Es ist ein Satz, der sitzt. „Das Bundesverkehrsministerium scheitert beim Steuern der Deutsche Bahn AG.“ Zu diesem Fazit kommt der Bundesrechnungshof in einem bislang unveröffentlichten Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Prüfer haben in den vergangenen Monaten untersucht, inwiefern das Haus von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) dem Versprechen nachgekommen ist, die Interessen des Bundes bei dem staatseigenen Unternehmen besser durchzusetzen. Mit dem Ergebnis, dass dies „am Widerstand des Konzerns gescheitert“ sei – und an „der mangelnden Durchsetzung“ seitens des Bundesverkehrsministeriums (BMDV). Das wiederum weist die Kritik der Prüfer zurück; diese sei „nicht nachvollziehbar“.
Dem Bericht zufolge gab die Leitungsebene des Ministeriums den Interessen der Deutschen Bahn an wichtigen Stellen nach. Der Bundesrechnungshof spricht von einem „strategischen Vakuum“ seitens des Bundes, das die DB ausfülle. So habe es Wissings Haus etwa versäumt, die neue gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte DB Infrago „von Konzerninteressen zu entflechten“, auch eine personelle Unabhängigkeit von der DB AG sei nicht gelungen. Letztlich habe sich die Bahn „in Fragen ihrer Neustrukturierung erfolgreich gegen das BMDV durchgesetzt“. Verlierer seien der Bund, die Steuerzahler sowie die Reisenden, denen weiterhin nur ein reformbedürftiges System Eisenbahn zur Verfügung stehe. Die Prüfer appellieren an die Haushälter, beim Ministerium darauf zu dringen, „sich nicht länger den unternehmerischen Interessen“ der Bahn unterzuordnen.
Die Kritik trifft Bundesverkehrsminister Wissing an einem wunden Punkt – und in einer heiklen Phase. Einerseits hatte er für sich stets in Anspruch genommen, insbesondere seit der Gründung der DB Infrago „extrem viel“ zu steuern. „Ich glaube, enger wurde die Bahn in der Infrastruktur noch nie geführt“, sagte er im Frühjahr. Der Bundesrechnungshof kommt zu einem gänzlich anderen Ergebnis. Zumal der sogenannte „Infraplan“, der das zentrale Steuerungsinstrument der Infrastruktur sein soll, auch zehn Monate nach Gründung der DB-Tochter weiterhin auf sich warten lässt.
Hinzu kommt, dass Wissing zuletzt alles daran setzte, den Druck auf den Bahn-Vorstand um Bahn-Chef Richard Lutz zu erhöhen. Geht es nach dem Minister, soll die Bahn in den kommenden Jahren nicht nur sukzessive pünktlicher werden, sondern gleichzeitig auch wieder schwarze Zahlen schreiben. Die Konzernführung hat daraufhin ein Sanierungsprogramm namens „S3“ mit vielen Kennzahlen und Versprechen erarbeitet; Wissing will den Fortschritt alle drei Monate kontrollieren. Aber entspricht das auch schon einer wirksamen Steuerung, wie sie der Minister für sich beansprucht?
Steuerung? „Einfach ausprobieren“
Das ist offenbar selbst für Führungskräfte aus Wissings Haus schwer zu argumentieren. Nur wenige Stunden nachdem der Rechnungshofbericht beim Haushaltsausschuss eingegangen war, saß Corinna Salander, die Leiterin der Eisenbahnabteilung im BMDV, in Berlin auf einer Bühne. Wie das Ministerium denn derzeit die DB Infrago genau steuere, wurde sie gefragt. „Zurzeit steuern wir, indem wir sehr, sehr regelmäßig im Austausch sind“, lautete Salanders ehrliche Antwort. Der Infraplan werde derzeit noch entwickelt, so etwas gehe ja nicht von heute auf morgen. Man werde nun aber „einzelne Steuerungsinstrumente einfach ausprobieren“, sagte sie – und bestätigte damit wohl eher unfreiwillig das verheerende Zeugnis des Bundesrechnungshofs.
Dementsprechend konsterniert ist die Opposition. Sie wirft Wissing und seinem Haus „Totalversagen“ bei der Steuerung der Deutschen Bahn vor. „Die extra dafür im Ministerien eingerichteten Gremien dienen offenbar nur der Postenbeschaffung, nicht aber einem wirksamen Durchgreifen auf den Konzern“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ulrich Lange. Aus seiner Sicht ist damit nicht nur der Minister gescheitert – sondern auch die DB Infrago.