Digitalisierung:Kartellamt watscht Bahn ab

Digitalisierung: Ein Zug kommt später oder fährt auf einem anderen Gleis ein: Solche Informationen will die Bahn laut Kartellamt nicht mit Start-ups teilen.

Ein Zug kommt später oder fährt auf einem anderen Gleis ein: Solche Informationen will die Bahn laut Kartellamt nicht mit Start-ups teilen.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Der Staatskonzern soll innovative Ticket-Plattformen benachteiligt haben. In dem Streit geht es auch um die Angst der Bahn vor Google und Apple.

Von Markus Balser, Berlin

Wie sehr die Bahn von der Verkehrswende profitiert? Die Osterbilanz des Staatskonzerns machte das gerade eindrücklich klar. Erstmals seit Beginn der Corona-Krise war es in den Zügen des Konzerns wieder mindestens so voll wie vor der Pandemie. Rund 1,8 Millionen Fahrgäste stiegen allein zwischen Gründonnerstag und Ostermontag ein - immerhin 20 Prozent mehr als noch zu Ostern 2019.

Die Bundesregierung verfolgt seit Langem das Ziel, immer mehr Menschen für das Umsteigen vom Auto auf die Bahn zu gewinnen. Doch die Freude unter den Verkehrspolitikern über die guten Zahlen der Bahn war am Mittwoch getrübt. Denn schwere Vorwürfe machten die Runde. Die Deutsche Bahn selbst soll nach dem vorläufigen Ergebnis einer zweijährigen Prüfung des Bundeskartellamts den Wandel ausgebremst haben.

Das Bundeskartellamt machte am Mittwoch öffentlich, dass es die Deutsche Bahn förmlich abgemahnt hat. Es geht um den Vorwurf, der Konzern behindere digitale Plattformen wie Omio oder Trainline. Die bieten online Tickets für verschiedene Bahnen oder Verkehrsträger an, etwa Kombinationen von Bahntickets mit Flügen, Carsharing, Fernbus oder Mietfahrrädern. Dabei spiele die Schiene eine wichtige Rolle, so das Kartellamt.

Der Staatskonzern stelle den Diensten jedoch wichtige Daten über Verspätungen, Fahrtverlauf, Zugausfälle oder Gleiswechsel nicht zur Verfügung. Sie seien jedoch essenziell für die Entwicklung solcher Dienstleistungen. "Die Geschäftsmodelle können sonst nicht funktionieren", sagte Kartellamtschef Andreas Mundt. Die Bahn müsse die Anbieter deshalb generell mit solchen Daten versorgen. Derzeit stellt die Bahn die Daten nur wenigen ausgewählten Anbietern wie Google zur Verfügung.

Daneben machen problematische Klauseln in Verträgen der Bahn den Digitalfirmen offenbar das Leben schwer. Laut Kartellamt geht es dabei um Werbeverbote, Preisvorgaben oder weitreichende Rabattverbote. Online-Partner der Bahn würden beim Verkauf von Bahn-Tickets etwa dazu verpflichtet, auf Rabattaktionen, Bonuspunkt- oder Cashback-Programme zu verzichten. Die Bahn selbst bewerbe ihre eigenen Angebote aber mit genau diesen Mitteln, kritisiert das Kartellamt.

Die Bonner Behörde befürchtet auch, dass der DB-Konzern mit seinem Vorgehen dem Geschäft von kleinen Privatbahnen in Deutschland schadet. Diese seien besonders auf die Online-Kanäle angewiesen, um Reisende für ihre Angebote zu gewinnen. Das Kartellamt deutet eine härtere Gangart gegen das Unternehmen an: "Wir wollen nicht, dass ein einzelnes Unternehmen perspektivisch den Markt dominiert und innovative Mobilitätsanbieter ausgebremst werden", sagte Mundt weiter. Die Bahn sei das in Deutschland marktbeherrschende Unternehmen auf der Schiene. Deshalb unterliege der Konzern auch bestimmten Pflichten der Konkurrenz gegenüber.

Für den Konzern geht es bei dem Streit um entscheidende Zukunftsfragen

Die Deutsche Bahn bestätigte den Erhalt der Abmahnung, wollte die jedoch unter Verweis auf eine rechtliche Prüfung zunächst nicht kommentieren. Man habe in dem seit 2019 laufenden Verfahren umfassend mit dem Bundeskartellamt kooperiert, hieß es in einem Statement. "Inhaltlich geht es um neuartige Fragestellungen zum Online-Vertrieb, zu denen es bislang an gefestigter Rechtsprechung und Behördenpraxis fehlt", sagte ein Sprecher.

Für den Konzern geht es bei dem Streit um entscheidende Zukunftsfragen. Seit Längerem kursiert in der Bahn-Spitze die Sorge, dass neben Start-ups auch IT-Konzerne wie Apple oder Uber im Mobilitätsmarkt expandieren und künftig die eigenen Tickets verkaufen könnten. Die Bahn droht aus eigener Sicht damit zum Dienstleister degradiert zu werden. Seit Langem gibt es intern die Forderung, die Bahn müsse selbst zum Plattformanbieter werden.

Die Deutsche Bahn und die zu dem Verfahren beigeladenen Mobilitätsplattformen haben nun in den kommenden Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme. Lenkt die Bahn nicht ein, könnte das eine kartellbehördliche Verfügung nach sich ziehen. Dann könnten die digitalen Dienste auch Geschäftsausfälle vor Gericht einklagen. Auf die Bahn könnten dann hohe Summen zukommen.

Die Digitalplattformen hoffen schon jetzt auf bessere Geschäfte. Man sehe die Chance, dass Kunden künftig reibungsloser reisen und das Transportmittel leichter wechseln könnten, sagt Naren Shaam, Gründer und Chef von Omio. Es werde künftig hoffentlich einfacher, den Wechsel hin zu ökologisch nachhaltigen Transportmitteln wie der Bahn zu gestalten.

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