Gewerkschafter Weselsky zu Masken in Zügen:"Wir haben 80 Millionen Bahnspezialisten"

Lokführerstreik

Zugbegleiter sollen im Zug dafür sorgen, dass Reisende einen Mund-Nasen-Schutz tragen und Abstand halten. In der Realität ist das aber schwer durchsetzbar.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die meisten tragen eine, doch einige Passagiere verweigern die Maske. Durchsetzen müssen die Vorschriften die Zugbegleiter. Doch dazu fehle ihnen die Handhabe, sagt Gewerkschafter Claus Weselsky.

Interview von Michael Bauchmüller

Herr Weselsky, Zugbegleiter klagen über Probleme, die Maskenpflicht durchzusetzen. Was genau passiert in den Zügen?

Unsere Leute geraten da gerade zwischen alle Fronten. Auf der einen Seite sind da viele vernünftige Fahrgäste, die ihre Maske tragen - und von den Zugbegleitern verlangen, die Maskenpflicht auch bei allen anderen durchzusetzen. Und auf der anderen Seite jene, die auf die Maske verzichten, weil sie sie für unsinnig halten. Die Bahn belässt es dabei, die Fahrgäste freundlich aufzufordern, doch bitteschön eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Das ganze Problem, der ganze Ärger mit den Maskenverweigerern, wird bei den Kleinsten im Machtgefüge abgeladen. Das sind die Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter.

Hat sich denn der Widerstand derer verstärkt, die auf die Maske verzichten wollen?

Auf jeden Fall, so höre ich es auch von meinen Mitgliedern. Da stellt sich ein laxerer Umgang mit der Maske ein. Je weniger man die Gefahr wahrnimmt, umso wenig ist man bereit, sich Einschränkungen wie die Maske anzutun. Und umso weniger ist man auch bereit, sich vom Zugbegleiter etwas sagen zu lassen.

Sehen sich die Zugbegleiter selbst auch in Gefahr?

Das schwingt von Beginn an mit, und das hat auch für viel Unruhe in der Belegschaft gesorgt. Unsere Mitglieder mussten draußen ihre Haut zu Markte tragen, während sich das ganze Management im Home-Office in Sicherheit brachte. Unsere Leute sind so schon gefährdet, durch die vielen Kontakte. Durch Menschen ohne Maske wächst diese Gefahr noch unnötig weiter. Es ist unmöglich, den 1,50-Meter-Abstand dauerhaft zu gewährleisten. Genau dafür ist die Maske da, ob bei der Fahrkartenkontrolle oder auf dem Gang. Ich sehe aber nicht, dass sich das Management da schützend vor die Mitarbeiter stellt.

Streik der Lokführer

Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL.

(Foto: dpa)

Was sollte denn passieren?

Die Ausgangsposition für die Zugbegleiter ist schon dadurch schlecht, dass die Pflicht zum Tragen einer Maske nicht Teil der Beförderungsbedingungen ist, und damit des Hausrechts des Unternehmens. Aus unerfindlichen Gründen kann sich das Management der Bahn nicht dazu durchringen, das zu verankern. Solange diese Rechtsklarheit fehlt, sind unseren Zugbegleitern in letzter Instanz die Hände gebunden. Sie sind schließlich keine Vollzugsbeamten, sondern Mitarbeiter der Bahn.

Dann bleibt nur noch die Bundespolizei.

Ja, die Bundespolizei - auf die wird gerne verwiesen. Natürlich könnte sie uns helfen, wenn wir es mit renitenten Fahrgästen zu tun haben. Aber die Bundespolizei ist völlig unterbesetzt und hat auch eine ganze Reihe anderer Dinge zu tun. Im Regionalverkehr muss man erst einmal einen Bahnhof finden, an dem es überhaupt noch Bundespolizisten gibt. Und im Fernverkehr bedeutet jede Einschaltung der Bundespolizei Verspätung.

Müsste denn der Bund noch klarere Regeln schaffen, etwa Bußgelder für Verstöße gegen die Maskenpflicht?

Ja, klar. Genau deshalb hatte ich den Bundesverkehrsminister zu Beginn der Maskenpflicht angeschrieben. Er hat geantwortet, dafür seien die Länder zuständig, nicht er. Im Fernverkehr. Wahnsinn.

Im letzten Jahr vermeldete die Bahn noch Fahrgastrekorde im Fernverkehr. Machen Sie sich manchmal Sorgen, dass die Bahn nie wieder so beliebt sein wird, wie sie es vor dem Virus mal war?

Was heißt schon beliebt? Wir haben 80 Millionen Bahnspezialisten, das ist schlimmer als beim Fußball. Man kann nicht feststellen, dass die Bahn in der Bevölkerung beliebt ist. In der Schweiz ist sie das. Da wurde 2002 per Volksentscheid festgelegt, dass die Bahn das Transportmittel der Zukunft ist. Dort spricht man mit Hochachtung von den Menschen, die für die Bahn arbeiten. Stellen Sie sich mal vor, wir würden in Deutschland eine Volksbefragung zum Transportmittel der Zukunft machen. Ich möchte das Ergebnis nicht kennen. Was aber die schieren Zahlen angeht: Ich wüsste nicht, warum die Bahn nach Corona weniger befördern sollte als vorher.

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