SommerzeitWie die Deutsche Bahn an der Zeitumstellung scheitert

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Es ist wieder Sommerzeit – auch bei der Deutschen Bahn.
Es ist wieder Sommerzeit – auch bei der Deutschen Bahn. (Foto: Arne Dedert)

In der Nacht auf Sonntag soll ein Zug um 2.49 Uhr von Frankfurt nach Berlin fahren. Doch existiert er überhaupt? Bahn-App und Anzeigetafeln sind sich da nicht so sicher.

Glosse von Vivien Timmler, Frankfurt

Die Ziffern auf dem Bahnticket waren unmissverständlich. Um 2.49 Uhr sollte am frühen Sonntagmorgen am Frankfurter Hauptbahnhof ein Zug Richtung Berlin aufbrechen. Prognostizierte Fahrtzeit: fünf Stunden und fünf Minuten. Das Problem war nur: Es würde an diesem Sonntagmorgen kein 2.49 Uhr geben. Um Punkt zwei Uhr würde die Uhr auf Punkt drei Uhr umspringen. Zeitumstellung – da war ja was. Was aber würde mit dem Zug passieren? Würde er trotzdem fahren? Nur halt „später“? Oder gar nicht?

Nun ist der Frankfurter Hauptbahnhof nachts kein Hort der Gemütlichkeit. Ein Mann versucht, seinen Mageninhalt davon zu überzeugen, noch ein wenig im Körper zu verbleiben. Ein anderer sieht den idealen Zeitpunkt gekommen, sein Gegenüber mal so richtig anzuschreien. Dazwischen patrouillieren in Dreiergrüppchen Polizisten, natürlich ohne einzugreifen. Und ein paar Meter weiter rast eine Kehrmaschine so schnell vorbei, dass der Fahrer in der Dreißigerzone ein Bußgeld kassiert hätte.

In dieser Gemengelage um kurz vor zwei Uhr jemanden zu finden, der erklären kann, was die Fahrplanschreiber sich bei ihrem 2.49-Uhr-Zug gedacht haben, ist natürlich quasi unmöglich. Also muss die Deutsche-Bahn-App weiterhelfen. Doch die ist voller Widersprüche. Das in der App hinterlegte Ticket zeigt weiterhin 2.49 Uhr an. Sucht man nun aber nach einem Zug nach Berlin, ist die Verbindung verschwunden. 3.49 Uhr ist jetzt die einzige Option für diese Nacht. Prognostizierte Fahrtzeit: plötzlich nur noch vier Stunden und drei Minuten. Was solch eine Zeitumstellung nicht alles bewirken kann.

Ein paar Minuten später geschieht, was geschehen muss: Es wird nicht zwei, sondern direkt drei Uhr. Doch in der Bahn-App passiert noch etwas: Der Balken, der für gewöhnlich den Fortschritt eines Zuges anzeigt, beginnt sich zu bewegen. Ganz so, als sei der ICE planmäßig um 2.49 Uhr abgefahren. Auch die ausstehende Zeit bis zum Ausstieg verringert sich sukzessive. Darüber prangt provokativ der Hinweis: Geringe Auslastung erwartet. Keine Be-/Entladung von Fahrrädern in Gotha möglich. Wie könnte es auch anders sein bei einem Zug, der nicht existiert.

Die gelben Aushangfahrpläne

Eine Dreiviertelstunde später – der Phantomzug ist schon auf Höhe Fulda – passiert dann am Frankfurter Hauptbahnhof: genau gar nichts Spektakuläres. Mit einer Verspätung von vier Minuten – die Deutsche Bahn bleibt sich auch mitten in der Nacht treu – fährt der ICE nach Berlin ein. Auf der Anzeigetafel steht 3.49 Uhr, als hätte die Bahn das von vornherein genau so geplant. Ein Blick auf die gelben Aushangfahrpläne belegt, dass dem nicht so ist. Denn da steht natürlich 2.49 Uhr.

Und als wäre das alles mitten in der Nacht nicht schon verwirrend genug, bietet der kleine Anzeigebildschirm im ICE selbst den Reisenden noch eine dritte Lesart an. Er weist in Rot eine Verspätung des Zuges von 50 Minuten aus. Wie die zustande kommt, ob sie auf die Zeitumstellung zurückzuführen ist und warum sie dann nicht immerhin genau eine Stunde beträgt, kann sich die zuständige Zugbegleiterin auch nicht erklären. Fakt sei: „Wir sind pünktlich unterwegs. Zumindest nach Sommerzeit.“

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