Süddeutsche Zeitung

Zugverkehr:Bahn bekommt Verspätungen nicht in den Griff

  • Seit Jahren scheitert die Bahn an ihrem selbst gesetzten Ziel, dass zumindest 80 Prozent aller Züge einigermaßen nach Fahrplan fahren. Auch 2018 wird das wohl so sein.
  • Als einen der Gründe führt die Bahn Engpässe bei den Kapazitäten an.

Von Jan Schwenkenbecher, Berlin

Pünktlichkeit bleibt das große Thema. Jahr für Jahr gibt die Bahn für ihren Fernverkehr das Ziel aus, dass mindestens 80 Prozent aller Züge nach Fahrplan ein- und abfahren. Jahr für Jahr scheitert sie. Es scheint auch 2018 wieder so zu kommen, das geht aus den Zahlen zum ersten Halbjahr 2018 hervor, die der Vorstand jetzt vorstellte.

Im ersten Halbjahr 2018 fuhren demnach 77,4 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich. Damit sind alle Züge gemeint, die höchstens 5 Minuten und 59 Sekunden vom Fahrplan abweichen. Der Wert entspreche nicht den Erwartungen, sagte der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz.

Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres fuhren noch 81 Prozent der Züge pünktlich. Doch auch 2017 reichte es letztlich nicht, das selbstgesetzte Ziel zu erreichen: Pannen und Unwetter drückten den Jahreswert auf 78,5 Prozent. In diesem Jahr investiert die Bahn 100 Millionen Euro allein in die Pünktlichkeit. Es gibt ein neues "Lagezentrum Pünktlichkeit", bei Großstörungen wolle man "robuster und widerstandsfähiger" werden, so Lutz. Es werde zwar eine Trendwende erwartet, doch über 80 Prozent werde man nicht schaffen.

Zunehmend Kapazitätsengpässe

Die Verspätungen dürften auch mit der steigenden Anzahl an Fahrgästen zusammenhängen, die 2018 weiter ansteigen. Rund 71 Millionen Personen reisten demnach in der ersten Jahreshälfte mit Fernverkehrs-Zügen der Deutschen Bahn; im ersten Halbjahr 2017 waren es 68,3. Eine Steigerung um 3,8 Prozent. Zum Ende des vergangenen Jahres hatte die Bahn 142 Millionen Menschen befördert. Sollte das in 2018 übertroffen werden, wäre es das vierte Jahr in Folge mit neuem Höchstwert. "Die Menschen sind mobil wie nie", sagte Lutz. Doch mehr Reisende bedeute auch mehr Verkehr, beim Thema Pünktlichkeit merke man, "dass die vorhandene Infrastruktur auch ihre Grenzen hat."

Besonders an den großen Knotenpunkten ist das Schienennetz stark ausgelastet. "Hamburg und Frankfurt bereiten uns zunehmend Probleme", sagte der für Infrastruktur zuständige Vorstand Ronald Pofalla. Zudem habe man fünf Streckenabschnitte identifiziert, auf denen "Kapazitätsengpässe" bestünden. "Köln-Dortmund ist die engste Stelle, die wir in Deutschland haben." Dort wurde mittlerweile ein Team eingesetzt, dass die Züge gesondert steuere. Die weiteren vier Abschnitte wollte er nicht nennen.

Mit den steigenden Passagierzahlen konnte die Bahn auch eine erneute Umsatzsteigerung vermelden. Im ersten Halbjahr betrug der Umsatz 21,5 Milliarden Euro, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum eine Steigerung um 2,3 Prozent. "Und auch für das Gesamtjahr rechnen wir mit einer Zunahme in dieser Größenordnung", so Lutz. Der Gewinn sank und lag mit 974 Millionen Euro im ersten Halbjahr um über 17 Prozent unter Vorjahresniveau. Für das gesamte Jahr rechne man mit einem Gewinn von 2,1 Milliarden Euro - 2017 waren es 2,2 Milliarden.

Die Schulden der Bahn stiegen an. Waren es Ende 2017 noch 18,6 Milliarden Euro, ist das Unternehmen nun mit 19,7 Milliarden Euro verschuldet. Damit war jedoch zu rechnen, da die Bahn viel Geld in neue Züge wie den ICE 4 und die eigene Infrastruktur investiert.

Viele der Investitionen sollen künftig helfen, den Fernverkehrs-Fahrplan häufiger einzuhalten. "Wir bauen auf Rekordniveau und koordinieren bis zu 800 Baustellen pro Tag", sagte Lutz. Tendenz steigend. "Das Grunddilemma, dass auf einem durch Baumaßnahmen immer stärker belasteten Netz immer mehr Züge fahren, wird uns bei der Pünktlichkeit daher noch Jahre begleiten."

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