer Ausrichtung passen", schrieb Sewing in einem Brief an seine Mitarbeiter. Von den 288 Milliarden Euro an Bilanzpositionen, die in der Einheit landen sollten, seien bereits 38 Milliarden Euro abgebaut. Das Institut dürfte aber Jahre brauchen, um durch den Verkauf oder das Auslaufen dieser Papiere die Bilanz zu erleichtern.

Epstein soll Geschäfte über Privatkonten der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank abgewickelt haben

Unterdessen hat sich für die Deutsche Bank in den Vereinigten Staaten eine neue Baustelle aufgetan: Das Institut habe in den vergangenen Jahren eine Schlüsselrolle bei den Finanzgeschäften des US-Unternehmers Jeffrey Epstein innegehabt, berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf Personen, die mit dem Fall befasst sein sollen. Epstein ist in den Vereinigten Staaten wegen der Misshandlung minderjähriger Mädchen angeklagt worden.

Er soll einige Jahre lang Geschäfte über "Dutzende Privatkonten" der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank abgewickelt haben. Mittlerweile soll das Institut keine Geschäftsbeziehung mit Epstein mehr unterhalten, berichtet das Blatt weiter. Die Deutsche Bank führe eine gründliche Prüfung durch und sehe sich "absolut verpflichtet", mit allen relevanten Behörden zu kooperieren, teilte überdies ein Sprecher des Geldhauses in New York mit.

Dass das Unternehmen im Umgang mit Epstein womöglich besonders unerschrocken war, wird aus der weiteren Schilderung der Zeitung deutlich: Die Beziehung zu Epstein habe es gerade dann vertieft, als eine andere große Bank, JP Morgan Chase, ihre langjährige Beziehung zu Epstein kappte - wohl auch aus Sorge um ihren Ruf. Die Deutsche Bank soll erst Ende 2018 begonnen haben, einzelne Konten von Epstein zu schließen. Mitarbeiter hatten zuvor offenbar ihre Vorgesetzten über Artikel des Miami Herald in Kenntnis gesetzt.

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SZ vom 25.07.2019/vit
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