Deutsche Bank:Am Limit

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Der Aktienkurs auf Rekordtief, das Rating herabgestuft, Ärger mit den US-Aufsehern: Die Deutsche Bank im Dilemma. Viele Mitarbeiter haben die schlechten Nachrichten satt. Vorstandschef Sewing versuchte am Freitag, die Mitarbeiter zu beruhigen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Jetzt heißt es dringend Ruhe bewahren bei Deutschlands größter Bank. "Viele von Ihnen haben die schlechten Nachrichten satt. Mir geht es genauso", schrieb der neue Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing am Freitagmorgen an die 97 000 Mitarbeiter. Es gebe aber keinen Grund, "den Kopf hängen zu lassen". Auf Konzernebene "stehe die Finanzstärke außer Frage". Die Kredit- und Marktrisiken seien so gering wie selten. Auch die politische Unsicherheit in Italien sei verkraftbar. Spekulationen, es drohten dadurch "erhebliche Belastungen" seien "vollkommen unbegründet."

Sewing blendet in seinem Brief die Probleme nicht aus, nur für ihn sind sie eben keine Gründe, den Kopf hängen zu lassen. Am Freitag senkte die US-Ratingagentur S&P die Bonitätsnote der Bank. Keine 24 Stunden zuvor war auch bekannt geworden, dass die US-Bankenaufseher das dortige Geschäft der Deutschen Bank zu einem "Problemfall" erklärt und sie nun auch noch auf eine Liste mit "Problembanken" gesetzt haben. Die Sache selbst liegt zwar bereits ein Jahr zurück. Außerdem scheinen weniger eine dünne Kapitalausstattung das Problem zu sein, sondern unzulängliche interne Kontrollen. Die Entscheidung ist trotzdem brisant. Der Aktienkurs fiel daraufhin auf 9,16 Euro - ein Allzeittief. Gegenüber dem Allzeithoch von fast hundert Euro, erreicht vor Ausbruch der Finanzkrise, hat sich der Aktienkurs inzwischen gezehntelt.

Trotz Kritik: Die Ratingagentur lobt die hohen Kapital- und Liquiditätsreserven der Bank

Die Herabstufung durch die Ratingagentur ist ein weiterer herber Rückschlag. Bis zuletzt hat die Bank versucht, S&P davon abzubringen. Die Bonitätswächter jedoch führen die Risiken des weiteren Konzernumbaus an. Sewing will 7000 Stellen streichen und das Investmentbanking verkleinern. Das klingt gut, kostet aber auch Erträge. Die Deutsche Bank bleibe daher für einige Zeit "ein negativer Ausreißer", verdiene zu wenig Geld. Konkurrenten wie die Commerzbank oder die Credit Suisse seien bereits weiter mit den Aufräumarbeiten, so S&P.

Mit "BBB+" liegt die Bank (oder besser deren "langfristiges Emittentenrating") nun zwar immer noch im Bereich guter Schuldner, die Note aber ist zwei bis drei Stufen schlechter als die vieler Konkurrenten. Und sie liegt nur noch drei Stufen über dem gefürchteten Ramschniveau, ab dem viele Profikunden keinerlei Geschäfte mehr mit einer Bank machen. Die Kreditwürdigkeit des Instituts ist damit so schlecht bewertet wie nie. In den Neunzigerjahren genoss das Geldhaus stets ein Spitzenrating, galt also als genauso solvent wie die Bundesrepublik Deutschland.

In jedem Fall hat die Herabstufung Folgen: Zwar muss die Bank nun nicht zwingend höhere Zinsen zahlen. An den Finanzmärkten mangelt es derzeit nicht an Liquidität. Große Kunden aber orientieren sich bei der Wahl ihrer Bank auch am Rating, weswegen das ohnehin gebeutelte Geldhaus weiter Marktanteile verlieren dürfte; allein durch die schlechtere Note. Das wiederum könnte die Ratingnote weiter verschlechtern - ein Teufelskreis, der irgendwann die Geschäftsgrundlage bedroht.

Einen Lichtblick immerhin gibt es: S&P äußerte sich zuversichtlich, dass das Management den Umbau nun "mit Nachdruck umsetzen" und "das längerfristige Ziel eines stabileren und besser funktionierenden Geschäftsmodells erreichen wird". Der Ausblick ist außerdem "stabil" und nicht "negativ", was darauf schließen lässt, dass die Frankfurter die Note mittelfristig verbessern können. Außerdem lobten die Bonitätswächter die Kapital- und Liquiditätsreserven des Konzerns.

Dennoch wurden in den vergangenen Tagen Erinnerungen wach an jene große Krise der Deutschen Bank im Herbst 2016. Damals wie heute war durch Berichte des Wall Street Journal herausgekommen, welche Pläne US-Behörden mit dem Geldhaus haben. Seinerzeit ließen Berichte den Aktienkurs unter zehn Euro sacken, das US-Justizministerium wolle der Bank eine Horrorstrafe von 14 Milliarden Dollar für krumme Geschäfte aus der Finanzkrise aufbrummen. Viele Kunden suchten das Weite. Zwar fiel die Strafe am Ende niedriger aus, die Bank jedoch erholte sich nie mehr richtig davon. Auch eine Kapitalerhöhung half nur kurzzeitig. In einer Hauruckaktion ersetzte der Aufsichtsrat im April Vorstandschef John Cryan durch den Christian Sewing.

An dem 48-jährigen Westfalen hängt es nun, eine weitere Erfahrung dieser Art zu verhindern. Die Finanzmärkte hat Sewing dabei nicht unbedingt auf seiner Seite: Die Versicherungsprämien, mit denen sich Anleger gegen eine Pleite der Bank absichern können, sind bereits deutlich gestiegen. Internationale Hedge-Fonds wetten wieder mit steigendem Einsatz auf einen Aktieneinbruch. Immerhin am Freitag kehrte ein wenig Ruhe ein: Der Aktienkurs legte zur Abwechslung sogar einmal deutlich zu.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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