Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bahn:So sieht der neue ICE von innen aus

Nach 30 Jahren bekommt das Flaggschiff der deutschen Bahn ein neues Innenleben. Die Plätze sollen dem Wohnzimmer zu Hause zumindest etwas ähnlicher werden. Bei der Pünktlichkeit macht die Bahn den Passagieren hingegen wenig Hoffnung.

Von Markus Balser, Berlin

Das Projekt hatte fast schon Geheimstufe im Staatskonzern. Ein Raum in der gläsernen Bahnzentrale am Potsdamer Platz wurde zum "Showroom". Eine Auswahl möglicher Wandfarben und Holzmaserungen oder Stoffmuster für Sitzbezüge waren hier ausgestellt. Die Vorstände der Bahn durften sich hier die Zukunft ihres Flaggschiffs anschauen und mitentscheiden. Nach mehr als zwei Jahren Entwicklungszeit präsentierte Bahnchef Richard Lutz am Mittwoch in Berlin das Ergebnis: Das rundum erneuerte Design von erster und zweiter Klasse sowie den Bordbistros.

Weiße Lackierung, roter Streifen, schwarzes Fensterband: von außen bleibt beim neuen ICE alles beim Alten. Im Inneren ändert sich ab dem neuesten Modell ICE 3 Neo jedoch Einiges. Neue Sitze sollen das Reisen bequemer, kleine Details wie ein Ipad-Halter die Plätze praktischer machen. Die Sitzmuster bekommen in der 2. Klasse nach dem blauen nun ein graublaues Muster. In der ersten Klasse dominieren Grautöne, die an die Farbgebung der Lounges in Bahnhöfen erinnern sollen. An den Wänden: die Nachbildung von deutscher Eiche. Wärmeres Licht soll etwas mehr Wohnzimmer-Atmosphäre in den Großraumwagen bringen, Filz-Elemente an Decken und Wänden die Akustik verbessern und Geräusche von Platznachbarn dämpfen.

Am deutlichsten wird die optische Veränderung in den Restaurants der Züge. Denn hier ändern sich die Farben stärker, auch das Platzangebot wandelt sich. Das helle Rot soll dort einem wärmeren Weinrot weichen. Und aus die funktionalen Tische sollen Sitzecken und Barelementen mit Barhockern weichen.

Das bisherige ICE-Design stammt größtenteils aus den 1990er-Jahren

Bis das Design in den ersten Zügen auf Reisen geht, wird es allerdings noch dauern. Passagiere werden auf die neue Ausstattung erstmals Ende 2023 stoßen, wenn die neuen Züge erstmals eingesetzt werden. Das bisherige Design der meisten ICE stammt zu großen Teilen aus den 1990er-Jahren. Als 2017 der neue ICE4 eingeführt wurde, gab es große Kritik an den Sitzen. Die Bahn tauschte sie schließlich aus. Damit sich das nicht wiederholt, haben 900 Fahrgäste als Probanden die Sitze des neuen Designs vorab getestet. Es ist nur für neue Züge gedacht, bestehende Fahrzeuge werden nicht umgerüstet. Kinder- und Familienabteile sowie Fahrradabstellmöglichkeiten wird es auch in den neuen Zügen geben.

Mit den neuen und bereits bestellten ICEs soll die Zugflotte des Konzerns bis 2030 von derzeit 360 auf dann 450 ICEs wachsen. Die Bahn geht davon aus, damit die steigenden Passagierzahlen bewältigen zu können. Lutz mahnte allerdings einen raschen Ausbau der Infrastruktur an. Die knappen Netzkapazitäten seien und blieben vorerst das Nadelöhr für das Wachstum der Bahn. Das überlastete Netz gilt auch als Hauptgrund für die massiven Pünktlichkeits- und Qualitätsprobleme der Bahn.

Für Designer ist die neue ICE-Optik kein einfaches Projekt. Die Planer könnten anders etwa als Autohersteller nicht in Zyklen von fünf bis sechs Jahren denken. Das Design der neuen ICEs sei für ganze Dekaden gedacht und müsse den Geschmack einer ganzen Generation von Passagieren treffen, sagte Fernverkehrschef Michael Petersen. Die Bahn hat ausgerechnet, wie viel Zeit alle Passagiere zusammen allein in den nächsten 15 Jahren in den fast 60 ersten neuen ICEs verbringen werden: Die Statistiker des Konzerns kamen auf eine Milliarde Stunden.

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