Deutsche Bank:Aktionäre wüten gegen Deutsche-Bank-Chefs

  • Auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank steht die Chefetage unter Druck.
  • Aktionäre fordern mehr Aufklärung über vergangene Skandale sowie Klarheit über die künftige Strategie der Bank.

Von Andrea Rexer und Meike Schreiber, Frankfurt

Mit Putzlappen in den Händen betreten so manche Aktionäre die Frankfurter Festhalle. Die Aktivisten von Urgewald haben sie am Eingang zur Hauptversammlung der Deutschen Bank verteilt. Einen Großputz hat das Institut dringend nötig, meinen die Kritiker. Denn wie kaum eine andere Bank ist das Haus in Skandale verstrickt, die nach der Finanzkrise ans Licht kamen.

Das Empfangskommando am Eingang zur Frankfurter Messehalle ist nicht die einzige unangenehme Überraschung für Chefkontrolleur Paul Achleitner und den Vorstandschef John Cryan bei dieser Hauptversammlung. Die Investoren sind wütend, der Aktienkurs dümpelt um die 15 Euro - in den besten Jahren war das Papier mehr als 100 Euro wert. Allein im vergangenen Jahr ist der Kurs um die Hälfte gefallen. Und dann auch noch der Verzicht auf eine Dividende.

Schon in seinem Brief an die Aktionäre hatte Vorstandschef John Cryan erklärt, wie er die Bank sanieren will. Er will Jobs streichen, Filialen schließen, die Tochter Postbank verkaufen und sich auf das Kerngeschäft der Bank - die Unternehmenskunden - konzentrieren. Doch das reicht den Aktionären nicht. "Eine Sanierung alleine hilft dem Aktienkurs nicht groß weiter. Wenn irgendwann wieder Licht am Ende des Tunnels erkennbar wird, erwarten wir von Ihnen auch eigene strategische Impulse zur Weiterentwicklung der Bank", sagt etwa Ingo Speich von UnionInvest, stellvertretend für viele private Anleger. Und Klaus Nieding wettert: "Warum nur in aller Welt soll ich mir unsere Aktie zu einem Ramschpreis von unter 15 EUR kaufen, vom Zweck der Eintrittskarte für die heutige unterhaltsame Veranstaltung zu kleinem Geld mal abgesehen?"

Wie will die Deutsche Bank künftig Geld verdienen?

Die Aktionäre erwarten konkrete Antworten vom Vorstand, wie die Bank künftig Geld verdienen will. Deswegen betont Co-Chef Jürgen Fitschen, dass sich die Bank im Tagesgeschäft gut geschlagen habe: "Wir haben Erträge von 33,5 Milliarden Euro erwirtschaftet - das ist der zweithöchste Wert der vergangenen Dekade." Immer wieder wird Fitschen von wütenden Zwischenrufen von Aktionären unterbrochen, als er vom Kulturwandel und den Werten der Bank spricht.

Für Fitschen ist es die letzte Hauptversammlung, ab diesem Donnerstag ist John Cryan der alleinige Vorstandschef. Er gehe mit Wehmut nach drei Jahrzehnten im Dienste der Bank, sagte er. Sein Weggang ist auch eine Spätfolge der Hauptversammlung im vergangenen Jahr. Damals kam es zum Eklat: Die Doppelspitze Jain/Fitschen wurden mit nur 60 Prozent entlastet, ein klares Misstrauensvotum. Zwei Wochen später nahm Co-Vorstandschef Anshu Jain seinen Hut, Fitschen durfte noch ein Jahr bleiben.

Ab diesem Tag ist John Cryan der alleinige Vorstandschef. Er darf mit einem Vertrauensvorschuss rechnen. Der Brite ist kein Gewächs der Deutschen Bank, sondern kam erst 2013 zum Institut, zunächst als Aufsichtsrat, im Juli 2015 übernahm er den Vorstandsvorsitz. Gleich zu Beginn seiner auf Deutsch gehaltenen Rede stellt er klar, dass er sich "falsch verstanden" sieht, wenn man ihn ausschließlich als "Aufräumer" bezeichnet. "Wir, dieses Team hier vorne, werden mit Rückendeckung des Aufsichtsrats die Deutsche Bank wieder auf die Wachstumsstraße bringen", betont Cryan.

In den vergangenen Monaten hat er das Führungsgremium der Bank umgebaut, nur einer aus der alten Riege durfte bleiben. Das sehen die Investoren mit Genugtuung. Aktionärsvertreter signalisierten schon im Vorfeld, dass sie alle neuen Vorstandsmitglieder entlasten werden - im Gegensatz zu den alten Vorstandsmitgliedern, denen einige die Entlastung verweigern wollen. Die Stimmen werden erst am späten Abend ausgezählt sein.

Achleitner will weitermachen - doch kaum eine Hand rührt sich

Die Zukunft ist das eine - die Vergangenheit das andere hitzige Thema. Satte 12,7 Milliarden Euro zahlte die Bank seit 2012 für Rechtsstreitigkeiten. Eine enorme Summe - und noch immer ist kein Ende in Sicht. Der jüngste Fall ist ein Geldwäsche-Skandal in Russland, bei dem niemand verlässlich einschätzen kann, wie teuer er die Bank zu stehen kommen wird.

Kein Wunder also, dass sich die Aktionäre für dieses Thema besonders interessieren. Auf Antrag einer Aktionärin werden die Anteilseigner nun darüber abstimmen, ob sie vier Sonderprüfungen durchsetzen wollen. Geprüft werden soll unter anderem, ob die Deutsche Bank in der Affäre um Zinsmanipulationen eine höhere Strafe bezahlen musste, weil Vorstände und Aufsichtsräte nicht ordentlich mit den britischen Aufsichtsbehörden zusammengearbeitet haben.

Genau dieses Thema hatte in den vergangenen Wochen im Aufsichtsrat einen großen Streit ausgelöst. Georg Thoma, ausgerechnet jener Aufsichtsrat, den Paul Achleitner ins Gremium geholt hatte, stellte die hartnäckigsten Fragen, forderte immer mehr Untersuchungen - bis ihm Kollegen im Aufsichtsrat öffentlich "Übereifer" attestierten. Thoma legte sein Mandat nieder, bei der Hauptversammlung zeigt er sich nicht, er lässt sich entschuldigen. Aufsichtsratschef Achleitner zeigt sich angesichts des Vorfalls kleinlaut und entschuldigte sich für die öffentlichen Streitereien: "Mir persönlich tut diese Entwicklung besonders leid."

Den öffentlichen Spekulationen, ob er noch der Richtige für den Job sei, trat der Aufsichtsratschef scharf entgegen: "Ich stehe zu meiner Pflicht und Verantwortung", sagt Achleitner und betont, dass er sich "auch wieder hier hinstellen würde, wenn dieses Jahr eine Wiederwahl anstünde." Doch der Applaus an dieser Stelle bleibt äußerst dünn. Die Zufriedenheit mit Achleitner ist alles andere als groß, vielmehr überwiegt die Einschätzung, dass es die Bank weiter destabilisieren würde, wenn es nun auch noch Wechsel im Aufsichtsrat gäbe.

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