Verkehr:Bahn will marodes Schienennetz sanieren - doch das wird dauern

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In Zukunft soll mehr Geld in die Bahn investiert werden. Dafür sollen auch Mittel aus der Lkw-Maut verwendet werden dürfen. (Foto: Christoph Hardt/Imago/Future Image)

Die Bahn ist nicht nur chronisch unpünktlich, ihr Zustand konterkariert auch die Klimaziele der Regierung. Das soll sich ändern, doch auf kurze Sicht werden Fahrgäste kaum profitieren.

Von Markus Balser, Berlin

Richard Lutz war pünktlich an diesem Morgen in Berlin. Schon eine Viertelstunde vor dem Start der Pressekonferenz betrat der Bahnchef die Bundespressekonferenz und wartete auf Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Im ganzen Land wird gerade über sein Unternehmen, Rekordzahlen bei den Zugverspätungen und Ausfällen gespottet. Da sollte diesmal offenbar nichts schiefgehen.

Denn auch der Druck der Politik wächst. "So wie es ist, kann es nicht bleiben", sagte Wissing zum Start des gemeinsamen Auftritts. "Ich will die Probleme angehen und lösen, indem ich sie zur Chefsache mache." Ein besserer Schienenverkehr sei schließlich unerlässlich für die Klimaziele der Bundesregierung. Diese seien aber mit dem Zustand der Bahn derzeit nicht zu erreichen.

Die Bahn selbst machte am Mittwoch klar, wie dramatisch sich die Lage auf dem veralteten Schienennetz gerade zuspitzt. Das Zusammentreffen von immer mehr Verkehr auf einer ohnehin schon knappen und durch Bautätigkeit noch zusätzlich eingeschränkten Infrastruktur führe zu Staus und Verspätungen mit massiven Auswirkungen auf alle Kunden im Personen- und Güterverkehr, sagte Lutz. Wissing kritisierte, dass derzeit wegen der Engpässe 200 Güterzüge stillständen. "Das ist dramatisch, das kann sich nicht fortsetzen."

Die Bundesregierung plant nun einen grundlegenden Umbau des Schienenverkehrs. Die Ziele von Bahn und Politik konzentrieren sich allerdings auf Verbesserungen in vielen Jahren. So will der Bund die Sanierung des maroden Schienennetzes vorantreiben. Die Generalsanierung des ersten Schienenkorridors soll 2024 starten. Bis 2030 sollen alle wichtigen Korridore saniert sein.

Bei Baustellen sollen Ausweichstrecken verkürzt werden

Auf kurze Sicht allerdings wird sich für Fahrgäste an der mäßigen Qualität des Zugverkehrs offenbar nicht allzu viel ändern. Angekündigte Änderungen beim Baustellenmanagement, etwa die Ausweichstrecken zu verkürzen, werden bestenfalls leichte Besserung bringen.

Seit Jahresbeginn waren die Pünktlichkeitswerte der Bahn im Fernverkehr von 80 auf 60 Prozent abgestürzt. Weil das marode Netz gerade weiter mit einer Rekordzahl von Baustellen saniert werden muss, müssen viele Züge langsamer fahren oder werden umgeleitet.

Die Krise der Bahn wird mehr und mehr auch zum politischen Problem für die Bundesregierung. Denn bei den Klimaschutz-Zielen der Ampel-Koalition bis 2030 im Verkehr spielt sie eine wichtige Rolle. Die Passagierzahlen sollen sich bis dahin verdoppeln, der Anteil der Bahn am Frachtverkehr deutlich steigen.

Auch organisatorisch soll sich bei der Bahn nun einiges ändern. Die Bundesregierung will die Netzgesellschaft der Bahn, die sich um Ausbau und Erhalt der Schienenwege kümmert, gemeinsam mit der Bahnhofsgesellschaft Station & Service ab 2024 als gemeinnützige Aktiengesellschaft führen. Das Ziel: Die Gewinne der Sparte sollen allein von ihr genutzt werden, die Trassenpreise für Züge sinken. Geleitet werden soll sie von Berthold Huber, dem bisherigen Personenverkehrschef im Konzernvorstand der der Bahn. Hubers Posten wird Michael Peterson übernehmen, der bislang die Fernverkehrsgesellschaft führt.

Aus der Ampel-Koalition wurde am Mittwoch Kritik an der Vorgängerregierung laut. Es gebe zwei Arten von Schulden, sagte Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, der SZ. "Die auf dem Papier und die in der Infrastruktur". Die große Koalition habe viel zu wenig für die Sanierung getan. Der Schuldenstand in der Infrastruktur sei nun immens.

Kritikern geht der Plan nicht weit genug

Ende Juli soll nun eine "Beschleunigungskommission" aus Fachleuten ihre Arbeit aufnehmen. Sie soll laut Wissing klären, wie der Ausbau der Schienenwege künftig schneller ablaufen kann.

Kritikern geht der Plan nicht weit genug. "Grundsätzlich brauchen wir keine neuen Kommissionen, sondern mehr Taten", sagte Dirk Flege von der Interessensvereinigung Allianz pro Schiene. "Ein schon heute überlastetes Schienennetz bleibt selbst mit besserer Baustellenplanung überlastet." Eine Generalsanierung sei zudem kein Ersatz für mehr Tempo bei der Erweiterung des Schienennetzes. Es sei entscheidend, bei der Finanzierung endlich mehr Planungssicherheit zu schaffen, forderte Flege. Wie viel Geld der Bund der Bahn nun zusätzlich für den Kraftakt zahlen will, blieb allerdings auch am Mittwoch offen. Die Finanzierung sei sichergestellt, sagte der FDP-Politiker lediglich, ohne jedoch Zahlen zu nennen.

Am Ende richtete Verkehrsminister Wissing dann noch einen Appell an den Bahnchef: "Ich erwarte, dass wir in Zukunft wieder die Uhr nach der Bahn stellen können. Und ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam mit der Branche auch schaffen."

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