Verkehrspolitik:Millionen für die Bahn flossen in Fernstraßen und Fluggesellschaften

ICE Trasse Floersheim, DEU, 28.09.2020 - Ein ICE der Deutschen Bahn faehrt mit Hochgeschwindigkeit an Autos auf der Auto

"Gleisanschluss" heißt das Förderprogramm, von dem auch der Ausbau von Autobahnen erheblich profitiert.

(Foto: Jochen Eckel /imago)

Der Rechnungshof äußert vor dem Abgang von Andreas Scheuer harte Kritik am Finanzgebaren des Verkehrsministers. Von der neuen Regierung fordern die Prüfer vor allem bei der Deutschen Bahn ein Umdenken.

Von Markus Balser, Berlin

Die scheidende Regierung hatte sich in der Verkehrspolitik eigentlich große Ziele gesetzt. Die Bahn sollte in eine ganz neue Ära starten: Mehr Passagiere, mehr Pünktlichkeit, effizientere Züge, neue Gleisanschlüsse. So hatte es Noch-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) signalisiert und mehr Klimaschutz versprochen. Doch die Realität sieht anders aus. Von der gewünschten Pünktlichkeit ist die Bahn weit entfernt, sonderlich viele Gleisanschlüsse kamen nicht hinzu. Und noch immer leidet die Bahn - auch coronabedingt - unter massiven finanziellen Problemen.

Der Bundesrechnungshof macht nun in einem Prüfbericht klar, dass die Kontrolleure die Lage äußerst kritisch sehen. Die aktuellen Zustände könne sich ein Staat wie Deutschland beim eigenen Bahnkonzern nicht weiter leisten, sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. "Das ist schon sehr beklagenswert." Am Dienstagvormittag schickte der Rechnungshof seine "Bemerkungen" zur Politik der Regierung an die Abgeordneten des Bundestags. Ein gut 50-seitiges Kapitel widmet die Behörde dabei allein der Verkehrspolitik - und attestiert dem Ministerium unter Scheuer, aber auch unter seinen beiden Vorgängern Alexander Dobrindt und Peter Ramsauer (beide CSU) einen stellenweise sehr laxen Umgang mit Finanzmitteln.

So floss den Prüfern zufolge in den vergangenen Jahren viel Geld, das eigentlich für die Bahn gedacht war, in ganz andere und weit weniger klimafreundliche Projekte. Konkret geht es um hohe Beträge aus dem "Förderprogramm Gleisanschluss". Von den 286 Millionen Euro, die dabei bis 2020 zur Verfügung standen, flossen laut dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, gerade mal 110 Millionen Euro tatsächlich in Gleisanschlüsse, also nur 38 Prozent. Mit 124 Millionen Euro finanzierte das Ministerium aus dem Topf dagegen Fernstraßen und Fluggesellschaften, mit dem Rest weitere Projekte.

Die Millionen für Fernstraßen und Fluggesellschaften fehlen der Deutschen Bahn

Das eigentliche Ziel, mehr Klimaschutz, bleibe so auf der Strecke, monieren die Prüfer. Das Ministerium habe die Mittel für das Projekt schon seit 2007 und damit über viele Jahre zu hoch für den Bahnbedarf angesetzt. Flossen sie nicht ab, wurde das Geld für andere Projekte eingesetzt. Das Ministerium habe so "wesentliche Grundsätze des Haushaltsrechts nicht beachtet", heißt es in dem Bericht. Die neue Regierung müsse den Einsatz nicht ausgegebener Bahnmittel für "schienenfremde Zwecke" dringend auf den Prüfstand stellen, fordert der Rechnungshof. Schließlich fehlten diese sonst beim Ausbau des Bahnverkehrs.

Ebenso kritisch sieht die Bonner Kontrollbehörde laxe Kontrollen der Bahn durch das Verkehrsministerium. Unter die Lupe nahm der Rechnungshof etwa ein 650 Millionen Euro schweres Förderprogramm für die Modernisierung von Rangierbahnhöfen, das noch bis 2026 läuft. Das einzig messbare Ziel der Leistungssteigerung sei dabei um 29 Prozent verfehlt worden, moniert der Rechnungshof. Rückschlüsse auf den Klimaschutz lägen überhaupt nicht vor. Ähnlich sehe es bei einem fast 100 Millionen Euro schweren Förderprogramm für energieeffizientere Züge aus. Zudem führe die Bahn Gewinne von Konzernunternehmen nicht immer, wie vorgesehen, an den Bund ab.

Das Ministerium lässt fleißig Lärmschutzwände bauen, prüft aber nicht, ob sie funktionieren

Der Bericht offenbart zudem Compliance-Probleme im Aufsichtsrat der Bahn. Interessenkonflikte würden dazu führen, dass ausgerechnet die Schiedsrichter für den Bahn-Markt kaum unparteiisch sein könnten, moniert der Rechnungshof. Schuld seien problematische Doppelfunktionen. Denn im Bahn-Aufsichtsrat sitzen bislang vor allem Abgeordnete und Spitzenbeamte. Sie müssten dort aber einerseits Wettbewerbsinteressen der Bahn vertreten, andererseits aber auch als Politiker und Beamte Einfluss auf die Marktordnung und den Wettbewerb mit Bahn-Konkurrenten nehmen. Das sei nicht miteinander vereinbar. Das Ministerium müsse die Besetzung des Aufsichtsrates künftig neu regeln, bestehende Interessenkollisionen auflösen und derartige Fälle künftig ausschließen, fordert der Rechnungshof.

Auch an anderer Stelle moniert der Rechnungshof einen eher nachlässigen Umgang des Verkehrsministeriums mit dem Geld. So habe der Bund in den vergangenen 15 Jahren insgesamt 2,2 Milliarden Euro in Lärmschutzwände an Bundesstraßen gesteckt. Bei denen stellten die Prüfer zuletzt jedoch immer wieder Mängel fest, die "von der Straßenbauverwaltung ignoriert wurden". Dem Rechnungshof zufolge ist das allerdings keine Überraschung. Denn zum Erstaunen der Prüfer werden Lärmschutzwände nach deren Bau generell gar nicht auf ihre akustische Wirkung geprüft.

Dabei geht es um ein Großvorhaben: 2500 Kilometer Lärmschutzwände wurden im Prüfungszeitraum errichtet. Zwar habe die Verwaltung das Erfüllen baulicher Anforderungen geprüft. Eine akustische Prüfung der errichteten Lärmschutzwände finde aber zu keiner Zeit statt, moniert der Rechnungshof. In Österreich seien solche Messungen dagegen üblich und hätten die Qualität deutlich verbessert. Das Verkehrsministerium müsse wenigstens Stichprobentests auch in Deutschland sicherstellen.

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