Deutsche Bahn:Milliarden für die Pünktlichkeit

Erfurt Hauptbahnhof

Langfristig sollen 85 Prozent der Fernzüge pünktlich ankommen, derzeit sind es knapp 72 Prozent.

(Foto: Martin Schutt/dpa)
  • Die Deutsche Bahn hat gerade einige Probleme zu bewältigen: defekte Reservierungssysteme, Verspätungen und einen ICE-Brand.
  • Der Konzern rechnet in den kommenden vier Jahren mit fast fünf Milliarden Euro zusätzlicher Kosten, um solche Probleme in den Griff zu bekommen.
  • Wer die Mehrkosten tragen soll, ist noch unklar. Die Regierung allein wird es wohl nicht sein.

Von Markus Balser

Dass beim größten deutschen Staatskonzern gerade so einiges im Argen liegt - die Deutsche Bahn konnte das in den vergangenen Wochen kaum noch verbergen. Immer häufiger traten Probleme mit der Technik auf. Oft mussten Züge aus dem Verkehr gezogen werden, das Reservierungssystem zeigte tagelang nichts an. Wegen des ICE-Brandes Mitte Oktober ist eine der wichtigsten Trassen des Landes zwischen Köln und Frankfurt noch bis Mitte November nur eingeschränkt befahrbar. Dutzende Züge müssen zudem zur Wartung für einige Tage und in die Werkstatt. Die Bahn fährt ihr eigenes System und damit auch die Geduld der Kunden derzeit am Limit.

In den Chefetagen des Konzerns im gläsernen Büroturm am Potsdamer Platz wird fieberhaft an einer neuen Strategie gearbeitet. Ein 200-seitiges Papier mit dem Titel "Unsere Agenda für eine bessere Bahn" hat der Vorstand bereits verfasst und Ende vergangener Woche an die Aufsichtsräte des Konzerns verschickt. Die treffen sich am 22. und 23. November, um bei einer Klausurtagung über einen Ausweg aus der verfahrenen Krise zu beraten. Ganz hinten, auf Seite 186, findet sich nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen die wohl wichtigste Zahl. In den nächsten vier Jahren rechnet der Konzern damit, dass er 4,95 Milliarden Euro zusätzlich braucht, um die Probleme für die Kunden schnell in den Griff zu bekommen.

Die Zeit drängt. Denn die Probleme werden immer drängender. Die Bahn hatte sich vorgenommen, in diesem Jahr wieder pünktlicher zu werden. Nach den Bahn-Plänen sollten im laufenden Jahr eigentlich 82 Prozent der Züge pünktlich ankommen. Das Ziel hatte Bahn-Chef Richard Lutz bereits im Juli wegen massiver Probleme aufgegeben. Das langfristige Ziel der Bahn liegt aber weiter bei 85 Prozent.

Doch anstatt pünktlicher zu werden, kamen die Züge trotz aller Verbesserungsprogramme in größerem Stil zuletzt wieder unpünktlicher an. Nur 71,8 Prozent der Intercity, Eurocity und ICE fuhren im Oktober nach Fahrplan - was nach Definition des Staatskonzerns ohnehin nur heißt: weniger als sechs Minuten nach der planmäßigen Zeit. Das ist der zweitschwächste Monatswert in diesem Jahr. Nach Angaben aus Konzernkreisen rechnet die Bahn für das Gesamtjahr höchstens noch mit 75 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr. So kann es nicht weitergehen, das weiß man bei der Bahn. Der Vorstand schlägt deshalb auch eine radikale neue Strategie vor - und Milliardenausgaben.

Von den veranschlagten knapp fünf Milliarden Euro sollen dem Papier zufolge 2,3 Milliarden Euro in den Ausbau der eigenen Kapazitäten fließen. Es geht um die Beseitigung von Engpässen im Netz, vor allem an den großen Knotenpunkten. Aber auch um mehr Züge und Personal. Mit einer weiteren Milliarde soll die Digitalisierung gefördert werden - etwa der Ausbau weiterer Strecken mit dem elektronischen Zugsteuerungssystem ETCS. So könnten die Züge auf überlasteten Trassen in kürzeren Abständen fahren. Weitere 1,6 Milliarden Euro sollen nach Angaben der Bahnführung zudem in Innovationen und mehr Reisequalität für Kunden gesteckt werden.

Die Bundesregierung will die Kosten nicht alleine stemmen

Die Bahn äußerte sich am Montag nicht zu den Plänen des Managements. Ergebnisse des Aufsichtsratstreffens würden nach der Zusammenkunft bekannt gegeben. Die Pläne des Vorstands werden nicht nur im Aufsichtsrat Diskussionen auslösen. Auch in der Regierung verfolgt man sie aufmerksam. Denn selbst zahlen kann die Bahn solche Investitionen nicht. Wegen des ohnehin schon riesigen Schuldenbergs sind dem Unternehmen die Hände gebunden. Die Verbindlichkeiten liegen nur noch knapp unter der selbstgesteckten Höchstgrenze von 20 Milliarden Euro. Die Schulden der Bahn erreichen Rekordstände, weil Projekte wie Stuttgart 21 finanziell aus dem Ruder laufen. Und weil Sparten wie der Güterverkehr ein Sanierungsfall sind. Zusätzliche Investitionen in die eigene Infrastruktur würden den Konzern wohl überfordern.

Die Bundesregierung will die Milliardenlücke nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen nicht allein schließen. Die Aufsichtsratssitzung werde eine sehr intensive Strategieklausur, schwant Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er wolle zwar eine moderne Infrastruktur, mehr Pünktlichkeit und weniger Zugausfälle. Für eine noch höhere finanzielle Ausstattung müssten aber Maßnahmen und Strategie genau abgesprochen werden.

Die Bahn könnte nun ihre Pläne für eine teilweise Privatisierung wieder aus der Schublade holen und mit der Auslandstochter Arriva oder der Logistiksparte Schenker an die Börse gehen. Das hatte Bahn-Chef Richard Lutz zuletzt in Frankfurt angekündigt. Die Pläne sind in der Politik umstritten. Vor allem in der SPD gab es immer wieder Kritik an diesem Kurs.

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