Süddeutsche Zeitung

Geldinstitut:Deutsche Bank: Zu giftig, um gekauft zu werden

  • Die Deutsche Bank steckt in einer tiefen Krise, der Börsenwert ist niedrig: Ideale Bedingungen für Wettbewerber, das Institut zu übernehmen.
  • Eine Übernahme gilt jedoch als unwahrscheinlich. Grund sind etwa die enormen Rechtsrisiken, die die Bank angehäuft hat.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Der Aktienkurs im Keller, der Ruf zerstört, die Wende noch nicht in Sicht: Die Deutsche Bank ist zweifelsohne in einer tiefen Krise, deren Bewältigung noch einige Jahre in Anspruch nehmen wird.

Krisen allerdings sind bekanntlich Nährboden für düstere Szenarien. Im Fall der Deutschen Bank ist das zum einen die Wahrnehmung mancher Investoren, dass die größte Bank der Republik einer Pleite heute noch näher sein könnte als noch vor wenigen Wochen. Seit Kurzem jedenfalls sind jene Versicherungsprämien deutlich gestiegen, mit denen Investoren ihre Deutsche-Bank-Anleihen gegen einen Ausfall absichern können.

Zum anderen ist da die heikle Frage, ob die Deutsche Bank im 145. Jahr ihres Bestehens zum Übernahmeziel zu werden droht und von einem ausländischen Wettbewerber geschluckt werden könnte. Schließlich ist sie an der Börse nur noch gut 20 Milliarden Euro wert. Wer die Bank übernehmen würde, bekäme dafür nicht nur eine globale Bank mit Umsätzen von gut 30 Milliarden Euro, sondern auch 63 Milliarden Euro bilanzielles Eigenkapital.

"Die Regulatoren würden sich ganz sicher in den Weg stellen"

Beide Szenarien jedoch, zum einen die Pleite, zum anderen die Übernahme, sind derzeit unwahrscheinlich. Die Pleite, weil die Bank nicht nur über viel höhere Kapitalreserven verfügt als noch zu Krisenzeiten, sondern auch, weil sie sich dank der Geldflut der Zentralbanken jederzeit refinanzieren kann. Das war bei der US-Bank Lehman Brothers im Krisenjahr 2008 anders.

Aber auch eine Übernahme ist unwahrscheinlich. Das größte Hindernis dabei ist die Regulierung: Deutsche-Bank-Chef John Cryan verschwendet nach eigener Aussage nicht allzu viel Zeit auf diesen Gedanken: "Im Augenblick glaube ich eher nicht, dass das passiert", sagte er auf der Bilanzpressekonferenz Ende Januar. "Die Regulatoren würden sich ganz sicher in den Weg stellen bei einer solchen riskanten Kombination zweier ziemlich großer Institute." Die Deutsche Bank nämlich mag beim Börsenwert unter ferner liefen rangieren, auf der Liste der 30 weltweit potenziell systemgefährdenden Banken hat sie weiterhin einen Stammplatz. Wie andere Großbanken muss sie daher besonders viel Eigenkapital vorhalten. Wenn also eine kleinere Bank 20 Milliarden Euro plus Übernahmeprämie übrig hätte und ein Auge auf den deutschen Branchenriesen würfe, würde sie damit automatisch auch zur global systemrelevanten Bank. "Wer soll das machen in einer Phase, in der die Regulatoren weiterhin immer mehr Eigenkapital verlangen?", fragt der Chef einer anderen deutschen Bank. Selbst kleinere und weniger komplizierte Banken wie die Commerzbank oder die Postbank wurden bislang nicht mit Offerten überhäuft.

Auch die hohen Rechtsrisiken, die sonst nichts als ein Ärgernis sind, schützen die Deutsche Bank vor einer feindlichen Übernahme und geben damit eine klassische Giftpille ab - so nennen Investmentbanker innewohnende Abwehrmechanismen. Bislang hat die Deutsche Bank zwölf Milliarden Euro für die zweifelhaften Geschäfte gezahlt; weitere 5,2 Milliarden sind zurückgestellt. Nach wie vor gäben diese Risiken "Anlass zur Sorge", schrieben die Analysten der französischen Bank Exane BNP Paribas vergangene Woche. Wer sie abschätzen wolle, könne "leicht danebenliegen".

Ob sich der Bund einer ausländischen Großbank in den Weg stellen würde, ist strittig

Bleibt die Frage, wie die Politik reagieren würde, drohte die Deutsche Bank in ausländische Hände zu fallen. Über das Kreditwesengesetz hat sie einen Fuß in der Tür, denn die Finanzaufsicht muss jeden, der mehr als zehn Prozent an einem deutschen Institut erwirbt, überprüfen. Zumindest Finanzinvestoren oder Hedgefonds dürften an dieser Hürde scheitern. Ob sich der Bund aber auch einer Großbank in den Weg stellen würde, dazu gehen die Meinungen in Frankfurt auseinander. Einige halten sogar das Extremszenario für möglich, dass sich der Bund an der Bank beteiligt, um die Interessen der heimischen Industrie und des Finanzstandorts zu sichern.

Etwas wahrscheinlicher ist da schon der Angriff eines aktivistischen Investors. Seit Jahren wächst die Finanzkraft dieser Fonds, auch "Barbaren der Finanzmärkte" genannt. Sie kaufen zumeist Minderheitsanteile an Unternehmen und ziehen dann andere Aktionäre auf ihre Seite. In möglichst kurzer Zeit wollen sie möglichst viel herausholen. Oft dringen sie auf die Zerschlagung, ein neues Management oder die Ausschüttung der Barreserven. Von Banken lassen sie wegen der Regulierung in der Regel zwar die Finger (aber auch hier gibt es bereits Ausnahmen). Allzu sehr vertrauen sollte die Deutsche Bank also nicht auf ihre Giftpillen. Denn gefährlich kann es für das Institut just dann werden, wenn die Sanierung erste Erfolge zeigt, die Börsenbewertung aber noch niedrig ist. Das wäre der ideale Zeitpunkt zum Angriff.

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SZ vom 08.02.2016/jasch
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