Deutsche Bahn:Jetzt geht's mal um den Kunden

Mit einem personellen Umbau will die Bahn sich für die Zukunft rüsten. Aber was haben die Fahrgäste davon? Im Wettbewerb mit Auto, Flugzeug und Bus wird der Zug es weiter schwer haben.

Von Guido Bohsem und Daniela Kuhr, Berlin/München

Bahn-Chef Rüdiger Grube ist sichtlich aufgekratzt. Munter stellt er am Dienstag in Berlin seine Zukunftspläne für die Bahn der Öffentlichkeit vor. Fragen beantwortet er mit Schwung und präzise. Die sechs Jahre als Vorstandschef des Staatskonzerns merkt man ihm nicht an. Knapp eine Woche vor seinem 64. Geburtstag will Grube es offenkundig noch einmal wissen und macht sich daran, die Bahn vollständig umzukrempeln. Mit dem Vorstand beginnend will er das Unternehmen einer Generalüberholung unterziehen. Alles soll anders werden. Das Unternehmen hat künftig nur noch sechs Vorstände und nicht mehr acht. Die Zuständigkeiten des Führungsteams sind neu geschnitten. Grube: "Ich brauche jetzt ein Team, das sich intensiv einbringt."

Die Zentrale mit ihren 7600 Mitarbeitern soll sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren, weshalb 5200 Bahn-Beschäftigte in eine neue Unterabteilung ausgelagert werden. Die gewaltige Menge von Bahn-Immobilien will Grube besser und effizienter verwalten, die beiden großen Auslands-Töchter gegebenenfalls in Teilen verkaufen. Vor allem aber will Grube alle Aufmerksamkeit auf das Inlandsgeschäft richten: die Bahn in Deutschland. Das Unternehmen solle schneller und schlanker werden, damit man sich mehr und besser um die Kunden kümmern könne.

Zentraler Omnibusbahnhof in München, 2013

Während die Bahn Kunden und Umsatz verliert, gewinnen die Fernbusse kräftig hinzu.

(Foto: Catherina Hess)

Dafür ist es allerdings auch höchste Zeit. Im ersten Halbjahr dieses Jahres, wie auch schon im Vorjahr, war Bahnfahren häufig kein Vergnügen. Vor allem die Streiks der Lokomotivführer haben Fahrgäste abgeschreckt. Auch legten immer wieder schwere Stürme den Bahnverkehr lahm, was für die Fahrgäste bedeutet: Entweder kommen sie zu spät ans Ziel oder sie verpassen ihren Anschlusszug - oder sie entscheiden sich lieber gleich für ein anderes Transportmittel. Im Personenverkehr also für Auto, Flugzeug und zunehmend auch für den Fernbus. Und im Güterverkehr entdecken Unternehmen die Vorteile des Lkw wieder. Natürlich macht sich das in den Halbjahreszahlen bemerkbar, die Grube am Dienstag präsentierte. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern brach um gut 18 Prozent auf 890 Millionen Euro ein. Damit hat die Bahn fast ein Fünftel weniger verdient als im Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr hatte Grube zunächst 2,2 Milliarden Euro Gewinn angepeilt. Internen Unterlagen zufolge rechnet er inzwischen nur noch mit zwei Milliarden Euro.

Wenn der Bahn-Chef jetzt also den großen Konzernumbau ankündigt, dann macht er das auch, um Kritik an seiner bisherigen Leistung zuvorzukommen. Denn Grube weiß: An vollmundigen Ankündigungen hat er es in der Vergangenheit nicht mangeln lassen. Den Beweis aber, dass er sie auch umsetzen kann, ist er bislang schuldig geblieben. Beispiel: Die Strategie 2020, die der Konzernchef im März 2012 angekündigt hatte. Damals hatte der Vorstand beschlossen, dass die Bahn ihren Umsatz bis 2020 auf 70 Milliarden Euro verdoppeln will. Ein Ziel, von dem Grube sich jedoch im März wieder verabschieden musste. Jetzt plant er für 2020 nur noch 50 Milliarden Euro Umsatz. Oder seine diversen Ankündigungen, dass der Service besser, die Züge sauberer und die Bahn pünktlicher wird. Eine Zeit lang schien es, als sei ihm das gelungen. In den vergangenen Monaten aber nahmen die Klagen der Bahnfahrer wieder zu. Da war wieder von ausgefallenen Klimaanlagen zu hören, in den Bordbistros versagten die Kaffeemaschinen oder die Kühlschränke. Und im Fernverkehr waren im Juni nur noch drei von vier Zügen pünktlich. Das aber sind die Punkte, die die Fahrgäste unmittelbar spüren. Man darf ziemlich sicher davon ausgehen, dass ihnen sämtliche großartigen Strategien, Visionen und Konzernumbaupläne des Vorstands komplett egal sind - solange es an solchen konkreten Dingen hapert.

Deutsche Bahn: SZ-Grafik: Eiden; Quelle: Statistisches Bundesamt

SZ-Grafik: Eiden; Quelle: Statistisches Bundesamt

Doch hat Grube nun die Weichen dafür gestellt, dass in Zukunft alles besser wird? Er verkleinert den Vorstand, strafft den Konzern und will auf diese Weise in den kommenden fünf Jahren 710 Millionen Euro einsparen. Das ist mit Sicherheit eine gute Idee - löst aber kein einziges der augenscheinlichen Probleme. So ist die Zugflotte der Bahn im Fernverkehr viel zu klein und im Schnitt auch viel zu alt. Einige der IC-Wagen fahren bereits seit 40 Jahren. Spürbar verbessern wird sich die Situation erst Ende 2017 - wenn die ersten von insgesamt 130 neuen ICx-Zügen in Betrieb gehen sollen. Bis dahin heißt es abwarten. Und daran wird selbst der motivierteste neue Vorstand nichts ändern können. So lange dauert es nun einmal, bis neue Züge gebaut und geliefert werden.

Ein weiteres großes Problem sind die Fernbusse, die immer mehr Fahrgäste seit der Freigabe des Marktes 2013 für sich entdeckt haben. Im vergangenen Jahr hat diese Konkurrenz die Bahn bereits 200 Millionen Euro an Umsatz - und damit an Gewinn gekostet. Denn ein ICE kostet fast gleich viel, egal, ob er voll oder leer fährt. Es hat eine Weile gedauert, bis man bei der Bahn erkannte, wie ernst diese neue Konkurrenz zu nehmen ist. Doch im März stellte der damals noch amtierende Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg ein umfassendes Konzept vor, um den Fernverkehr der Bahn wieder attraktiver zu machen: etwa durch häufigere Verbindungen zwischen großen Städten und mehr Anbindungen von kleinen Städten. Zudem gibt es eine neue Probe-Bahncard und spezielle 19-Euro-Tickets. An all dem will Homburgs Nachfolger, der bisherige Fernverkehrs-Chef Berthold Huber, auch festhalten. So mancher Mitarbeiter fragt sich deshalb, wieso dieser Vorstandsposten überhaupt ausgewechselt wurde, wenn man Homburgs Pläne doch für richtig hält.

Streik der Lokführer - Hagen

Konzernchef Grube hat immer wieder versprochen, die Züge attraktiver zu machen, getan hat sich bislang allerdings wenig.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Im Übrigen ändert jedoch auch die beste Strategie nichts an dem wahren Dilemma der Bahn: Sie ist einfach ein sehr teures und komplexes Transportmittel. Komplex, weil man sowohl unten auf der Schiene als auch oben an den Oberleitungen auf eine technisch einwandfrei funktionierende Infrastruktur angewiesen ist. Und weil man nicht eben mal einen langsamen Zug überholen kann, wie es Autos, Busse und Flugzeuge können. Teuer aber ist die Bahn auch deshalb, weil sie jährlich gut zwei Milliarden Euro aus eigenen Mitteln für den Erhalt des Netzes aufbringen muss, weil sie in diesem Jahr 160 Millionen Euro an EEG-Umlage, 60 Millionen Euro für den CO₂-Emissionshandel und 120 Millionen Euro Stromsteuer zahlen muss. Von den Trassengebühren ganz zu schweigen. Zudem will der Bund knapp eine Milliarde Dividende von ihr haben. Es sind diese massiven Kosten, die die Bahn im Wettbewerb mit dem Auto und dem Fernbus immer wieder ins Hintertreffen geraten lassen. Daran aber wird die neue Konzernstruktur nichts ändern. Der Einzige, der daran etwas ändern kann, ist der Bund.

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