Süddeutsche Zeitung

Bad Bank:Der Bilanz-Mülleimer der Deutschen Bank

Das Investmentbanking? Brummt offenbar. Die Aktionäre? Halbwegs zufrieden. Die Deutsche Bank sieht sich auf dem Weg der Genesung. Wäre da nicht: die Bad Bank.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Es wird Hoffnung mitschwingen, wenn die Deutsche Bank diesen Mittwoch über das dritte Geschäftsquartal berichtet - darauf, dass das 150 Jahre alte Geldhaus gesundet, dass der im Sommer 2019 angestoßene, abermalige Umbau zum Erfolg führt und die Corona-Krise das Institut halbwegs verschont.

Das Investmentbanking? Brummt offenbar. Die Aktionäre? Halbwegs zufrieden. Corona-Kreditausfälle? Halten sich in Grenzen. Zudem erfreut den Marktführer insgeheim, dass sich der Rivale Commerzbank eine Führungskrise leistete - nach schmachvollen Jahren sind jetzt die "Gelben" Frankfurts Krisenbank Nummer eins.

Gestört wird die Idylle freilich von einem merkwürdigen Bilanz-Mülleimer namens "Bad Bank". Aufgestellt im Sommer 2019, hat die Bank dort Wertpapiere versenkt, die ursprünglich von den Investmentbankern gehandelt wurden. Auch das Aktiengeschäft schlummerte dort. In diesem Mülleimer liegen die Papiere nun und sollen das Kerngeschäft entlasten. Es geht nicht um Peanuts: In die Bad Bank wanderten Wertpapiere von 250 Milliarden Euro, was der Bilanzsumme einer Landesbank entspricht.

Um faule Kredite kümmern sich Spezialisten. Sie bündeln sie und verkaufen das Paket an Investoren

Bekannt ist der Begriff Bad Banks von der gleichnamigen Fernseh-Serie, wo er für das Schlechte im Finanzgeschäft steht. In der Fachsprache stehen Bad Banks für die Auslagerung fauler Kredite: Sobald Banken von der Last fauler Kredite erdrückt werden, kümmern sich Spezialisten um den Bilanzschrott. Sie bündeln ihn, verkaufen ihn an Investoren, befreien Banken so von Risiken und entlasten im Idealfall ihr Eigenkapital. Für faule Kredite müssen sie viel Eigenkapital zurücklegen. Eine Bad Bank ist sinnvoll, wenn die Verluste daraus nicht total ausufern, wenn also unter dem Strich noch Eigenkapital in der Bilanz frei wird.

Das alles ist nicht einfach zu verstehen, aber wichtig, um einschätzen zu können, wo die Deutsche Bank wirklich steht. Immerhin, mit Bad Banks kennen sie sich aus in Frankfurt. Es gab schon einmal einen solchen Bilanz-Mülleimer, 2017 wurde er abgeschafft. Jetzt ist er wieder da - und verstellt wohl den Blick auf den Zustand der Bank. Denn zugleich lässt die Übung auch das Investmentbanking heller erstrahlen, woher die meisten der verlustreichen Papiere stammen - schließlich sieht jedes Zimmer aufgeräumter aus, wenn der Müll im Eimer steckt. Und umso besser das Investmentbanking dasteht, umso mehr Boni können die Investmentbanker einfordern.

Andererseits: So, wie es bislang läuft, verfehlt die Bad Bank offenbar ihren offiziellen Auftrag. Denn der war natürlich nicht, Boni für Investmentbanker zu ermöglichen, sondern Eigenkapital freizusetzen - weswegen die Bank den Mülleimer "Capital Release Unit" nennt, "Kapital-Freisetzungs-Einheit". Das Wort "Bad Bank" hören sie nicht gern. Es gehe, so hatte Konzernchef Christian Sewing 2019 gesagt, nicht um Schrott, sondern um "Qualitäts"-Papiere mit teils kurzer Laufzeit sowie um Geschäfte, die die Bank aufgebe, etwa das Aktiengeschäft. Der Verkauf solle bis 2022 fünf Milliarden Euro überschüssiges Kapital erzeugen, welches an die Aktionäre ausgeschüttet werde.

Eigentlich müssten die Aktionäre auf die Barrikaden gehen

Bloß: Die angeblichen Qualitäts-Papiere verursachen gigantische Verluste - von 2019 bis 2022, wenn die Bad Bank wieder geschlossen werden soll, enorme neun Milliarden Euro, wie Analysten schätzen und sich aus den Zahlen der Bank herauslesen lässt. Aus einer Präsentation von Dezember 2019 geht zudem hervor, dass die "Kapital-Freisetzungs-Einheit" zwar kein zusätzliches Kapital verschlingt, aber eben auch keines "freisetzt", weil ihre Verluste schlichtweg so groß sind. Hält die Bank an dem Ziel fest, dass allein die Abwicklung fünf Milliarden Kapital freisetzt? Man stehe dazu, den Aktionären ab 2022 fünf Milliarden Euro zurückzugeben, sagte ein Sprecher dazu lediglich. Die Bank habe dann eben ein risikoärmeres Geschäftsmodell, benötige weniger Kapital.

Eigentlich müssten die Aktionäre auf die Barrikaden gehen. Tatsächlich aber ist es schwer, von ihnen eine Einschätzung zu bekommen - vielleicht, weil sie schon zu oft enttäuscht wurden. Analysten anderer Banken scheuen oft davor zurück, sich kritisch zu äußern. Ein angelsächsischer Analyst, der anonym bleiben will, räumt ein, der "Markt" habe den Versprechen von Beginn an nicht geglaubt; zudem seien Corona und Kreditausfälle derzeit wichtiger.

Auskunftsfreudiger ist Dieter Hein, freier Analyst und langjähriger Kenner der Bank. "Es ist immer das gleiche Spiel", meint Hein. "Sie schieben die schlechten Geschäfte in eine Bad Bank. Damit sieht das Investmentbanking gut aus, die Boni sind gesichert." Die Bank sagt dazu, es sei üblich, abzuwickelnde Geschäfte zu bündeln. Man sei sehr zufrieden, die Abwicklung komme voran.

Verschiebt die Bank Verluste und Kosten? Dazu will sich das Institut nicht äußern

Woher die Verluste in der Bad Bank genau kommen, ist von außen indes kaum zu beurteilen. In Präsentationen der Bank finden sich aber Hinweise: Anstatt wertvoller zu werden, verursachen die Wertpapiere durch Marktschwankungen, beim Verkauf oder durch die Absicherungskosten jährlich "negative Erträge" von 200 bis 400 Millionen Euro. Hinzu kommen zwei bis drei Milliarden Euro an Kosten. Wofür genau ist unklar, aber sie entsprechen rund zehn Prozent der Konzernkosten, obwohl die Bad Bank gerade einmal 1,4 Prozent aller Mitarbeiter beschäftigt. Verschiebt die Bank Verluste und Kosten? Dazu will sich das Institut nicht äußern. Ein Sprecher sagte: Die Verluste fielen in erster Linie nicht durch den Verkauf der Vermögenswerte an, sondern vor allem durch die Kosten von Plattformen, die weiter betrieben werden müssten.

Rund ein Drittel der Bad-Bank-Bilanz stammt zudem aus dem Anleihehandel, auch heute noch der wichtigste Teil des Investmentbankings der Bank. Noch dazu handelt es sich nicht etwa um Altlasten, sondern um Geschäfte aus den Jahren, als Sewings Vorgänger John Cryan die Führung übernommen und ebenfalls ein "risikoärmeres" Geschäftsmodell versprochen hatte. Schließlich hatte es zuvor schon eine Bad Bank gegeben. Ein Sprecher will sich zum zeitlichen Ursprung der Geschäfte nicht äußern. Ein Konzern-Insider sagt: "Diese Transaktionen haben in einer Bad Bank nichts zu suchen, denn es handelt sich um Wertpapiere, nicht um komplizierte Immobilien-Kredite oder ähnliches. Sie sollten vom verantwortlichen Händler abgewickelt werden."

Attraktiv wäre das freilich nicht. Schließlich erhalten Händler einen Teil ihrer Boni erst später und nur dann ausgezahlt, wenn sich ein Geschäft im Nachhinein nicht als verlustreich erweist. Ist es so? Die Bank wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob wegen der Bad-Bank-Verluste auch Boni einbehalten oder zurückgezahlt wurden.

Auch da geht es nicht um Peanuts. Allein 2019 verdienten immer noch 583 Mitarbeiter der Bank mehr als eine Million Euro im Jahr. Und klar ist auch: Brummt das Investmentbanking 2020 weiter wie bislang, werden die dortigen Mitarbeiter abermals einen fetten Bonus einfordern. Um den Bilanzschrott, den sie in der Vergangenheit produziert haben, dürfen sich andere kümmern.

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