Deutsche Bahn:Neue Signale

Die Bahn muss die neue Schnelltrasse Berlin-München nachrüsten, weil schwere Güterzüge sie sonst nicht nutzen können.

Von Markus Balser, Berlin

Als Deutschlands größtes Infrastrukturprojekt im Verkehrssektor Ende 2017 in Betrieb genommen wurde, schien es das Ende einer Mammutplanung. Zehn Milliarden Euro waren in das Prestigeprojekt geflossen. 25 Jahre hatten Bahn und Bund die Schnelltrasse zwischen Berlin und München geplant und gebaut, bevor die Premierenzüge über die Hochgeschwindigkeitsstrecke donnerten. Vor einem Monat wurde allerdings bekannt, dass in der eigentlich für den Personen- und Güterverkehr geplanten Strecke ein Systemfehler steckt. Zwar fuhren inzwischen Millionen Fahrgäste in ICEs über die Trasse. Der Güterverkehr aber wurde zum Totalausfall. Kein einziger Frachtzug nutzte die Strecke.

Nun will die Bahn Konsequenzen ziehen und umbauen. "Die Strecke wird in diesem Jahr so nachgerüstet, dass sie auch für schwerere Güterzüge befahrbar ist", kündigt ein Sprecher des Staatskonzerns an. Dazu sollen vor allem Signalpunkte verlegt werden. Da diese an mehreren Stellen mit starker Steigung eingebaut sind, können schwere Güterzüge nicht aus eigener Kraft anfahren, wenn sie dort halten müssen. Deshalb dürfen bislang nur leichte Züge auf der Strecke fahren, deren "Grenzlast" bei höchstens 1200 Tonnen liegt. Güterzüge sind aber meist schwerer. Sie wiegen in der Regel etwa 1600 Tonnen.

Anders pünktlich

Die Deutsche Bahn führt bei der Pünktlichkeitsbewertung eine zusätzliche neue Zeitrechnung ein. Künftig können Fahrgäste auch pünktlich sein, wenn sie bis zu 15 Minuten zu spät ankommen. Bislang sind Züge nach Definition des Konzerns zu spät, wenn sie mit mindestens sechs Minuten Verspätung am Zielbahnhof ankommen. Nach Angaben aus Bahnkreisen will der Konzern die Zusatzstatistik der "Reisenden-Pünktlichkeit" an diesem Montag einführen. Sie soll nicht für einzelne Züge, sondern für die 400 000 Fahrgäste des Konzerns täglich eine Reisepünktlichkeit ermitteln. Bei 270 000 Fahrgästen liegen der Bahn konkrete Daten zu Reisezeiten vor. Bei 130 000 Passagieren würden die Daten anhand von "Erfahrungswerten" simuliert, hieß es weiter. Die Bahn orientiert sich dabei an der Statistik, wie sie auch bei der Lufthansa oder den Fernbussen üblich ist und wie sie auch von der Schweizer Bahn erhoben wird. Die Statistik berücksichtige auch ausgefallene Züge und das Umsteigen. So könne positiv einfließen, wenn ein Zug auf Anschlussreisende warte. Ein Bahnsprecher wollte sich dazu am Sonntag nicht äußern. Die Sechs-Minuten-Statistik will die Bahn nach Angaben aus Konzernkreisen fortführen. Es gehe um eine zusätzliche Einordnung. Markus Balser

Die Posse soll nach dem Willen der Bahn bald ein Ende haben. An vier Stellen in Thüringen sollen die Signalpunkte nun verlegt werden. Der Aus- und Einbau der elektronischen Einrichtungen am Gleis wird nach Bahnangaben bis zu eine Million Euro kosten. Das Ziel: Das Gewichtslimit so wenigstens auf 1500 Tonnen steigen zu lassen, um wenigstens leichteren Güterzügen die Durchfahrt zu ermöglichen. Warum die Signalpunkte für Züge, die auf dieser Strecke weitgehend automatisch - und ohne herkömmliche Signale neben dem Gleis - fahren, überhaupt an derart problematischen Stellen eingebaut wurden, ist bislang unklar.

Die Bundesregierung hatte mit dem Bau schließlich ganz andere Hoffnungen geweckt. Sie pries die Strecke immer auch als Möglichkeit an, Güter auf der wichtigen Nord-Süd-Route von der Straße auf die Schiene zu holen. Man gehe davon aus, dass auf der Neubaustrecke täglich eine ICE-Linie mit 20 Zugpaaren verkehre und etwa 70 Güterzüge. Je Richtung, wohlgemerkt. So ließ es die Regierung noch 2010 offiziell wissen. Doch dann wurde aus der Strecke ein Totalausfall.

Eröffnung der Schnellfahrstrecke München - Berlin

Die neue Strecke nach Berlin soll nicht nur von ICEs benutzt werden.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Neben der Gewichtsbegrenzung liegt das auch am sogenannten Begegnungsverbot. Denn aus Sicherheitsgründen dürfen die bis zu 300 Stundenkilometer schnellen ICEs auf der tunnelreichen Strecke in den Betonröhren nicht an Güterzügen vorbeifahren. Da es nur wenige Überholmöglichkeiten gibt, steht die Strecke Güterzügen damit eigentlich nur nachts zur Verfügung. Probleme bereitet dem Güterverkehr daneben auch, dass auf der modernen Route nur Züge fahren können, die mit dem elektronischen und teuren Zugsteuerungssystem ETCS ausgerüstet sind. Der Konzern gehe dennoch davon aus, dass die Umbauten die Nachfrage der Güterbranche auf der Strecke deutlich erhöhten, heißt es bei der Bahn.

Mit dem Umbau will der Konzern nun auch die aufgekommenen Zweifel an der Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Strecke entkräften. Denn ohne die Prognose, dass auch viele Güterzüge auf der Strecke fahren, hätte der Bund wohl kaum so viel Steuergeld für den Neubau bereit stellen können. Wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit hätten die Pläne kaum die nach Verwaltungsverfahren erforderlichen Bestnoten für eine Umsetzung bekommen. Die Strecke würde es möglicherweise gar nicht geben.

Die anstehenden Arbeiten an verschiedenen Stellen der Trasse sollen laut Bahn für ICE-Passagiere in den nächsten Monaten keine Nachteile bringen. Zu Verspätungen werde es nicht kommen, heißt es. Einem Sprecher der Bahn zufolge sollen die nötigen Arbeiten nachts stattfinden. Und da wird die Strecke ja bislang ohnehin nicht genutzt.

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