Finanzaufsicht:Deutsche Bank muss Millionen-Strafe zahlen

Finanzaufsicht: Verzerrte Wahrnehmung: Die Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank spiegelt sich in einer gegenüberliegenden Hochhausfassade.

Verzerrte Wahrnehmung: Die Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank spiegelt sich in einer gegenüberliegenden Hochhausfassade.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Die Finanzaufsicht Bafin bemängelt fehlerhafte Kontrollen möglicher Zinsmanipulationen. Die Geldbuße ist ungewöhnlich hoch für deutsche Aufseher.

Von Meike Schreiber , Frankfurt

Als nach der Finanzkrise mehrere große Banken bei der Manipulation wichtiger Referenzzinssätze wie Libor oder Euribor erwischt wurden, hatte dies nicht nur Milliardenstrafen für die Geldhäuser zur Folge, es verloren auch mehrere Banker ihren Job, einige wurden zu Haftstrafen verurteilt. Allein die Deutsche Bank zahlte dafür 2015 rund 2,5 Milliarden Dollar an britische und amerikanische Aufsichtsbehörden.

Neue Verordnungen sollen solche Kartelle, die letztlich zulasten von Bankkunden gehen, seither verhindern. Aber werden die Regeln auch eingehalten? Die Finanzaufsicht Bafin hat offenbar Zweifel und der Deutschen Bank nun ein Bußgeld von 8,66 Millionen Euro auferlegt. Deutschlands größtes Geldhaus habe die in der EU-Verordnung vorgegebenen Maßnahmen, die eine Manipulation des Referenzzinses Euribor verhindern sollen, zeitweise nicht wirksam umgesetzt, teilte die Bonner Behörde am Mittwoch mit. Am Euribor orientieren sich etwa die Zinsen für Immobilienkredite. Von ihm hängen unzählige Geschäfte im Volumen von Hunderten Billionen Euro ab. Der Referenzzins basiert auf Konditionen, zu denen sich europäische Banken untereinander Geld leihen. Er wird auf Grundlage der Meldungen mehrerer Banken berechnet.

Das Bußgeld betreffe die Kontrollen für die Berechnungsmechanik des Euribor, teilte die Bank mit. Anhaltspunkte für fehlerhaften Referenzwert-Meldung habe es nicht gegeben. "Die Deutsche Bank hat erste Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Kontrollen mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abgestimmt und bereits umgesetzt." Das Geldhaus werde gegen den Bescheid nicht vorgehen. Der Aktienkurs des Instituts gab am Donnerstag um mehr als ein Prozent nach.

Die höchste je verhängte Strafe für einen Einzelverstoß

Im Vergleich zu den Milliardenstrafen angelsächsischer Behörden wirkt die Höhe des Bußgeldes zwar gering, für Bafin-Verhältnisse ist es jedoch viel. "Das ist die höchste Geldbuße, die die Bafin jemals für einen Einzelverstoß verhängt hat und daher wirklich ein Quantensprung", sagt Bankenexperte Thorsten Voß von der Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei Schalast. 2015 hatte die Bafin der Deutschen Bank 40 Millionen Euro Bußgeld auferlegt, damals ging es allerdings um insgesamt 882 zu spät eingereichte Geldwäsche-Verdachtsmeldungen, also einen ganzen Strauß an Verstößen. Voß sieht die Maßnahme als Zeichen, dass sich die Bafin auch an die großen Institute mit großen Themen herantraue, wobei die Prüfung offenbar schon vor Amtsantritt des neuen Bafin-Chefs Mark Branson begonnen hat. Der Brite hatte die Behörden-Leitung im Sommer übernommen und soll die Aufsicht nach dem Debakel um den Pleite-Konzern Wirecard reformieren.

Welche Führungskräfte für die Systemfehler und die damit einhergehende Strafe verantwortlich sein könnten, dazu äußerten sich weder die Bafin noch die Deutsche Bank. Dem Vernehmen nach betreffen die beanstandeten Unzulänglichkeit den Zeitraum 2019 und 2020. Die Steuerung der Systeme lag im Verantwortungsbereich des Handelsgeschäfts innerhalb des Investmentbankings, wofür bis Frühjahr 2021 in der obersten Führungsebene Konzernchef Christian Sewing verantwortlich war. Ebenfalls damit befasst gewesen sein dürfte Ram Nayak, Co-Chef der Investmentbank. Spannend werde sein, ob die Bank dafür Manager in Regress nehme, sagte Voß.

Eigentlich will die Bank die Zeit der großen Skandale längst hinter sich gelassen haben

Sewing hatte die Verantwortung für den wichtigsten aber auch kompliziertesten Geschäftsbereich des Geldhauses im Frühjahr nach monatelangem Druck der Aufseher abgegeben. Auch Finanzvorstand James von Moltke kennt sich mit dem Thema Euribor aus. Seit Sommer leitet er eine von der EZB ins Leben gerufene Arbeitsgruppe zur Reform der europäischen Zinssätze.

Die Zeit der großen Skandale will die Deutsche Bank längst hinter sich gelassen haben, gleichwohl eckt das Geldhaus auch heute immer wieder an. Erst vor wenigen Wochen hatte das als äußerst unnachgiebig bekannte US-Justizministerium Department of Justice (DOJ) dem Frankfurter Geldhaus mitgeteilt, dass es gegen einen Anfang 2020 geschlossenen Vergleich verstoßen haben könnte. Bei dem Vergleich ging es um zweifelhafte Beraterverträge, welche die Bank vor Jahren in mehreren Ländern abgeschlossen hatte, um an Geschäfte zu gelangen.

Der Vergleich mit den Amerikanern hatte vorgesehen, dass die Bank interne Beschwerden von leitenden Angestellten melden muss. Nur wenige Wochen nach dem Vergleich allerdings hatte es die Bank versäumt, eine interne Beschwerde der früheren Nachhaltigkeitschefin ihrer Fondstochter DWS über möglicherweise falsche Klassifizierung von Öko-Fonds an die US-Strafverfolger weiterzuleiten. Das Ministerium hatte von den Vorgängen dem Vernehmen nach erst aus der Zeitung erfahren und untersucht die Vorwürfe seither zusammen mit der US-Börsenaufsicht SEC - ein mehr als peinlicher Lapsus.

Zuvor war bekannt geworden, dass die Bank in Spanien möglicherweise problematische Währungsderivate an Unternehmenskunden verkauft hatte. Unter dem Projektnamen "Teal" hatte das Geldhaus bestimmte Geschäfte im Investmentbanking untersucht, nachdem sich im vergangenen Jahr Kunden beschwert hatten. Die spanische Hotelkette Palladium hat die Deutsche Bank unlängst in diesem Zusammenhang auf Schadenersatz von 500 Millionen Euro verklagt, wobei allerdings noch offen ist, was dabei herauskommt.

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