Deutsche Bank:Ackermann - der Krisengewinner

Kaum ein Manager hat so viel öffentlichen Zorn provoziert wie Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank. Passend zur Jahresbilanz und seinem 60. Geburtstag profiliert er sich als gefragter Mahner und Macher.

Martin Hesse

Die Bodyguards vor der Tür lächeln entspannt. Ihre gebräunten Gesichter passen nicht zu dem eisigen Wind, der die mit Bankhochhäusern gesäumte Taunusanlage herunterrollt und einen ausgiebigen Winterregen ankündigt. Die Villa Sander aber, ein neoklassisches Schmuckkästchen im Schatten der Zwillingstürme der Deutschen Bank, ist warm ausgeleuchtet. Ein kleiner Raum, makelloses Parkett, antike Möbel und ein dekoratives Zigarrentischchen bilden die Bühne für Josef Ackermann.

Deutsche Bank: Für Deutsche-Bank-Chef Ackermann beginnt bald eine neue Ära, spätestens 2010 tritt er ab.

Für Deutsche-Bank-Chef Ackermann beginnt bald eine neue Ära, spätestens 2010 tritt er ab.

(Foto: Foto: AP)

Dann tritt der Chef der Deutschen Bank durch die Tür, reibt kurz die Hände ineinander, als wolle er die unwirtliche Welt draußen abstreifen. Der dunkelblaue Anzug sitzt perfekt, die schwarz-grauen Haare sind wie immer akkurat zur Seite gescheitelt. Alles hier scheint zu sagen: Bei uns ist die Welt in Ordnung. Da mag draußen an den Finanzmärkten ein Sturm toben, aber ich, Josef Ackermann, und meine Deutsche Bank, wir sind ein Hort der Stabilität und Verlässlichkeit.

Er hat diese Botschaft oft wiederholt in den vergangenen Monaten und mit Bekenntnissen zu Deutschland kombiniert. Und er wird es auch am Donnerstag tun. Dann zieht er Bilanz über die Deutsche Bank im Krisenjahr 2007 und damit auch ein Stück weit über sein Lebenswerk. Denn dieser 7. Februar ist zugleich Ackermanns 60. Geburtstag, und er leitet die letzte Phase seiner Ära ein. 2010 tritt er ab, spätestens 2009 wird die Bank die Weichen für seine Nachfolge stellen. Wieder einmal geht es also um die Frage, wie die Deutschen eines Tages über ihn und seine Leistung bei der Deutschen Bank urteilen werden, die in diesem Land einen so hohen Symbolwert hat.

Von Rekord zu Rekord

Jahrelang schien Ackermanns Verhältnis zu Deutschland aus lauter Missverständnissen zu bestehen. Er richtete die Deutsche Bank auf die Globalisierung aus - man legte es ihm als Abkehr von Deutschland aus. Er erzielte mit der Bank Rekordgewinne, baute trotzdem Stellen ab. Man kritisierte ihn für sein hohes Gehalt, er verwies auf noch höhere Vergütungen im Ausland.

Doch ausgerechnet jetzt, in der schwersten Bankenkrise seit Jahrzehnten, erfährt Ackermann die Anerkennung, die er immer wollte und nur selten bekam. Plötzlich steht er als erfolgreicher Krisenmanager da, wird von der Politik hofiert und von den Medien für seine Erfolge gefeiert. Als Mensch jedoch - so wirkt es - ringt Ackermann noch mit den Klischees der Vergangenheit. Deshalb bietet er nur glatte Oberfläche, um sich nicht wieder angreifbar zu machen.

Ackermann - der Krisengewinner

An diesem Abend in der Villa Sander sitzt er aufrecht auf seinem Stuhl, die Mimik kontrolliert, die Hände ruhen vor ihm auf dem Tisch. Vor genau vier Jahren hat er eine dieser Hände gehoben und Zeige- und Mittelfinger zum V gespreizt. Ein Fotograf hielt diese Geste im Düsseldorfer Landgericht fest, wo die von Ackermann und anderen Aufsichtsräten gewährte Millionen-Prämie für den damaligen Mannesmann-Chef Klaus Esser verhandelt wurde. Ackermanns Victory-Zeichen wurde zur Ikone der Kapitalismuskritik in Deutschland - und der Schweizer an der Spitze der Deutschen Bank zu ihrer Symbolgestalt.

Deutsche Bank: Ein Foto, das Geschichte schrieb: Ackermann und das Victory-Zeichen im Gericht.

Ein Foto, das Geschichte schrieb: Ackermann und das Victory-Zeichen im Gericht.

(Foto: Foto: dpa)

"Ich habe alles gegeben"

Es sind diese beiden Bilder - jenes vom arroganten Turbokapitalisten, der Deutschland nicht versteht, und das vom bewunderten Krisenmanager mit Herz für Deutschland - zwischen denen irgendwo der Mensch Josef Ackermann zu finden ist. Doch weil er alles daransetzt, das eine, das Negativ-Image, abzuschütteln, mag man ihm das andere nicht ganz abnehmen. "Ich habe meine besten Jahre hier verbracht und alles gegeben", sagt er. Doch oft klingt es einstudiert, wenn er von den tollen Leuten in diesem weltoffenen Land spricht, wo er sich viel stärker verankert fühle, als man ihm immer unterstelle. Es heißt, seine Berater hätten ihm sogar beigebracht "wir" zu sagen, wenn er über Deutschland spricht.

Jetzt spricht Ackermann erst einmal über die Schweiz. Wie er aufwuchs in Mels im Kanton Sankt Gallen auf der anderen Seite des Bodensees. Wie sie dort deutschen Fußball und die deutsche Politik verfolgt haben. Und wenn er erzählt, wie seine Familie sonntags Werner Höfers "Internationalen Frühschoppen" im Fernsehen sah, dann wird plötzlich glaubwürdiger als bei allen Standortbekenntnissen, dass Deutschland dem Schweizer Ackermann früh etwas bedeutet hat. Man erfährt aber auch, dass die behütete Kindheit in den Schweizer Bergen ihm eine Art Gottvertrauen gegeben hat, die ihn später auch durch schwierige Phasen getragen hat. "Ich hatte schon als Kind das Gefühl, immer aufgefangen zu werden, von der Familie, von Freunden."

Prozess-Einstellung kam Befreiung gleich

Ackermann räumt ein, dass das Ende des zweiten Mannesmann-Prozesses - der gegen Geldauflagen eingestellt wurde - eine Befreiung für ihn war. Wie er an den Verfahren gelitten haben muss, merkt man daran, wie lange er an diesem Thema hängenbleibt. Dieser Prozess, den er als ungerecht empfand, hätte sein Lebenswerk zerstören können, wäre er verurteilt worden. Seitdem er vorbei ist, kommt einiges zusammen: Die Bank eilt von Rekord zu Rekord, baut Personal auf, während andere kürzen, zugleich erlebt die Wirtschaft einen Aufschwung. Zum ersten Mal seit langem scheinen Deutschland und die Deutsche Bank sich im Einklang zu entwickeln.

Ackermann - der Krisengewinner

Ackermann tritt jetzt gelöster auf, gleichzeitig beginnt er, an seinem Image zu arbeiten. Er trennt sich von seinem britischen Kommunikationschef Simon Pincombe, der wohl die Bedürfnisse der Investoren, aber nicht der deutschen Öffentlichkeit verstand, und ersetzt ihn durch den ehemaligen Chefredakteur der Wirtschaftswoche Stefan Baron. Manche sagen, Baron sei der wahre Grund für Ackermanns neues Image. Da ist etwas dran. Doch geholfen hat ihm ausgerechnet die Kreditkrise, in der sich Ackermann als Mahner und Macher profiliert hat.

Mit der Arroganz des Erfolgs

Wenn Ackermann darüber spricht, klingt das erst einmal nicht so. Er bezeichnet die Kreditkrise als schwierigste Phase seines beruflichen Lebens. Und einen Moment lang kann man das in seinem Gesicht ablesen. Da wirkt er abgekämpfter und ein bisschen grauer als sonst.

Mehr als 100 Milliarden Dollar hat die Krise schon aus den Bilanzen der Banken radiert. In Deutschland bewahrten milliardenschwere Rettungsaktionen die Mittelstandsbank IKB und die sächsische Landesbank vor dem Zusammenbruch. Immer wieder hat Ackermann in den vergangenen Wochen gewarnt, die Krise sei noch lange nicht ausgestanden, die Banken müssten noch viele Verluste offenlegen. Sein eigenes Haus hat er dabei immer ausgeklammert und signalisiert, da werde es auch an diesem Donnerstag keine bösen Überraschungen geben.

Aber für ihn sind Krisen nicht nur Bedrohung, sondern auch eine Herausforderung. "Die Makroökonomen sind in dieser Krise zu den besseren Urteilen gekommen", ist so ein typischer Ackermann-Satz. Er legt die große Lupe auf das Problem, seziert es mit dem Blick eines Wissenschaftlers. Die Distanz, die er oft im persönlichen Umgang ausstrahlt, hilft ihm hier. "Ich habe Krisen immer auch als Chancen gesehen", sagt Ackermann. Das heiße nicht, dass er Krisen herbeiwünsche. Aber sie ziehen sich wie ein roter Faden durch seinen Aufstieg als Banker, und fast immer ging er persönlich als Gewinner daraus hervor. Eine Mischung aus Ehrgeiz und dem richtigen Instinkt helfen ihm dabei.

So war es schon, als er 1977 im Alter von 29 Jahren seine Karriere als Trainee bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) begann, der heutigen Credit Suisse. Er war erst vier Wochen bei der SKA, als ein Betrugsfall die Bank in eine existenzielle Krise stürzte. Die Führung wurde verjüngt, und Ackermann stieg zum Assistenten des Generaldirektors Robert Jeker auf, den er 15 Jahre später als zweiter Mann im Konzern beerbte.

Das Muster setzt sich fort, als Ackermann Ende 1996 in den Vorstand der Deutschen Bank wechselt. Hier zeigt er - erneut in einer Krisensituation - eine weitere Qualität: Er versteht es, Leute an sich zu binden und gegenseitig Vertrauen aufzubauen. Als ein Team um die wichtigsten Investmentbanker des Hauses, Edson Mitchell und Anshu Jain, die Bank zu verlassen droht und damit der mühsam aufgebauten Geschäftsbereich auf dem Spiel steht, verschafft Ackermann den Investmentbankern mehr Einfluss in der Bank und sich selbst eine Hausmacht. Sie hilft ihm, 2002 ganz an die Spitze der Deutschen Bank zu rücken. Und wieder beginnt er eine neue Aufgabe in einer krisenhaften Phase: Der Crash nach der Jahrtausendwende hat Aktienkurs und Gewinn der Deutschen Bank zusammenschmelzen lassen.

Ackermann - der Krisengewinner

Seitdem hat die Bank den Gewinn verzwanzigfacht, den Kurs zeitweise verdreifacht. Und Ackermann ist endlich da, wo er hinwollte: An der Spitze einer Bank, die sich im globalen Wettbewerb messen kann. "Die Erfolge der Bank haben Ackermann sehr viel Selbstvertrauen gegeben", sagt der Deutschlandchef einer ausländischen Großbank.

Eine Kostprobe davon hat Ackermann mitten in der Kreditkrise im Herbst 2007 gegeben. Zu ihrem 50. Jubiläum war der Festsaal der Frankfurt School of Finance bis auf den letzten Platz gefüllt. Hier, umgeben von ehrgeizigen Studenten, die an seinen Lippen hängen, fühlte Ackermann sich sicher. So sicher, dass ein wenig von jener Mischung aus Überheblichkeit und Oberlehrerattitüde aufgeblitzt ist, die man ihm in den Jahren der Mannesmann-Prozesse vorwarf. "Ich weiß, dass die meisten gekommen sind, um etwas über die Förderbank zu hören", eröffnete er ironisch und blickte lachend von seinem Pult auf Ingrid Matthäus-Maier herunter, die Chefin eben dieser Förderbank KfW. Es folgte ein selbstbewusster Vortrag über die Deutsche Bank, die Krise und wie andere Banken damit umgehen sollten.

Kommunen fühlen sich falsch beraten

Nicht überall in der Branche kommen Ackermanns Empfehlungen gut an. Manch einer hält sie für verlogen. Es spielten sich diejenigen als Ratgeber für Brandschutz auf, die vorher das Brennholz aufgestapelt hätten, sagte Sparkassenpräsident Heinrich Haasis nach der Beinahe-Pleite der IKB Bank. Und Kommunen überziehen die Deutsche Bank mit Klagen, weil sie mit Zinsprodukten der Bank Verluste gemacht haben und sich falsch beraten fühlen.

Klagen und Proteste von Kunden gegen das Geschäftsgebaren der Deutschen Bank hat es unter Ackermann immer wieder gegeben. Aber weniger als früher richtet sich der Ärger heute gegen die Person Josef Ackermann. Als er im September in der Talkshow von Maybrit Illner auftritt, war das zuvor intern umstritten. Wie könne er sich vor einem Massenpublikum zu einem auch für die Deutsche Bank so heiklen Thema wie der Kreditkrise äußern? Er erklärt den Zuschauern mit einem Lächeln die Bankenwelt, räumt ein - nur ein bisschen zerknirscht -, auch die Deutsche Bank habe Fehler gemacht. Doch die Botschaft ist auch hier: Alles wird gut. Er spielt mit dem Charme des Erfolges. Danach sollen Kunden in den Filialen ihre Bankberater angegangen sein, sie sollten sich ein Beispiel an ihrem Chef nehmen, der sei im Fernsehen ja so nett gewesen.

Geballte Fäuste

Ackermann wird plötzlich als Führungspersönlichkeit akzeptiert - das hat auch damit zu tun, dass er in ein Vakuum stößt. Er habe sich nicht aufgedrängt, sagt er, "aber die Menschen sind verunsichert und suchen Antworten". In der Kreditkrise hätten sich viele weggeduckt. Doch man findet auch einfachere Erklärungen dafür, dass er heute unter Deutschlands Managern ein Stück herausragt: Er ist noch da. Er hat wie einst Helmut Kohl alle Krisen ausgesessen. Helden der New Economy wie Klaus Esser und der frühere Telekom-Chef Ron Sommer sind in den Hintergrund gerückt; Heinrich von Pierer wurde im Zuge des Schmiergeldskandals bei Siemens demontiert; Jürgen Schrempp wurde bei Daimler nach Jahren des Misserfolgs verjagt; Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer fiel als Aufsichtsratschef über die Fehde mit Leo Kirch.

Die alten Helden der Deutschland AG, er hat sie alle überlebt. Und es heißt, manch einer von ihnen balle die Faust in der Tasche, wenn Ackermann, der als Mannesmann-Aufsichtsrat so fragwürdig handelte, bei Siemens nun in der Rolle des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden als Aufräumer und Saubermann auftritt. "Wenn in der Deutschen Bank systematisch solche Dinge aufbrechen würden", sagte er, "würde ich morgen zurücktreten." Dagegen sieht er die Prämien, die er Esser bei Mannesmann gewährte, noch heute nicht als unmoralisch an.

In der Bankenwelt hat Ackermann solche Diskussionen nie führen müssen. Da war er in den vergangenen Jahren einer unter vielen erfolgreichen Konzernchefs. Jetzt aber sind auch dort Größen wie Charles Prince bei der Citigroup und Stanley O'Neal von Merrill Lynch vom Sockel gestürzt - und Ackermann zählt plötzlich zu den wenigen, die noch immer gut dastehen. Ob und wie ernsthaft sie ihn deshalb tatsächlich als Chef zur Citigroup holen wollten, darüber kursieren unterschiedliche Versionen. Ackermann nutzten die Gerüchte in zweierlei Hinsicht: Sie bestätigten ihn gegenüber seinen Kritikern, alles richtig gemacht zu haben. Und er konnte signalisieren: Ich bleibe trotzdem in Deutschland, ich bin hier angekommen.

Und was bleibt, wenn er bei der Deutschen Bank fertig ist? Manchmal macht Ackermann an diesem Abend in der Villa Sander den Eindruck, als sei er froh, das alles bald hinter sich lassen zu können. Und in diesen Momenten bekommt man eine Ahnung, was den Menschen Ackermann, der stets um Kontrolle bemüht ist, noch ausmacht. Vieles sei zu kurz gekommen in all den Jahren. Seine Liebe zur Musik, das Interesse an anderen Kulturen, an der Wissenschaft. "Ich bin Wassermann, von denen man sagt, sie seien Menschen mit vielseitigen Interessen."

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